Erst neulich geisterte wieder so ein Schauerbericht durch das Web: Eine US-Amerikanerin fühlte sich in ihrer privat angemieteten Ferienunterkunft im mexikanischen Touristenhotspot Tulum so unwohl, dass sie vorsichtshalber mit einem Messer schlafen ging. Gebucht hatte sie ihre Unterkunft über Airbnb, verrät die Headline. Schließlich ist die berühmteste Online-Plattform für Kurzzeitvermietungen immer wieder gut für Schlagzeilen dieser Art.

Horrorgeschichten und lustige Anekdoten

Tatsächlich liest man häufiger von Gästen, die sich über die Qualität der angebotenen Wohnungen und Zimmer beschweren, als umgekehrt. Man muss schon etwas tiefer graben, um auch einmal Beschwerden der Gegenseite – also der "Hosts" – über ihre Mieterinnen und Mieter zu finden. Aber die haben es dafür in sich. Man liest von Wohnungen, die zu einem Bordell umfunktioniert wurden, von wilden Partys, gar Orgien inklusive exzessiven Drogenkonsums (nachzulesen beispielsweise in einem "Guardian"-Bericht aus dem Jahr 2015), verschmierten Fäkalien, zerstörtem Mobiliar ... Einmal ist sogar ein Haus abgebrannt, wie auf Reddit berichtet wird.

Wasserkocher auf der Herdplatte: keine gute Idee.
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Eine Blitzumfrage in der STANDARD-Redaktion hat ergeben, dass sich aber die wenigsten Gäste komplett danebenbenehmen. Es gibt dennoch ein paar lustige Anekdoten: "Bei uns hat einmal ein Gast eine Plastikschüssel geschmolzen, weil die Person mit Mitte 20 nicht wusste, dass man die nicht als Kochtopf auf der heißen Herdplatte verwenden sollte", berichtet zum Beispiel Podcast-Redakteurin Antonia Rauth. "Ähnliches ist bei uns in der Wohnung zweimal hintereinander passiert, weil Gäste nicht wussten, dass unser Wasserkocher keine riesige Bialetti ist, die man auf den Herd stellen kann", teilt Newsteam-Redakteurin Helene Dallinger mit.

30 Handtücher in einer Woche

Immobilien-Redakteurin Bernadette Redl schildert ein Erlebnis mit drei Australierinnen, an die sie vor "vielen, vielen Jahren" ihre Studentenwohnung für eine Woche vermietet hatte: "Als wir zurückgekommen sind, war es in der Wohnung so dampfig und warm, als wäre die ganze Woche das heiße Wasser in der Dusche gelaufen." Die ganze Wohnung sei wie ein Dampfbad gewesen. "Und: Sie hatten einfach alle Hand- und Badetücher in Verwendung, bestimmt 30 Stück", wundert sie sich noch heute.

Von osteuropäischen bzw. russischen Männern unter 30 lasse man besser die Finger: "Die kommen in den Westen, um sich die Hörner abzustoßen, im wahrsten Sinne des Wortes", berichtet ein Vermieter.
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Dass sich Menschen in fremden Wohnungen manchmal seltsam benehmen, stellte auch Christian, der seinen echten Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, fest. Der Airbnb-Veteran, der seine Wohnung im sechsten Wiener Gemeindebezirk schon kurzzeitig vermietete, bevor Airbnb Mainstream war, wie er sagt, hat einiges erlebt. Gerade in den Anfangstagen seiner Vermietertätigkeit, die er mittlerweile aufgegeben hat.

Hörner abstoßen

"Ich habe viel darüber gelernt, welche Menschen sich tendenziell wie verhalten", erzählt er am Telefon. "Und welche Gäste ich nicht annehme." Von osteuropäischen bzw. russischen Männern unter 30 lasse man besser die Finger: "Die kommen in den Westen, um sich die Hörner abzustoßen, im wahrsten Sinne des Wortes." "Echte" Probleme hätten sie allerdings nie gemacht, das eine oder andere Brandloch in der Matratze von einer Zigarette einmal ausgenommen.

Brandloch in der Matratze: Kollateralschaden einer Partynacht.
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Manchmal, gibt er anderen Hosts einen Tipp, genügt der Blick auf das Airbnb-Profilbild des potenziellen Gastes: "Wenn der Typ dort mit nacktem Oberkörper auf einem SUV sitzt, sollten alle Alarmglocken schrillen. Da weiß man schon im Vorhinein, was auf einen zukommt: Saufen und Lärm." Anfragen von solchen Kollegen habe er dann schlichtweg immer abgelehnt.

