Flughafen Karpathos: Die ATR 42 von Sky Express kommt mit einer Handvoll Passagieren aus Rhodos und wird nach kurzem Aufenthalt zum ca. 20 Kilometer entfernten Flugplatz von Kasos, diesmal immerhin mit einem Passagier, weiterfliegen.

Foto: Thomas Ludwig

Kasos (knapp 1.000 Einwohner) ist eine felsige, eigentlich lebensfeindliche Insel zwischen Karpathos und Kreta.

Foto: Thomas Ludwig

Fry, Hauptort auf Kasos, mit überdimensioniertem Hafen.

Foto: Thomas Ludwig

Flughafen Kasos: alles da – für vier bis fünf Flieger pro Woche und 2.000 Passagiere im Jahr 2021 (2015 waren es immerhin 9.000 – aber bei mehr Flügen, u. a. nach Sitia).

Gut, wenn wer da ist, der den Luxus finanziert.

Foto: Thomas Ludwig

Kasos: Flieger versus Fähre.

Foto: Thomas Ludwig

Die Olympic Dash 100 ist gerade auf Kastelorizo angekommen.

Der Flugplatz wurde 1986 eröffnet und zählte in den Jahren vor der Pandemie 5.000 bis 9.000 Passagiere pro Jahr.

Foto: Thomas Ludwig

Kastelorizo Airport: klein, aber voll ausgestattet. Für die Sicherheitskontrolle kommt der Dorfpolizist.

Foto: Thomas Ludwig

Die Blaue Grotte auf Kastelorizo toppt die von Capri bei weitem – und es gibt wesentlich weniger Besucher.

Foto: Thomas Ludwig

Der Ort Kastelorizo: Mit geschenktem Geld lässt es sich gut renovieren ...

Hinweis: Die gezeigten Aufnahmen stammen aus dem Juni 2022.

Foto: Thomas Ludwig

Fast pünktlich um 16.45 Uhr hebt die ATR 42 von Sky Express vom Flughafen Karpathos mit dem Ziel Kasos ab. Die reine Flugzeit beträgt circa sieben Minuten. Ich bin der einzige Passagier, und das komme öfters vor, meint die Flugbegleiterin.

Außerdem ist sie so nett, meinem Gastgeber die Ankunftsdaten durchzugeben. Ein sehr persönlicher Service! Der Mann hätte mich später am Hafen erwartet und komme nun mit dem Auto zum Flugplatz, ich müsse nur ein paar Minuten warten. Da es auf Kasos keine Taxis gibt, wäre der Fußweg zur Pension in der Gluthitze auch nicht so angenehm.

Geringe Besucherzahl, große Gastfreundschaft

Kasos (66 Quadratkilometer) ist eine kleine Kalkinsel im südlichen Dodekanes zwischen Kreta und Karpathos. Nach enormer Abwanderung verläuft der Übergang von Fischfang und Landwirtschaft zum Tourismus sehr schleppend. Gründe sind die extrem karge Landschaft, kaum vorhandene Strände, die geringe touristische Infrastruktur und vor allem: Wassermangel. Warum man gerade in einem kaum als Lebensraum geeigneten Gebiet Tourismus aufbauen will, erschließt sich dem Besucher nicht. Immerhin: Die wenigen Tavernen sind hervorragend, die Besucherzahl ist gering, die Freundlichkeit dafür extrem.

Fähren verkehren mehrmals pro Woche nach Kreta, Karpathos und Athen. Und dann gibt es noch diesen seltsamen Flug, einen der kürzesten überhaupt. Es handelt sich dabei um einen "gemeinwirtschaftlichen Flug" ("Public Service Obligation Flight"), bei dem kommerzielle Erwägungen keine Rolle spielen.

Strukturschwache Räume

Gemeinwirtschaftliche Flüge haben die Aufgabe, strukturschwache Gebiete, die von den Mitgliedsstaaten nach vorgegebenen Kriterien definiert werden, mit Metropolen zu verbinden. Da gewisse Verkehrsdienstleistungen aus marktwirtschaftlichen Gründen fehlen, soll durch staatliche Eingriffe ein Ausgleich geschaffen werden. Nach der EU-Verordnung 1008/2008 sind vor allem Räume betroffen, die "von der Hauptstadt oder anderen Großstädten des betreffenden Mitgliedsstaates nur schwer zu erreichen" sind und auch wegen wirtschaftlicher Schwäche von Abwanderung betroffen sind.

