Gläser und Tassen klirren. Wasserkrüge werden befüllt. Kuchen und Gebäck verströmen einen verlockenden Duft. Im verspielt ausgestatteten Gassenlokal im vierten Wiener Gemeindebezirk liegt der Geruch von Kaffee in der Luft. Elisabeth schiebt Bleche mit appetitlich angerichtetem Backwerk in die Vitrine. "Haben die Kolleginnen gestern gemacht", deutet die 65-Jährige auf die bunte Vielfalt. Im Generationen-Café "Vollpension" mit Oma-Wohnzimmer-Feeling fühlt sie sich sichtlich wohl. Hier werken viele Senioren und Seniorinnen – in Teilzeit.

Geht es in Debatten um die Teilzeitquote und den Bedarf an Arbeitskräften, kommen sie kaum vor: ältere Menschen. Rund 60.200 über 65-Jährige sind es derzeit in Österreich, die arbeiten – weil sie wollen oder weil sie müssen. Vor Corona war die Zahl noch höher. Knapp 1900 über 75-Jährige gehen einer Voll- oder Teilzeitarbeit nach, geht aus Daten des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger hervor. Die meisten sind im Handel beschäftigt, gefolgt vom Wohnungsbereich. Die Zahl wächst stetig. Zwischen 65 und 75 hält es noch knapp 17.100 Menschen in der Arbeitswelt.

Ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen wurden am Arbeitsmarkt lange schnell einmal aussortiert. Jetzt dürfte ein Umdenken einsetzen.
Foto: Imago/Andreas Probst

Dazu kommen viele, die geringfügig beschäftigt sind – rund 35.800 Menschen zwischen 65 und 75 und gut 5400 über 75-Jährige. Auch sie werken im Handel, aber auch in der Produktion. Und als wirtschaftliche, wissenschaftliche oder technische Dienstleister. Sie sind aber auch in der Gastronomie zu finden. Robert Seeber hat gute Erfahrungen mit Älteren gemacht – auch wenn er anfangs skeptisch war, "ob die neuen Mitarbeiter das packen". Seit einem halben Jahr sind zu seinem durchwegs jungen Team im Promenadenhof in Linz zwei Kollegen über 60 gestoßen. Das passe sowohl von der Leistung als auch vom Betriebsklima. Seeber, der auch WKO-Funktionär ist, ortet da noch viel Potenzial.

Wer will länger arbeiten?

Doch wie groß wäre denn das Verlangen, länger zu arbeiten? Zöge es manche von jenen, die bereits im Ruhestand sind, zurück auf den Arbeitsmarkt? Das Linzer Marktforschungsinstitut Market hat ehemalige Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Oberösterreich zwischen 56 und 75 Jahren dazu befragt. Das Ergebnis ist deutlich: Kaum jemand (nur 13 Prozent) könnte sich derzeit vorstellen, in der Pension auch nur ein paar Stunden pro Woche zu arbeiten. Nicht viel anders sähe es vermutlich in anderen Bundesländern aus.

Im Ruhestand

Dabei gehen die Österreicher und Österreicherinnen recht früh in den Ruhestand. Zumindest im Vergleich mit anderen Staaten. Frauen in der Regel mit knapp 60, Männer mit knapp 62 Jahren. Im EU-Vergleich lag man in Sachen früher Pensionsantritt zuletzt gemeinsam mit Belgien hinter Luxemburg und Slowenien an drittletzter Stelle.

Bei Frauen ist zumindest der sukzessive Anstieg beim gesetzlichen Antrittsalter vorgezeichnet. Für nach dem 1. Dezember 1963 Geborene wird das gesetzliche Pensionsantrittsalter schrittweise um sechs Monate pro Jahr angehoben. Im Jahr 2033 soll es, wie bei den Männern, bei 65 Jahren liegen.

Weniger Abzüge würde die Bereitschaft, länger zu arbeiten, erhöhen. Das sagen zumindest jene, die jüngst in Oberösterreich zum dem Thema befragt wurden.
Foto: Heribert Corn

Ein Hemmschuh für ein Weiterarbeiten ist derzeit – auch das wurde in der Market-Studie abgefragt –, dass auch bei Regelpensionisten Lohnsteuer, Pensionsbeitrag und Krankenkassenbeiträge anfallen. In Oberösterreich schlug Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner jüngst vor, dass der Staat auf Lohnsteuer und Pensionsbeitrag verzichten soll. Gastronom Robert Seeber hält das für einen guten Denkansatz. Weniger Abzüge wie ein Wegfallen der Lohnsteuer würde die Bereitschaft, länger zu arbeiten, erhöhen, das gibt in der Market-Befragung jeder Vierte zu Protokoll. Hochgerechnet ergebe das bei einer Erwerbsquote von derzeit 73 Prozent im Alter zwischen 55 und 59 Jahren immerhin 9000 Vollzeitstellen.

Drehen an den Schrauben

Elf bis 13 Stunden kämen den Befragten entgegen. Damit treffen sich die Umworbenen auch mit den Unternehmen. Denn auch die Arbeitgeberseite wurde befragt. Der Arbeitskräftemangel und die Mahnungen von Fachleuten, mehr Frauen in Teilzeitbeschäftigung, Älteren oder Menschen mit Behinderungen eine Chance zu geben, dürfte demnach da und dort Früchte tragen. AMS-Chef Johannes Kopf regte jüngst in Gespräch mit der Austria Presse Agentur an: "Wenn die Regierung noch etwas tun will, soll sie die Anreize zur Frühpension einschränken." Insgesamt sind es knapp 79.000, die gut 713.000 normalen Pensionsantritten gegenüberstehen.

Für Elisabeth aus dem Generationen-Café in Wien schlägt das Pendel in die Gegenrichtung. Warum sie hier steht? "Daheim ist mir langweilig", sagt sie fröhlich. (Regina Bruckner, 14.8.2022)