Er berichtet amüsiert von einer US-amerikanischen Ärztin, die nicht in der Lage war, die Waschmaschine zu bedienen oder einen Wäscheständer aufzustellen. Dann wäre da noch die Sache mit der Klotür: Er habe herausgefunden, dass die "Amis" davon ausgehen, dass, wenn die Tür geschlossen sei, die Toilette auch besetzt sein müsse. Das führte dann zu der einen oder anderen absurden Situation, also stundenlanges Verkneifen des Harndrangs. Hier scheinen also im besten Wortsinn unterschiedliche Kulturen aufeinanderzuprallen.

Auch das: kein Weltuntergang, wie Christian sagt: "Es dreht sich alles um Kommunikation und um Erfahrung." "Learning by Einfahring" sei das, meint der Wiener. Nach einem halben Jahr auf Airbnb wisse man, wie der Hase läuft, wer welche Interessen hat. Das sei zwar gemein und würde Klischees, gar Vorurteile bedienen, aber "es ist so", sagt er.

Rudelbums vor dem Familienfoto

Ob er irgendwelche Horrorstorys von anderen Vermieterinnen oder Vermietern gehört hat? Tatsächlich: "Ein Bekannter von mir hat seine Wohnung in einem Porno wiedergefunden", berichtet Christian. Und der sei darüber wenig amüsiert gewesen, wie man sich vorstellen kann: "Das ist nicht lustig, wenn im Hintergrund ein Familienfoto zu sehen ist und im Vordergrund der Rudelbums in vollem Gange ist." Aber, immerhin, die Wohnung sei in einem perfekten Zustand zurückgegeben worden.

Überhaupt scheinen schöne Altbauwohnungen sehr anziehend für gewisse Personen aus dem Erotikbusiness zu sein, wie der folgende Fall bestätigt. "Ich vermiete meine Wohnung seit ungefähr einem Jahr immer wieder über Airbnb", sagt Florian, der auch anonym bleiben möchte. Während dieser Zeit wohne er bei seiner Freundin. Es gibt hohe Decken, einen Parkettfußboden und einen Erker, beschreibt er seine helle und geräumige 90-Quadratmeter-Wohnung in den höchsten Tönen, sogar ein Flügel steht im Erkerzimmer. Ein perfektes Fotomotiv, wie er selbst sagt. Aber für erotische Fotos? Dafür hätte er niemals seine Zustimmung gegeben. Denn dass sie dafür zweckentfremdet wurde, hat er mehr oder weniger durch einen Zufall mitbekommen.

"Ein deutscher Fotograf hat sich das Apartment für ein Wochenende gemietet", erzählt Florian. Ein ganz normaler Typ sei das gewesen. "Höflichkeitshalber" sei er ihm auch auf Instagram gefolgt. Erst Wochen später hat er sich dann die Fotos auf der Plattform genauer angesehen und musste feststellen, dass der Fotograf offensichtlich auch Nacktbilder macht. Eine leichte Beunruhigung habe ihn da schon beschlichen, meint er. Richtig nervös machte ihn aber dann die Tatsache, dass nach und nach Bilder von kaum bekleideten Damen in einer ihm wohlbekannten Umgebung auftauchten: in seiner Wohnung. Nackte Frauen in seiner Küche, nackte Frauen am Flügel ... "Offensichtlich hat sich dieser Fotograf des Öfteren schöne Wohnungen gemietet, um darin Fotosessions zu veranstalten", sagt Florian. Seine Freundin sei ziemlich aus dem Häuschen gewesen, erinnert er sich. Er musste sämtliche Oberflächen desinfizieren, die gesamte Wohnung putzen. "Dabei", hält er fest, "war die Wohnung schon nach diesem Wochenende in einem perfekten Zustand." Nichts habe auf das Treiben dort hingedeutet.

Abschreckende Beispiele

Wie hat er darauf reagiert? "Wir haben kurz überlegt, den Vorfall zu melden", antwortet er, "sind dann aber davon abgekommen und haben die Sache auf sich beruhen lassen." Seine Lehre daraus: "Ich bin jetzt viel vorsichtiger, wen ich als Gast akzeptiere." Ans Aufhören denke er jedenfalls nicht. Denn es sei immer noch eine gute Möglichkeit, sich Geld dazuzuverdienen.

"Viele der Horrorgeschichten, die kursieren", ist sich wiederum Veteran Christian sicher, "wurden von Gastgebern in die Welt gesetzt, um andere davon abzuhalten, ihre Wohnungen über Plattformen wie Airbnb zu vermieten." Abschreckende Beispiele sozusagen. Denn der Konkurrenzkampf sei heute viel heftiger als noch zu seiner aktiven Zeit als Host. (Markus Böhm, 14.8.2022)