Bemühungen der Stadt Wien, das Förderangebot auch auf die privaten Träger auszuweiten, gibt es. Aber zu kurze Förderfristen und mangelnde individuelle Fördermöglichkeiten stehen in der Kritik.

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Immer wieder machen Einzelfälle von Eltern auf der Suche nach einem Kindergartenplatz die mediale Runde. Dass es gerade für Kinder mit erhöhtem Förderbedarf und Behinderungen in Wien einen Mangel gibt, ist seit Jahren bekannt. Wie groß dieser aktuell ist, geht nun aus einer Anfragebeantwortung des Wiener Vizebürgermeisters und zuständigen Stadtrats Christoph Wiederkehr (Neos) an die Grünen hervor – und veranschaulicht den massiven Bedarf: 935 Kinder warten derzeit in Wien auf einen Platz in einer heilpädagogischen Gruppe oder einer Integrationskindergartengruppe. Fast jedes dritte wartende Kind erhält keinen Platz.

Anmeldezeitpunkt, Kindesalter und Berufstätigkeit der Eltern: Von diesen Kriterien ist es abhängig, wer den Run um die begehrten und viel zu raren Plätze schafft. Doch selbst das scheint kein Garant mehr zu sein: Nicht allen im Arbeitsleben stehenden Eltern stehe auch ein Platz für ihr Kind zur Verfügung, muss Wiederkehr einräumen. Das treffe insbesondere Alleinerziehende, kritisieren die Grünen-Landtagsabgeordneten Julia Malle und Felix Stadler.

Nur Städtische gefördert

Eine davon ist Maria N. (Name von der Redaktion geändert), deren Fall auch das Ungleichgewicht zwischen städtischen und privaten Kindergärten veranschaulicht. Ihr Problem ist nicht, dass ihr Sohn David nirgendwo unterkommt. Er besucht ganztags eine Kindergartengruppe; allerdings eine private, weil Maria zum Zeitpunkt der Anmeldung nicht berufstätig war – und dadurch keinen Anspruch auf einen Platz in einem städtischen Kindergarten hatte. Doch seine Autismus-Diagnose erfordert nun eine Fachassistenz, um überhaupt bei seinen Freunden im Kindergarten bleiben zu können.

Das Problem: Gefördert wird diese Fachassistenz nur in städtischen Kindergärten. Maria wäre also gezwungen, ihren dreijährigen Sohn aus dem privaten Kindergarten und seinem Umfeld herauszunehmen, nur um dann erst recht wieder keinen Platz in einem städtischen zu finden. Ohne Fachassistenz müsste David den Kindergarten im September verlassen – und Maria folglich ihren Job auf Eis legen. "Die Kosten sind ja die gleichen, ich verstehe nicht, warum hier überhaupt ein Unterschied gemacht wird", sagt die Mutter, die seit Wochen bei allen offiziellen Stellen anklopft. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), Wiederkehr, MA 10, "niemand antwortet mir ", sagt Maria im STANDARD-Gespräch, die nun, wie sie betont, bei der Frauengruppe der Wiener Arbeiterkammer und den Wiener Grünen Gehör gefunden hat.

Ungenutzte Mittel

Tatsächlich spiegelt sich dieses Missverhältnis auch in den Zahlen wider. Während es im letzten Jahr 287 Integrationskindergartengruppen in den städtischen Kindergärten gab, waren bei privaten Trägern nur 43 Kinder mit speziellem Förderbedarf untergebracht – und das, obwohl zwei Drittel aller Kindergartenplätze von diesen gestellt werden. Paradoxerweise würde es aber an Mitteln, die in Richtung private Kindergärten in speziell eingerichtete Gruppen fließen, eigentlich gar nicht mangeln, zumindest seit dem Jahr 2020 nicht mehr.

Damals wollte die Stadt auch vermehrt das Platzangebot in privaten Einrichtungen ausweiten. Eine Million Euro wurden dafür im Rahmen eines Pilotprojekts für 100 Integrationsplätze veranschlagt. Laut Anfragebeantwortung von Wiederkehr wurden aber nur 35 "Integrationsplätze" geschaffen.

Warum nur so wenige? Hinter vorgehaltener Hand heißt es von den privaten Betreibern, dass die Laufzeit des Projekts ein großes Problem darstellte. Offiziell war es bis Ende August 2022 befristet, die Weiterführung steht erst seit Juni dieses Jahres fest. Diese Planungsunsicherheit dürfte ein Grund gewesen sein, ein weiterer dürften die fehlenden baulichen Voraussetzungen sein, die für die Eröffnung einer neuen Gruppe in bereits bestehenden Kindergärten nötig wären.

Personalmangel überall

Diese endlose Warteliste lässt sich jedenfalls auch für Wiederkehr nicht schönreden: Zwar habe man seit dem Jahr 2000 die Plätze mehr als verdoppelt. Der Ausbau könne jetzt aber nicht so vorangetrieben werden wie erwünscht, heißt es. Und auch hier das Problem, das andere Care-Bereiche wie die Pflege und die Kinder- und Jugendhilfe zur Genüge kennen: Es fehlt – "trotz vielfacher Bemühungen vonseiten der Stadt Wien", wie es in der Anfragebeantwortung durch Stadtrat Wiederkehr heißt – das entsprechende Fachpersonal. Allein an der Personallücke liegt es aber nicht. Auch würden bauliche Vorgaben die Eröffnung von speziellen Kindergartengruppen erschweren.

Angesprochen auf Davids Fall sei dieser dem Wiederkehr-Büro bekannt. Man arbeite "mit Hochdruck in Zusammenarbeit mit dem FSW daran, bald eine Lösung bereitzustellen". Bisher, so Wiederkehr, gebe es kein Kind, das wegen seiner Behinderung eine Einrichtung verlassen musste. David wäre mit September das erste. (Elisa Tomaselli, 17.8.2022)