Ob der Abschussbescheid strafrechtliche Folgen für Jäger haben könnte, ist derzeit umstritten.

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Innsbruck – Die Debatte um die Jagd auf zwei Wölfe in Osttirol wird zu einer juristischen. Landesumweltanwalt Johannes Kostenzer hält den Abschussbescheid für rechtlich angreifbar. Denn er berücksichtige nicht, dass es sich um Elterntiere handelt. Am Dienstag wurde bekannt, dass die DNA-Probe eines Wolfes ergab, dass er von diesen beiden zum Abschuss freigegebenen Tieren abstammt. Daher gehen Experten davon aus, dass sich in Osttirol das erste Wolfsrudel in den österreichischen Alpen angesiedelt hat.

"Im Fall einer Tötung dieser Elterntiere werden sich die Verantwortlichen wohl den zu erwartenden strafrechtlichen Konsequenzen zu stellen haben", warnt Kostenzer. Denn ohne die Eltern sei davon auszugehen, dass die Jungtiere "qualvoll zu Tode kommen". Das bestätigt auch WWF-Wolfsexperte Christian Pichler. Denn Jungwölfe kommen in der Regel im Frühjahr zur Welt, was bedeuten würde, dass die Tiere nun etwa drei Monate alt sind und somit nicht alleine überlebensfähig.

Zwei mögliche Straftatbestände

Konkret sind es zwei Straftatbestände, die dem Jäger drohen könnten, der die Wölfe erlegt, sagt Pichler. Tierquälerei, weil eben die Jungtiere verhungern würden. Und vorsätzliche Schädigung des Tierbestandes, weil dadurch das erste und einzige Rudel in den heimischen Alpen wieder ausgerottet würde. Wobei bei letzterem Tatbestand im Paragrafen vermerkt ist, dass behördlich angeordnete Tötung nicht bestraft wird.

Aus dem Büro von Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler (ÖVP) heißt es dazu, dass der Abschussbescheid trotz des nun nachgewiesenen Jungtieres aufrechtbleibt und nur durch eine Beschwerde aufgehoben werden könnte. Eine solche bereitet der WWF derzeit vor und wird sie Anfang nächster Woche einbringen. Die Beschwerde gegen den Abschussbescheid für jenen Wolf, der im Patscherkofelgebiet für Schafsrisse verantwortlich ist, wurde am Mittwoch eingereicht, sagt Pichler. Nun entscheide das Landesverwaltungsgericht über eine aufschiebende Wirkung – was meist einige Tage dauert –, erst danach wird über die Beschwerde selbst entschieden. Das könne Wochen dauern.

Das vom Land in Auftrag gegebene Rechtsgutachten zum Abschussbescheid konnte auf Anfrage nicht vorgelegt werden. Denn es handle sich weniger um ein Gutachten, sondern man habe den Verfassungsdienst des Landes mit der Sache befasst. Und der habe bestätigt, dass der Bescheid rechtskräftig ist, daran ändere auch ein Rudel nichts. Gegenüber der Tiroler Tageszeitung sagte Geisler, dass die Jungtiere nicht zwangsläufig dem Tod geweiht seien, wenn die Eltern erschossen werden: "Möglicherweise lassen sich die Jungtiere auch einfangen. Dann können sie in einen Zoo oder ein entsprechendes Gehege gebracht werden."

Jäger vertrauen auf Landeszusage

Landesjägermeister Anton Larcher hat dennoch keine Empfehlung zum Abschuss ausgegeben. Aber nicht wegen möglicher strafrechtlicher Konsequenzen, wie er sagt: "Uns wurde vom Land zugesichert, dass kein Jäger, der diese Wölfe schießt, rechtliche Folgen zu befürchten hat. Ich gehe davon aus, dass diese Zusage hält." Zudem habe ÖVP-Spitzenkandidat und Landesparteiobmann Anton Mattle den Wolf "zur Chefsache erklärt" und für Herbst, sollte die ÖVP wieder den Landeshauptmann stellen, eine Reform des Jagdgesetzes angekündigt, die den Jägern Rechtssicherheit bringen soll.

Die genannten strafrechtlichen Tatbestände bezweifelt Larcher ebenso wie die Behauptung, es handle sich um ein Rudel: "Es wurde nur ein Tier nachgewiesen, das von diesen beiden abstammt. Wie alt dieser Wolf ist und ob es mehrere Nachkommen gibt, ist nicht bekannt." Viel mehr als Anzeigen fürchtet Larcher Anfeindungen von "Radikaltierschützern und Radikalveganern". Denn im Abschussbescheid sind alle gut 80 Jagdberechtigten mit Namen und Adressen aufgelistet, die in Osttirol gemäß Bescheid zum Abschuss der beiden Wölfe berechtigt wären.

Und auch der Landesjägermeister übt Kritik daran, dass die Politik viel zu spät handelt, denn die Jäger hätten schon vor zehn Jahren darauf hingewiesen, "dass die Wölfe kommen und bleiben werden". (Steffen Arora, 12.8.2022)