Omen est nomen est omen. Das trifft auf den Totenkopfschwärmer auf eher ungünstige Weise zu. Denn bei ihm wurde ein Zeichen (der Totenkopf am Thorax) zum Namen, der ihn wieder zum unheilbringenden Vorzeichen machte. Dass er Bienenstöcke plündert und nachtaktiv ist, verbesserte seinen Ruf auch nicht gerade.

Heyne

Der Thriller "Das Schweigen der Lämmer" und die gleichnamige Verfilmung taten ein Übriges: Der Serienmörder "Buffalo Bill" platziert darin Puppen des Totenkopfschwärmers im Mund seiner Opfer. Der geschlüpfte Falter ziert sowohl das Buchcover wie auch das Filmplakat.

Flüge über 4.000 Kilometer

Dabei gibt es über den Nachtfalter Erstaunliches zu berichten, konkret: über seine Flug- und Navigationskünste, deren Geheimnisse nun gelüftet wurden.

Eigentlich ist der Nachtfalter in Afrika, auf der Arabischen Halbinsel und an den Südspitzen Europas heimisch. In den Sommermonaten kann er nicht nur bei uns in Mitteleuropa auftauchen, sondern auch in Schottland, Skandinavien und sogar in Island.

Die Verbreitungsgebiete der Totenkopfschwärmer. Die dunkelgelb markierten Areale sind mögliche Sommerdestinationen.
Gemeinfrei / Wikipedia

Die großen nachtaktiven Falter legen damit auf ihren Wanderungen jedes Jahr bis zu 4.000 Kilometer zwischen Europa und Afrika zurück, Hin- und Rückflug verteilt auf zwei Generationen. Wie aber schaffen es diese und andere Fluginsekten, solche enormen Strecken zu bewältigen, ohne sich dabei zu verirren?

Erstmals erprobte Methode

"Die Erforschung wandernder Insekten ist eine große Herausforderung", sagt Myles Menz. "Sie sind normalerweise zu zahlreich, um sie zu markieren und wiederzufinden, und zu klein, um Ortungsgeräte zu tragen." Menz ist Erstautor einer neuen Studie, die mit einer ebenso aufwendigen wie neuartigen Methode das Flugverhalten der Nachtfalter untersuchte.

Mit Kollegen vom Max-Plack-Institut für Verhaltensbiologie in Konstanz, wo Menz bis vor kurzem tätig war, und den Unis von Konstanz und Exeter stattete Menz Totenkopfschwärmer mit winzig kleinen Funksendern aus und verfolgte sie über bis zu 80 Kilometer in einem Kleinflugzeug. Das ist die bisher längste Strecke, die ein Insekt in freier Wildbahn je durchgängig beobachtet werden konnte.

Fliiieg! Nach der Markierung wurden die Falter in Konstanz freigelassen und in einem Leichtflugzeug bis zu 80 Kilometer weit in die Alpen verfolgt.
Foto: MPI für Verhaltensbiologie / Christian Ziegler

Raffinierte Flugstrategien

Durch die genaue Nachverfolgung der Nachtfalter konnte gezeigt werden, dass Totenkopfschwärmer ausgeklügelte Flugstrategien anwenden, um sich den herrschenden Windverhältnissen anzupassen und so ihre Flugrichtung über weite Strecken präzise einzuhalten. Die Ergebnisse der im Fachblatt "Science" veröffentlichten Studie lassen außerdem darauf schließen, dass Insekten auf ihren langen Reisen insgesamt sehr genau navigieren können und sich durch einen inneren Kompass leiten lassen.

Für die Studie zogen die Forschenden Raupen des Totenkopfschwärmers bis zum Erwachsenenstadium im Labor auf, um sicherzustellen, dass die Tiere keine Vorkenntnisse hatten. Im Erwachsenenstadium wurden sie dann mit miniaturisierten Funksendern versehen, die lediglich 0,2 Gramm wogen – das entspricht weniger als 15 Prozent des Körpergewichts eines ausgewachsenen Totenkopfschwärmers. "Die Nahrung, die ein Falter jede Nacht aufnimmt, entspricht wahrscheinlich mehr als diesem Gewicht. Die Sender sind also für die Insekten sehr leicht", sagt Menz.

Die Besenderung der Totenkopfschwärmer, die mit einem Gewicht von bis zu 3,5 Gramm für fliegende Insekten extrem groß und schwer sind.
Foto: MPI für Verhaltensbiologie / Christian Ziegler

Nach Anbringung der Sender ließen die Forschenden die Falter frei und warteten auf deren Abflug. Dabei konzentrierten sie sich jeweils auf die Beobachtung eines einzelnen Tieres. Insgesamt verfolgte das Team so 14 Nachtfalter über eine Dauer von maximal vier Stunden und Strecken von bis zu 80 Kilometern – Distanzen, die für diese Tiere einzelne nächtliche Wanderflüge darstellen.

Sie nutzten dafür an einer Cessna befestigte Antennen, um aus dem Flugzeug heraus alle fünf bis 15 Minuten den genauen Standort der Tiere zu ermitteln. Die Insekten wurden so in süd-südwestlicher Richtung von Konstanz bis in – und teils über – die Alpen verfolgt, was der Route der Totenkopfschwärmer in Richtung Mittelmeer und Nordwestafrika entspricht.

Die verfolgten Flugrouten der Totenkopfschwärmer von Konstanz in die Alpen.

Kontrolle über Flugrichtung

Die Ergebnisse der aktuellen Studie konnten zeigen, dass die Nachtfalter während des Fluges über weite Strecken vollkommen gerade Flugbahnen einhielten. Das lag allerdings nicht daran, dass sie abwarteten, bis der Wind günstig im Rücken stand. Vielmehr setzten sie eine Reihe von Flugstrategien ein, um die vorherrschenden Winde zu kontern und so ihren Kurs die Nacht hindurch zu halten.

Stand der Wind tatsächlich günstig, flogen sie hoch und langsam und ließen sich von der Luft tragen. Bei starkem Gegen- oder Seitenwind hingegen flogen sie niedrig und erhöhten ihre Geschwindigkeit, um die Kontrolle über den Kurs zu behalten.

Menz hält Insekten für "echte Navigationsexperten, die den Vögeln ebenbürtig sind" – und weitaus weniger anfällig für nachteilige Windbedingungen als bisher angenommen. Offen ist, wie Totenkopfschwärmer die Richtung zu ihren Zielorten bestimmen, um diese geradlinig anzufliegen. Vermutet werden interne magnetische wie auch visuelle Kompasse. Diese Hypothese soll in einer nächsten Untersuchung geklärt werden. (tasch, 12.8.2022)