Der von der EU finanziell geförderte Ausgleich kann auf unterschiedliche Weise erreicht werden, etwa durch Gewährung von Monopolen, Ausgleichszahlungen oder Auftragsleistungen.

Gemeinwirtschaftliche Flüge

Nach Ausschreibung der gemeinwirtschaftlichen Strecken und Absegnung durch die EU wird ein Vertrag zwischen Fluglinie und Staat meist für fünf Jahre abgeschlossen, der die Leistungen, die Verbindungen und die Zahl der angebotenen Sitzplätze genau definiert und Monopolstellung gewährt. Die vertraglich festgelegten Sitzplätze werden bezahlt, unabhängig vom Verkauf. Es herrscht Betriebspflicht, auch wenn nur ein Paket zu transportieren ist. Damit ist der Flug nach Kasos mit nur einem Passagier erklärt. Die Flugpreise sind unabhängig vom Kaufdatum fix und flexibel (der kurze Flug nach Kasos kostete mit Gepäck 50 Euro), es gibt Ermäßigungen für Einheimische und kleine saisonale Schwankungen. Da meist nur eine geringe Sitzplatzanzahl gefördert wird, sind bei Ausschreibungen Fluglinien, die über kleines Gerät verfügen, im Vorteil.

Bei der Durchführung gemeinwirtschaftlicher Flüge spielen Slots auf größeren Flughäfen keine Rolle: Die Fluglinie kann die Flugplangestaltung dieser Flüge nach eigenem Ermessen gestalten und erhält die entsprechenden Slots.

Im Schienenverkehr werden gemeinwirtschaftliche Aufgaben durch die Aufrechterhaltung von Nebenbahnen oder die Tarifgestaltung im Nahverkehr schon lange erfüllt – auch dort verkehren immer wieder Züge ohne Passagiere.

Für die lokale Bevölkerung von Kasos (knapp 1.000 Menschen) spielt die Flugverbindung nach Karpathos und Rhodos keine Rolle. Für Arztbesuche, Behördenwege, Schulbesuche wird die Fähre genommen, die wenigen Touristen bevorzugen ebenfalls billigere Schiffsverbindungen. Die Frage nach dem Sinn des Kasos-Fluges bleibt offen.

Sonderfall Kastelorizo

Anders sieht die Situation bei der ganz im Südosten Griechenlands gelegenen Insel Kastelorizo (griechisch Megísti) aus. Auf dieser nur neun Quadratkilometer großen, knapp drei Kilometer von der türkischen Küste entfernten Insel leben heute nur 490 Personen. In der Vergangenheit erlangte die Insel Bedeutung durch einen Stützpunkt der Johanniter, bis zum 20. Jahrhundert wechselten die Herrschaften häufig. Seit 1947 ist die Insel bei Griechenland und bildet weit abgelegen den östlichsten Punkt des Landes.

Vor hundert Jahren gab es noch 20.000 Einwohner, doch Kriege, Erdbeben, Feuer, Wassermangel und Perspektivlosigkeit trieben die meisten in die Emigration, vor allem nach Kanada und Australien. Zudem erhebt die Türkei Anspruch auf die Inseln vor ihrer Küste. Eine Okkupation dieser winzigen Insel würde wohl nur mäßige internationale Proteste hervorrufen, daher zeigt Griechenland auf Kastelorizo mehrfache Präsenz: Einerseits militärisch (nicht ganz im Sinne des Vertrags von Lausanne 1923, aber irgendwie verständlich), andererseits bemühte man sich seit 1990 erfolgreich durch massive Investitionen und Hebung des Lebensstandards um eine Rückwanderung der Emigranten beziehungsweise deren Kinder. Englisch mit australischem Akzent ist auf der Insel mit den durch großzügige staatliche Hilfe bestens renovierten Häusern daher weitverbreitet.

