Die Folgen eines nuklearen Winters für die Lebensmittelversorgung wären fatal – für Milliarden von Menschen, wie eine Studie zeigt.
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13.400 Sprengköpfe horten die neun Atommächte mutmaßlich weltweit in ihren Arsenalen. Etwa 4.000 davon sind einsatzbereit und 1.800 in ständiger Alarmbereitschaft, um ihr Ziel innerhalb von Minuten zu erreichen. Erst kürzlich hat eine wissenschaftliche Studie im Detail verdeutlicht, welche Auswirkungen ein Atomkrieg auf die Atmosphäre und die Ozeane hätte. Nun zeigt ein weiteres Forschungsteam auf, welche Folgen eine nukleare Eskalation auf die weltweite Ernährungssicherheit hätte. Dabei wird deutlich, dass selbst ein kleiner Atomkrieg zu Hungersnöten führen könnte.

Die radioaktive Verstrahlung wäre klarerweise in der näheren Umgebung das größte Problem. Großflächig oder gar global hätte hingegen der Rußeintrag von Bränden, die durch Kernwaffen-Detonationen ausgelöst würden, mitunter fatale Auswirkungen auf die weltweite Nahrungsmittelproduktion.

Ähnliche Folgen wie jene eines Asteroideneinschlags

Das internationale Team um Lili Xia, vom Department für Umweltwissenschaften der Rutgers-Universität in New Brunswick, analysierte in sechs unterschiedlichen Szenarien, welche Auswirkungen die Detonation von Kernwaffen auf die Nahrungsmittelproduktion hätte und wie viele Todesfälle durch dadurch ausgelöste Hungersnöte zu erwarten wären. Ihre Arbeit ist in der aktuellen Ausgabe des Fachblatts "Nature Food" erschienen.

Die Problemstellung ähnelt jener des Asteroideneinschlags vor rund 66 Millionen Jahren auf die Erde. Dieser hatte den Eintrag von Sulfaten und Ruß in die Atmosphäre zur Folge. Durch das abgeschirmte Sonnenlicht kühlte die Erde ab, das Wetter veränderte sich und das Nahrungsangebot verknappte sich drastisch. Die bekanntesten Opfer dieser Katastrophe waren die Dinosaurier, darüber hinaus waren aber noch viele weitere Spezies betroffen. "Diejenigen, die nicht unmittelbar vom Einschlag betroffen waren, starben schließlich an Hunger", schreibt Deepak K. Ray von der Universität Minnesota in Saint Paul in einem Kommentar zu der aktuellen Arbeit. Ein ähnliches Szenario könnte sich auch durch Kernwaffendetonationen ergeben.

Ernteausfälle durch von Kernwaffenexplosionen entzündete Brände

Auch durch den Rußeintrag durch von Kernwaffenexplosionen verursachten Bränden würde Sonnenlicht davon abgehalten werden, die Erdoberfläche zu erreichen. Wie groß die resultierenden Ernteausfälle durch einen nuklearen Winter wären, hänge einerseits vom Ausmaß der Abkühlung, aber auch von den Veränderungen bei den Niederschlägen und der Sonneneinstrahlung auf die Erdoberfläche ab, die sich aus dem aufgewirbelten Ruß ergeben würden.

Konkret modellierte das Team um Lili Xia, wie sich ein einwöchiger Atomkrieg auf die Versorgung mit wichtigen Feldfrüchten und Meeresfischen sowie auf die Nutztierbestände auswirken würde. Ausgehend davon errechneten die Forschenden die Auswirkungen auf die Nahrungsmittelversorgung. Dabei wurde auch berücksichtigt, dass zunächst eingelagerte Lebensmittel zu Verfügung stünden und Lebensmittelabfälle in einer Notsituation reduziert würden. Weiters wurde angenommen, dass bei einer drohenden Hungerkrise die Felder hauptsächlich für die unmittelbare Lebensmittelproduktion für Menschen genutzt würden und weniger für Tierfutter oder Biokraftstoffen.

Mehrere Milliarden Hungertote in zwei Jahren

Trotz dieser Maßnahmen würde eine Kernwaffendetonation, die mehr als fünf Millionen Tonnen Ruß erzeugt, voraussichtlich in fast allen Ländern zu einer massiven Nahrungsmittelknappheit führen, wie die Berechnungen ergaben. Für einen Atomkrieg zwischen Indien und Pakistan würden die Forschenden innerhalb der ersten zwei Jahre nach Kriegsbeginn 2,5 Milliarden Hungertote erwarten. Bei einem Atomkonflikt zwischen der USA und Russland wären sogar fünf Milliarden Hungertote zu befürchten. Diese Ergebnisse "unterstreichen die Wichtigkeit von globaler Zusammenarbeit, um Atomkriege zu vermeiden", lautet das Fazit des Forschungsteams. (16.8.2022, Tanja Traxler)