Die US-Delegation traf Außenminister Joseph Wu (3. von links).

Foto: EPA / Mofa Taiwan / Handout

Keine zwei Wochen ist es her, da hielt die Welt für einen Moment den Atem an. Die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, stattete der Insel Taiwan einen Besuch ab – was die Kommunistische Partei Chinas als unsägliche Provokation wahrnahm. Nun ist abermals eine Gruppe von US-Parlamentariern nach Taiwan gereist. Die fünfköpfige Gruppe um den demokratischen Senator Ed Markey traf dort die Präsidentin Tsai Ing-wen und Außenminister Joseph Wu. Außerdem stehen Treffen mit Vertretern der Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft auf dem Programm. Während die Regierung in Taiwan den Besuch begrüßt, schäumt man in Peking weiter und spricht von "Provokationen" und einem "Spiel mit dem Feuer".

US-Abgeordnete haben in den vergangenen Jahren regelmäßig Taiwan besucht. Ein Novum nach rund 20 Jahren stellte allerdings der hochrangige Besuch von Nancy Pelosi dar. Peking reagierte darauf mit dem umfangreichsten Militärmanöver in der Straße von Taiwan überhaupt. Mehrere Tage lang drangen Schiffe in die Zwölf-Meilen-Zone und Kampfjets in den taiwanischen Luftraum ein.

Neu waren auch Raketenabschüsse von der Insel Pingtan an der Festlandküste, die darauf hindeuten, dass nun auch Raketen direkt Ziele in Taiwan treffen können. Begleitet wurden die Manöver zudem von einer Propagandamaschinerie in Form von Videos, die in den sozialen Netzwerken des Landes geteilt wurden.

Weitere Militärmanöver

Das Manöver diente vor allem der Abschreckung und einer "Show of Force". Die Regierung in Peking will damit signalisieren, dass die Volksbefreiungsarmee durchaus bereit und fähig sei, die Insel notfalls mit Gewalt mit dem Festland zu vereinen. Als Reaktion auf den Besuch der Parlamentarier hat Peking nun weitere Manöver angekündigt.

Eine Katastrophe für die Weltwirtschaft wäre eine Blockade der Insel. In Taiwan werden rund 60 Prozent aller Halbleiter weltweit hergestellt. Firmen wie Apple, aber auch zahlreiche europäische Autobauer sind abhängig von den Chips, die der Marktführer TSMC produziert. Allerdings würde auch das Festland unter einer solchen Blockade leiden. Derzeit versuchen sowohl China als auch die USA, eine größere Halbleiterproduktion aufzubauen. Hinzu kommt: Die Straße von Taiwan ist eine der am stärksten befahrenen Schifffahrtswege der Welt.

Peking zunehmend aggressiver

Die USA und China hatten die Taiwan-Frage in den vergangenen Jahrzehnten stets "vertagt". Nach dem verlorenen Bürgerkrieg waren Truppen unter Chiang Kai-shek auf die Insel geflüchtet und wurden unter amerikanischen Schutz gestellt. Mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Washington und Peking in den 1970er-Jahren wendete sich das Blatt: Seitdem pocht Peking zunehmend aggressiv darauf, als alleinige Vertretung Chinas zu gelten und dass Taiwan eine Provinz Chinas sei.

Dort aber hat sich seit Anfang der 1980er-Jahre eine lebendige Demokratie und Zivilgesellschaft entwickelt. Die Mehrheit der jungen Bevölkerung wünscht keine "Wiedervereinigung" mit dem Festland.

Abschreckendes Beispiel

Vielen ist das Beispiel Hongkong ein Gräuel: Dort brach die Kommunistische Partei Chinas 2020 internationale Verträge und beendete die Autonomie der ehemaligen britischen Kolonie. Vor allem ging Peking mit voller Härte gegen Demokratie-Aktivisten vor.

Viele Taiwanerinnen und Taiwaner fürchten im Falle einer Invasion Ähnliches. So sagte Lu Shaye, Chinas Botschafter in Paris, vergangene Woche in einem TV-Interview: "Nach der Wiedervereinigung mit Taiwan werden wir eine Umerziehung durchführen müssen." (Philipp Mattheis, 16.8.2022)