In Deutschland sind SPD und Grüne dafür, blitzten aber bei der FDP ab. In Österreich kommt die Forderung nach einer Besteuerung der Übergewinne der Energiekonzerne von SPÖ, Arbeiterkammer und Gewerkschaft – und neuerdings auch vom grünen Vizekanzler Werner Kogler: Eine – nicht rückwirkende – Besteuerung der "Übergewinne" wäre aus Koglers Sicht ein taugliches Instrument, und zwar unter Abzug der Investitionen in erneuerbare Energien von der Gewinngröße. Man will ein Modell ausarbeiten.

Ob man die Sache dem Koalitionspartner, der mittlerweile von der Sache wieder abgerückt ist, schmackhaft machen kann, bleibt abzuwarten. Der Wiener IV-Chef Christian C. Pochtler spricht von "Sommernachtsträumereien" und "populistischem Aktionismus". Für weitere Debatten ist mit Koglers Einschwenken auf den Kurs, den der deutsche grüne Robert Habeck in der Sache ebenfalls fährt, sicher gesorgt.

Die Energiepreise treiben Konsumenten und Unternehmen um. Die Politik ist mit entsprechenden Entlastungsmaßnahmen beschäftigt.
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Für: Es sind die sogenannten "Zufallsgewinne", die so manche Energieversorger derzeit einfahren – sie wecken Begehrlichkeiten. Gewinne, die sie nicht nur durch kluges Wirtschaften einfahren, sondern weil sie von der kriegsbedingten Knappheit und den daraus resultierenden Preissteigerungen bei Energie profitieren. Immerhin haben sich die Profite der Energieriesen im letzten Halbjahr verdoppelt, verdrei- oder vervierfacht. Das ruft nicht nur in Österreich viele auf den Plan. Aus gutem Grund: Diesen sogenannten Windfallprofits stehen Bürger und Bürgerinnen gegenüber, die sich im schlimmsten Fall ihre gestiegenen Gas-, Strom- oder Spritrechnungen nicht mehr leisten können. Um sie zu entlasten, könne man die Kriegsgewinnler belasten, lautet das Argument. Durchsetzbar wäre das vermutlich: Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags urteilt, eine solche Steuer erscheine "vor dem Hintergrund der gegenwärtigen besonderen Knappheits- und Preisbedingungen auf den Energiemärkten jedenfalls nicht willkürlich".

Bleibt die schwierige Definition von Übergewinn. Sie müsste wohlüberlegt sein. Unmöglich ist das nicht. Nicht einmal Italiens Ex-Regierungschef, einst Investmentbanker und vormalig EZB-Chef, schreckte davor zurück. Er hat die Sondersteuer für Energieunternehmen sogar rückwirkend eingeführt. Besteuert wird nicht der Gewinn, sondern der Zuwachs an Wertschöpfung – die Differenz zwischen Umsätzen und Ausgaben für Vorleistungen. Auch Großbritannien hat im Juli eine 25-prozentige Gewinnsteuer für Öl- und Gasproduzenten beschlossen – befristet wohlgemerkt. Und Energieunternehmen, die ihre Gewinne in UK investierten, werden mit Steuererleichterungen belohnt. Wo ein Wille ist, da gibt es also augenscheinlich auch einen Weg.

WIDER: Die energiepreisgeplagte Bevölkerung hätte wohl jede Regierung mit der Einführung einer Sondersteuer auf Sonderprofite auf ihrer Seite. Viele Ökonomen und Ökonominnen warnen davor.

"Nicht zielführend" und mit mehreren Problemen verbunden, urteilen viele. Neben Abgrenzungsproblemen bezüglich der Steuerpflicht und der Bestimmung der Höhe der Zufallsgewinne bringen Sondersteuern Unruhe in das System an sich, aber auch bei Investoren. Als der sozialistische Regierungschef in Spanien Mitte Juli eine zweijährige Sondersteuer für Energiekonzerne und Banken in Aussicht stellte, kamen die Titel von Energieriesen und Banken an der Börse kräftig unter Druck. Auch als ÖVP-Kanzler Karl Nehammer im Mai eine Sondersteuer ins Spiel gebracht hatte, schickte er die Anteilsscheine des Verbunds auf Talfahrt. Zumindest die ÖVP nahm von dem Plan Abstand – und bleibt bis heute dabei. Die Kontra-Argumente sind nicht von der Hand zu weisen.

Solche Steuern entziehen den Unternehmen Liquidität, die sie wohl für Investitionen in grüne Technologien dringend benötigen könnten. Dass ein Wirtschaftsstandort nicht eben mit neuen "Sondersteuern" punkten kann, liegt auf der Hand. IHS-Chef Klaus Neusser warf jüngst ein, dass ein nachträgliches Ändern der Spielregeln nicht förderlich sei. Zudem ist es tatsächlich schwierig festzumachen, was ein "überhöhter" Gewinn oder Preis ist. Die ausgeschütteten Gewinne würden ohnehin besteuert (Körperschaft- und Kapitalertragsteuer) warnt auch der deutsche Ökonom Clemens Fuest. Alles in allem würde Vertrauen in den Standort verspielt, lautet ein gewichtiges Argument – mit negativen Folgen für Investitionen und damit auch auf die Beschäftigung, so Wifo-Ökonom Michael Peneder jüngst.

(Regina Bruckner, 15.8.2022)