Laut Entwickler Krafton soll Ana "ein weltweites Publikum" ansprechen.

Foto: Krafton

Ana hat viele Hobbys: Videospiele, Musik, Tanz und auch Mode. Ihr größtes Ziel ist es allerdings, als Influencerin ihre Follower zu unterhalten. Ana wäre wohl nur eine von vielen jungen Mädchen, die diesen Traum haben, doch ist sie kein echter Mensch. Ana ist virtuell und sieht genauso aus, wie es sich die Entwickler vorstellen, und macht auch genau das, was man von ihr verlangt.

Der Weg zur erfolgreichen Influencerin ist ein weiter.
Foto: Krafton

Moderne Technik

Früh hat die Gaming-Branche reale Influencerinnen für sich entdeckt. Oftmals als sprechende Werbeplattformen benutzt, erreichen die meist jungen Menschen die schwierig zu begeisternde Gen Z. Jene Generation, die keine Magazine mehr liest, kein Fernsehen kennt und wahrscheinlich gerade wieder eine neue Social-Media-Plattform für sich entdeckt. Aber die Gehaltsforderungen erfolgreicher Tiktok- und Instagram-Größen übersteigen mittlerweile das ehemalige Printanzeigen-Budget, und so sieht sich so manche Games-Größe nach Alternativen um.

Die Antwort des südkoreanischen Games-Konzerns Krafton soll Ana sein, eine am Computer entstandene junge Frau, die Songs veröffentlichen, auf Instagram die richtigen Botschaften verschicken und sogar E-Sport-Events moderieren soll. Möglich sein soll all das durch ein geschicktes Zusammenspiel verschiedenster Technologien. Modernes Face-Rigging lässt Ana realistisch zwinkern, dank Deep Learning soll Ana dazulernen und immer komplexere Aufgaben selbstständig meistern können.

Praktisch ist auch, dass die virtuelle Influencerin, die im Juni erstmals vorgestellt wurde, einen grünen Ring besitzt, der sie laut ihren Erfindern "an verschiedene Orte teleportieren" kann. Ana muss – vielleicht nicht nur wegen des Rings – keine 14 Stunden von Mitteleuropa nach Los Angeles fliegen, sondern kann nach einem realistischen Wimpernschlag von der Gamescom in Köln zur E3 in die USA hüpfen. Ohne Jetlag oder Verkühlung, weil die Klimaanlage zu kalt aufgedreht war.

ANA

Kein neuer Trend

Ana ist nicht die Erste ihrer Art. Seit fast zehn Jahren versuchen sich vor allem asiatische Unternehmen an virtuellen Influencern. Hunderte sind bereits entstanden – manche sind schnell wieder verschwunden, andere konnten Millionen Follower sammeln. "Virtuelle Influencer machen keine Fehler, haben keine Skandale oder persönliche Probleme. Sie können genau das sein, was Unternehmen wollen, und sind komplett kontrollierbar", sagte Oliver Zöllner, Medienwissenschafter an der Hochschule der Medien in Stuttgart und Leiter des Instituts für digitale Ethik, bereits 2021 dem STANDARD. Der perfekte Werbeträger also. Vom Alter über die Kleidung bis hin zu den Textbeiträgen sei alles vordefinierbar.

Ein großes Vorbild für Ana scheint eine der erfolgreichsten virtuellen Influencerinnen, Lil Miquela, zu sein, die auf Instagram über drei Millionen Follower hat und seit 2016 ein Leben vortäuscht. Die angeblich 19-Jährige zeigt sich mit ihrem Freund, stellt Modeartikel vor und arbeitet mit Marken wie Calvin Klein und Prada zusammen. Auch Lil produziert eigene Songs, die auf Spotify von immerhin 100.000 Hörerinnen regelmäßig konsumiert werden. Besonders attraktiv für die Entwickler ist in diesem Fall, dass der Star kein Gehalt bekommt – alles wandert in die eigene Tasche.

Square Portal

Social-Media-Star

Seit Montag hat Ana, der Neuling in der virtuellen Promi-Szene, einen Youtube- und einen Instagram-Kanal. Beide sollen ab sofort regelmäßig mit neuen Inhalten befüllt werden. Das kreative Team von Krafton gibt sich in einer Presseaussendung mental gerüstet für einen erfolgreichen Start. Ana zeige "die ersten Schritte, um eine unglaubliche und interaktive virtuelle Welt (Metaverse) zu erschaffen". Man wolle "weiter fortgeschrittene Versionen virtueller Menschen und Inhalte einführen, weil wir an die unendliche Nutzbarkeit solcher Technologien glauben".

Der südkoreanische Konzern, nach eigenen Aussagen ein Zusammenschluss unabhängiger Spieleentwickler, will damit auf den Zug der virtuellen Influencer aufspringen, der seit Jahren für diverse Modemarken erfolgreich fährt. Gerade für die Games-Branche ergeben sich durch solche Projekte natürlich völlig neue Möglichkeiten. Die Einführung eines oder mehrerer Metaversen Ende des Jahres wäre auch keine Hürde für die virtuelle Sängerin, und ausreichend Kompetenz für ein neues E-Sport-Event ließe sich wohl auch schnell anlernen. Vielleicht darf man auch bald ein Konzert von Ana in "Fortnite" bestaunen. Die Grenzen scheinen nicht existent.

Der chinesische Konzern Tencent könnte ähnliche Figuren bald präsentieren, sollte er das wollen – aber auch aus Japan stammende Firmen wie Square Enix, die sich auch vom NFT-Hype haben anstecken lassen, wären wohl Kandidaten für virtuelle Teenager-Stars. Diese könnten dann beispielsweise Gastauftritte im nächsten "Final Fantasy" feiern und dort ein paar Selfies für Instagram sammeln. Andersrum hatte es 2016 für den japanischen Spielehersteller nicht funktioniert. Damals versuchte man eine bereits bekannte Figur – Lightning aus "Final Fantasy 13" – zu einer realen Influencerin zu entwickeln. Sie wurde 2016 für eine Werbekampagne des Modelabels Louis Vuitton eingesetzt, und auch als Filmstar sollte sie weitergeführt werden – etwa im gleichnamigen Film.

Offenbar war die Zeit noch nicht reif – Lightning verschwand in der Bedeutungslosigkeit. Nun versucht erst einmal Ana, in der Branche Fuß zu fassen. Ob ihr mehr Erfolg vergönnt sein wird, kann man nur vermuten. (aam, 16.8.2022)