In Minen, in denen Seltene Erden abgebaut werden – wie hier in Westkap in Südafrika – lagert auch oft Thorium. Das Element gilt als Möglichkeit einer effizienteren Energiegewinnung. Unumstritten ist Thorium aber nicht, etwa weil es auch radioaktiv ist.

Foto: Foto: AFP / Rodger Bosch

Eine Batterie, die kritische Infrastruktur absichert? Energieautarke Haushalte? Ein Material, das Atomkraftwerke entschärft? Was nach Utopie klingt, ist eigentlich bereits möglich. Der Stoff hinter diesen Träumen ist Thorium. Das chemische Element gehört zu den Actinoiden und wurde benannt nach dem germanischen Gott Thor. Das 1828 auf der norwegischen Insel Løvøya erstmals entdeckte Mineral könnte eine Lösung für die Energieprobleme unserer Zeit sein. So zumindest sieht es Florian Wagner, Chef von Emerald Horizon. Das Grazer Unternehmen forscht an einer Technologie, um aus Thorium Energie zu gewinnen.

Und das, so sagt Wagner, ist gar nicht so schwer. "Wir verwenden die Partikelphysik für die Energiegewinnung", erklärt Mario Müller, Head of Research & Development bei Emerald Horizon. Thorium wird dafür in Flüssigsalzreaktoren gelegt. Nach einer Initialzündung wird durch die Auflösung von Thorium Wärme freigesetzt, die zur Produktion von Strom oder zur Herstellung von grünem Wasserstoff verwendet werden kann. CO2 wird dabei nicht freigesetzt, erklärt Müller. Thorium ist zwar auch radioaktiv (was 1898 übrigens von Marie Curie und Gerhard Schmidt herausgefunden wurde) – durch das Salzbecken könne es aber nicht überhitzen, da der Kernbrennstoff in Form von geschmolzenen Salz vorliegt.

Kein Druck im System

Damit entstünde auch kein Druck wie in herkömmlichen Atomkraftwerken (AKWs). Man betreibe mit diesem Verfahren zwar eine "Kernkraft", diese habe aber mit "Kernspaltung", wie sie im AKW passiert, nichts zu tun, ein GAU sei damit ausgeschlossen. Auch Plutonium, das beim Zerfall von Uran entsteht, werde nicht erzeugt.

Für die Initialzündung wurden die Experten bei Emerald Horizon in der Medizintechnik fündig – konkret bei Med Austron, dem in Wiener Neustadt beheimateten Zentrum für Krebsbehandlung. Dort wird die Partikeltherapie genutzt, bei der – sehr vereinfacht ausgedrückt – Tumoren mit Ionen bestrahlt werden, um die veränderten Zellen abzutöten. Diese Methode gilt als effektiv und für Patienten schonender als herkömmliche Bestrahlungen. Mit Ionen soll auch der Thorium-Reaktor gestartet werden.

Lange Lebenszeit

Das Charmante an Thorium ist für Müller, "dass der Rohstoff dermaßen viel Energie enthält, dass er sich bei der Energiegewinnung kaum verbraucht" – also eine lange Lebens- und Laufzeit hat. Thorium wird in Australien, Norwegen, Sri Lanka, Kanada, USA, Indien, Lappland und Brasilien abgebaut. Stille Vorkommen von ca. 800.000 Tonnen liegen in der Türkei. Die weltweiten Gesamtreserven an förderwürdigem Thoriumdioxid werden auf eine Million Tonnen geschätzt. Auch als Abfallprodukt ist Thorium gut und günstig verfügbar.

Mit dem Flüssigsalzreaktor könnten auch herkömmliche AKWs umgerüstet und entschärft werden, erklärt Wagner. Die in AKWs eingesetzten Brennstäbe würden aktuell nicht zur Gänze verwertet. Lediglich zehn Prozent eines Uran-Brennstabs könnten laut Müller zur Energiegewinnung genutzt werden, der Rest würde als stark strahlender Atommüll gelagert. Aktuell vorhandene Uran-Brennstäbe könnten genutzt werden, um den Amplifier zu starten, also die Initialzündung zu geben.

Durch die Nutzung des Atommülls als Treibstoff für den Thorium-Reaktor ließen sich dessen Strahlen derart reduzieren, dass die Lagerung problemloser würde. Brennstäbe strahlten dann nicht mehr 300.000 Jahre, sonder "nur" noch 300 Jahre. Zudem entstünde kein neuer Atommüll. Laut Müller könnte der vorhandene Atommüll den Planeten für 3000 Jahre mit Strom versorgen, wenn man ihn für Thorium-Reaktoren einsetzt.

Geld für Forschung

Es gibt also viele Argumente für Thorium. Warum aber wird es nicht schon längst verwendet? Vor drei Jahren hat Emerald Horizon mit der Forschung begonnen. Damals sei man oft belächelt worden, sagt Müller, "weil der Strom doch eh aus der Steckdose kommt". Mit der ernster werdenden Lage am Energiemarkt und der gestiegenen Blackout-Gefahr höre jetzt auch die Politik zu. Im Oktober findet eine parlamentarische Enquete statt, bei der Emerald Horizon seine Technologie vorstellen wird. Die Finanzierung des Prototyps des Thorium-Flüssigsalzkraftwerks ist gelungen. Dafür wurde ein Investor ins Boot geholt und 100 Millionen Euro aufgestellt. Der Bau des Amplifier-Prototyps startet im Herbst in Slowenien. Aufgrund der Dringlichkeit soll die nächste Phase – die Entwicklung des großen Demonstrators – parallel erfolgen. Für diese Entwicklung will Emerald Horizon die Wirtschaft einbinden. Als Kapitalbedarf wird von 250 Millionen Euro ausgegangen.

Derzeit verdient das Unternehmen aus Graz Geld mit Photovoltaikelementen. Der Prototyp und Tests mit der Thorium-Batterie, die nach einer Initialzündung in eine Dauerleistung gehen kann, laufen. Die Patentierung ist hier der nächste angedachte Schritt.

Neu ist die Idee der Energiegewinnung aus Thorium nicht. Auch China und Indien forschen an diesbezüglichen Lösungen. Bill Gates hat 2006 das Unternehmen Terra Power gegründet, bei dem es ebenfalls darum geht, alternative Brennstoffe – darunter auch Thorium – zu erforschen und marktreif zu machen. (Bettina Pfluger, 13.8.2022)