Andrej Babiš.

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Der frühere tschechische Ministerpräsident und Milliardär Andrej Babiš hat vor einigen Tagen auf einer "Sommertour" die Wähler mehrerer politischer Parteien als "Faschisten und Nazis" bezeichnet. Das löste heftigen Protest und Rücktrittsaufforderungen durch Nachkommen von Anti-Nazi-Widerstandskämpfern, Holocaustopfern und KZ-Insassen aus. Immerhin habe Babiš 2,3 Millionen Bürger der Tschechischen Republik beleidigt. Was hat Babiš zu diesem Ausbruch motoviert?

Beobachter führen das auf teils auf Rache an jenen Parteien zurück, die ihn 2021 als Premier abgelöst haben, teils auf einen Appell an rechtspopulistische Wähler, die er für sein vermutetes Antreten bei den Präsidentenwahlen im kommenden Jahr braucht.

Angriff auf Regierungsparteien

Die Wortwahl von Babiš bei einer Versammlung in Tabor ist mehr als heftig: "Sie sind Faschisten und Nazis, diese Wähler von ‚Spolu‘ [‚Zusammen‘], den ‚Piraten‘ und der ‚Bürgermeistern und Unabhängigen‘. Diese Leute sind gefährlich! Und ich frage mich, wo die Polizei ist."

Diese drei Parteien sind Teil einer aus fünf Parteien bestehenden Regierungskoalition, die 2021 Babiš und seine Partei ANO von der Macht verdrängt hat. "Spolu" ist seinerseits ein mitte-rechts Wahlbündnis von drei Parteien, nämlich der liberalkonservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS), den Christdemokraten und den von Karel Schwarzenberg gegründeten Liberalen TOP 09. Babiš hat seine Abwahl durch diese Koalition sehr übel genommen.

Wortwahl "extrem gefährlich"

Inzwischen hat sich der Ex-Premier, der immer noch Vorsitzender seiner Partei ANO ist, entschuldigt und seine Wortwahl durch "das sehr feindliche Milieu von aggressiven und vulgären Gegnern" begründet.

Die Gruppe der Angehörigen von Holocaust-Opfern weist aber darauf hin, dass eine ähnliche Sprache ("Entnazifizierung") gerade als Vorwand für den Überfall Russlands auf die Ukraine gebraucht wird: "In einer Zeit von Russlands grausamer und unentschuldbarer Aggression unter dem falschen Propagandavorwand der Entnazifizierung der Ukraine und der Liquidierung von dortigen Faschisten, ist eine solche Bezeichnung extrem gefährlich, weil Andrej Babiš die Nation weiterhin spaltet und Bürger gegen einander aufhetzt".

Die Erklärung enthält etliche prominente Namen, wie jenen des 97-jährigen Jiří Pavel Kafka, der in der britischen Armee gegen die Nazis kämpfte. Auch Petr Forman, der Sohn des bekannten Regisseurs Milos Forman und Helena Klímová, Tochter eines der Unterzeichner der "Charta 77" im kommunistischen Regime, zählen zu den Kritikerinnen und Kritikern.

Unsicherheitsfaktor

Babiš, ein Selfmade-Milliardär, war während seiner Amtszeit von Korruptionsvorwürfen, wie etwa dem Missbrauch von EU-Mitteln für ein Hotelprojekt, überschattet. Umfragen geben ihm gute Chancen für die Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr. Er hat sich noch nicht erklärt, aber viele in der Tschechischen Republik gehen davon aus, dass er bei dieser Volkswahl antreten wird, um Nachfolger des jetzigen Präsidenten Milos Zeman zu werden. Er würde dann strafrechtliche Immunität genießen. Außerdem könnte er damit die Schmach seiner Abwahl tilgen.

Ein Präsident Babiš würde auch außenpolitisch einen Unsicherheitsfaktor darstellen. Nach dem Beginn des Ukrainekrieges erwog die amtierende Regierung, die klar auf der Seite der Ukraine steht (obwohl Präsident Milos Zeman eher russenfreundlich ist), eine stärkere Präsenz von Nato-Truppen im Land. Andrej Babiš sprach sich sofort dagegen aus und verlangte für diesen Fall eine Volksabstimmung. (Hans Rauscher, 14.8.2022)