Extreme Abgeschiedenheit

Barbara, Tochter einst nach Australien ausgewanderter Inselbewohner, jetzt aber zurückgekehrt, betreibt mit ihrem Mann ein Bootsunternehmen und veranstaltet Ausflüge in die Blaue Grotte, eine Top-Attraktion der Insel, und in die Türkei. Mit 66 Prozent staatlichen Zuschüssen renovierten sie ein Haus und gründeten den Betrieb. Die Kinder gehen in die örtliche Schule, die Klassen vom Kindergarten bis zur Matura anbietet (mit nur ein bis drei Schülern pro Klasse).

"Allerdings", meint sie, "gibt es oft Probleme mit den Lehrkräften, denn einige geben im Winter trotz des gut dotierten Vertrags auf und flüchten zurück auf das Festland, weil sie den ständigen Wind und die extreme Abgeschiedenheit nicht aushalten." Der fehlende Lehrstoff muss dann später, wenn überhaupt, blockweise nachgeholt werden. Das sei auch der Grund, warum manche Eltern ihre (älteren) Kinder doch lieber ins Internat nach Rhodos schicken.

Minikrankenhaus

Auch von Kastelorizo gibt es mehrmals pro Woche gemeinwirtschaftliche Flüge nach Rhodos (von Olympic mit Dash 8/100 bedient) mit der ursprünglichen Idee, Inselbewohnern Arztbesuche oder Behördenwege in der Hauptstadt des Dodekanes zu erleichtern. Auch hier werden die Flüge (Preis 60 Euro für 40 Minuten inkl. Gepäck und Bordservice) von den Einheimischen kaum angenommen. Ein lokales Fährschiff nach Rhodos kostet für sie nur geförderte drei Euro. Eine notwendige Übernachtung in Rhodos wird unter gewissen Umständen subventioniert.

Auch Reisen aus medizinischen Gründen halten sich heute in Grenzen: Der griechische Staat eröffnete auf der Insel ein Minikrankenhaus mit gelegentlicher Anwesenheit von Fachärzten, die wahrscheinlich mit dem Flieger auf die Insel reisen. Und im Notfall kommt der Helikopter. Auch Bank und Post, in vielen kleinen griechischen Orten wie überall in Europa längst geschlossen, gibt es auf der Insel nach wie vor.

Dieser gemeinwirtschaftliche Flug wird hauptsächlich von Touristen frequentiert, die die merkwürdige Insel erkunden und sich den Nervenkitzel der nur 798 Meter langen Landebahn geben wollen. Wegen der kurzen Piste ist die Dash 8 beim Abflug aus Gewichtsgründen nur mit max. 25 Personen besetzt. Der kleine Flughafen ist mit Check-in-Personal, Feuerwehr und Bodendienst voll ausgestattet. Für die Sicherheitskontrolle kommt der Dorfpolizist. Zu tun gibt es aber nicht viel. Eine regionale Strukturförderung über den Tourismus ist hier klar zu erkennen.

Sinnfrage

Viele andere Inseln in Griechenland sind ebenfalls mit Flügen gemeinwirtschaftlich erschlossen; die großen Inseln wie Kreta (Ausnahme: die Stadt Sitia), Rhodos, Kos oder Korfu werden hingegen nach kommerziellen Gesichtspunkten bedient und sind auch nicht monopolisiert.

Über 170 Verbindungen in über zehn Mitgliedsstaaten werden gemeinwirtschaftlich betrieben, vor allem in Griechenland, Italien, Frankreich, Spanien und Nordeuropa. Viele davon sind Inselstrecken. Nicht alle werden bedient, da sich nicht immer Betreiber finden.

Bei einigen gemeinwirtschaftlichen Strecken ist der Zweck durchaus erkennbar, bei anderen Verbindungen stellt sich jedoch wie bei Kasos die Sinnfrage: Wäre ein anderer Verkehrsträger nicht die bessere Alternative? Und ist jede noch so kleine Insel als Dauerlebensraum wirklich geeignet? (Wolfgang Ludwig, 16.8.2022)

Weiterlesen

Die zehn schönsten "Karibikstrände" am Mittelmeer

Die elf schönsten unter den größten Mittelmeerinseln

Das sind die zehn gefährlichsten Naturwunder der Welt

Ryanair-Chef O'Leary: 10-Euro-Flüge sind passé

Die besten und die schlechtesten Flughäfen Europas

Auf diesen kroatischen Inseln sind Autos unerwünscht