Kirche und Kunst: Hochglanzmotiv von Andres Serrano.

Günter Richard Wett

Ein klarer, ernster Blick fällt durch den Klostergang, er gehört einer Ordensfrau im magentafarbenen Habit. Unschwer lässt sich an diesem Siebdruck die Ästhetik von Susi Pop erkennen, weniger einfach macht es einem die Dargestellte: Edith Stein war Jüdin, Atheistin und katholische Nonne, Philosophin und Frauenrechtlerin, Mystikerin, Opfer der Shoah.

Am 9. August 1942 wurde sie in Auschwitz ermordet. Aus Anlass ihres 80. Todestages zeigt nun das Zisterzienserstift im Tiroler Stams eine Ausstellung, die sich mittels zeitgenössischer Kunst dem Leben und Wirken von Edith Stein anzunähern versucht.

Losing by Winning lautet, angelehnt an eine Aussage anlässlich der Heiligsprechung Steins im Jahr 1998, der Titel dieser aus rund dreißig internationalen Positionen bestücken Schau, entstanden ist sie auf Initiative des Innsbrucker Bischofs Hermann Glettler. Dieser trägt nicht zufällig den Beinamen "Kunstbischof", es hat sich in Tirol längst herumgesprochen, dass er gern mit Gegenwartskunst an Glaubensfragen rührt. Das war bereits an früheren Wirkstätten der Fall, schon als Pfarrer in der Pfarre Graz-St. Andrä öffnete Glettler die Kirchentüren für zeitgenössische Kunst, die er, wie es in einem Statement zur Edith-Stein-Ausstellung hieß, als "Inspiration und Auftrag" begreift, "mit dem kritischen Blick der Gegenwart eine authentische Vermittlung des christlichen Glaubens zu versuchen".

Etwaige Kontroversen scheute der studierte Theologe und Kunsthistoriker, der auch selbst künstlerisch tätig ist, auch in den Grazer Jahren nicht, in konservativen Kirchenkreisen sorgte etwa eine Aktion mit Christian Eisenberger für wenig Wohlgefallen. Auch in Tirol gab es unlängst ein klein wenig Aufregung, als Glettler in der Universitätskirche ein von der Künstlerin Carmen Brucic gestaltetes Fastentuch mit dem Titel Tired? aufhängen ließ. Darauf zu sehen war ein Porträt des georgischen Aktivisten und queeren Künstlers David Apakidze, dessen nackter Oberkörper manche Gemüter erregte. Der bischöflichen Beliebtheit hat das vermutlich wenig Abbruch getan, wo Glettler auftritt, laufen die Leute zusammen – auch, wenn er in hiesigen Galerien gelegentlich eigene, konzeptionelle Arbeiten zeigt. Seine Hauptmission, betont Glettler, sei es aber, "Bischof zu sein". Und als solcher auch um Aufmerksamkeit für soziale Fragen zu werben.

Dialog Kunst und Kirche

Den angestrebten Dialog zwischen Kunst und Kirche wiederum will Glettler auch mit Auftragsarbeiten in Gang setzen: Den Künstler Martin Walde lud er unlängst ein, die Fassade des Bischofssitzes am Domplatz neu zu gestalten, Peter Kogler schuf eine Arbeit für die Spitalskirche. Für Aufmerksamkeit sorgte letztes Jahr aber vor allem eine groß angelegte Ausstellung zum 500. Geburtstag des Diözesanpatrons Petrus Canisius: Man sah und staunte, was in Tirol mit kirchlichem Beistand alles möglich ist, zumal größere Initiativen im Bereich der Gegenwartskunst im Land traditionell eher fehlen. Statt auf ein Museum für zeitgenössische Kunst hat man hier vor Jahren lieber auf ein Heimat- und Hofer-Museum am Bergisel gesetzt, eine Kunsthalle im ehemaligen Salzlager in Hall scheiterte bereits um die Jahrtausendwende krachend und nicht zuletzt auch am politischen Willen.

Just der einstige Leiter der Kunsthalle, Hubert Salden, ist nun zum zweiten Mal im bischöflichen Auftrag am Werk. Nach der Canisius-Schau kuratierte er auch jene zu Edith Stein in Stams. Und hat dafür viel prominent Benamtes zusammengesammelt, darunter Werke von Monica Bonvicini, Marcel Odenbach, Luc Tuymans oder Louise Bourgeois. Da die an existenziellen Fragen operierende Spinnen-Künstlerin, dort die Wahrheitssucherin Stein: Das klingt nach einem interessanten Spannungsfeld. Ist es aber leider nicht. Zu sehen ist von Bourgeois eine zwar schöne, aber eher belanglos wirkende Farblithografie. Auch Andres Serranos mit religiösen Motiven spielende Hochglanzfotografien helfen nicht wirklich weiter, vieles wirkt aneinandergereiht, ein Dialog kommt kaum in Gang. (Ivona Jelcic, 12.8.2022)