Nach zwanzig Ehejahren kann jeder aus dem Vertrag aussteigen – oder um weitere zehn Jahre verlängern.

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Man sollte nicht ausschließlich im Saft der eigenen Clique kochen. Aus diesem Grund wollte ich meine Ferien in diesem Sommer nicht mit Single-Freunden verbringen. Zu vorhersehbar wäre ab Tag drei die Konversation am Strand: "Wann kommt ER?" – "Wann kommt SIE?" – "Was mache ich falsch?" – Man kennt die üblichen Fragen, von sich selbst und von den anderen. Die Antworten dazu drehen sich leider auch im Kreis.

Erste Reihe fußfrei

Warum zur Abwechslung nicht mal einen ganz anderen Menschenschlag beobachten?, beschloss die Autorin in mir. Ich nahm die Einladung von drei befreundeten Ehepaaren an: Gemeinsam brachen wir zu einem gemieteten Haus in den Tiroler Bergen auf. Auch diverse Teenager-Kinder kamen mit. Wir kochten. Wir lachten. Die Blumenwiesen leuchteten. Die Kühe hinter dem Zaun blickten uns freundlich an.

Die komplizierte "soziale Situation" – sie hätte nicht entspannter sein können. Hier, inmitten von gut eingespielten Langzeit-Paaren. Zumindest an Tag eins und an Tag zwei.

Reality-Check

An Tag drei trat auch in diesem Szenario das scheinbar Unvermeidliche ein: Je mehr Alkohol floss, desto ungenierter begannen diese Verheirateten, ihre Gefühle auf den Tisch zu schmeißen. "Stabile Verbindungen leben davon, dass man den anderen im Alltag kaum sieht", hieß es da etwa.

Oder: "Nach zwei Lockdowns habe ich mit dem Gedanken gespielt, von einer Brücke zu springen." – Andere bekannten: "Ja, irgendwann will man nur mehr ins Zeugenschutzprogramm."

Wie hatte ich diese Menschen bewundert! Hatten sie nicht, im Gegensatz zu mir, rechtzeitig auf den ganzen Rock ’n’ Roll verzichtet? Scheinbar alles richtig gemacht? Jetzt war ich überrascht: Das war sie also, die Realität nach dem großen Happy End.

Erweiterte Spielräume

Zum Glück blieb der Älteste unter uns, ein erfahrener Anwalt, konstruktiv: "Was es bräuchte, wäre eine Ausstiegsklausel", brachte er in die Runde ein. Sein Vorschlag: "Nach zwanzig Ehejahren kann jeder aus dem Vertrag aussteigen. Oder um weitere zehn Jahre verlängern."

Alle waren sich einig: Dieser mögliche Schlussstrich würde alles ändern. Beide Parteien würden weiter auf ihre Figur achten. Der Gute-Nacht-Kuss niemals aus dem Schlafzimmer verbannt. Die Idee schlägt gerade Wellen: Seit unserem Urlaub plädieren zahlreiche Eheleute für eine Gesetzesänderung. (Ela Angerer, RONDO, 18.9.2022)