Auch für Jahresanfang 2023 ist derzeit noch kein Aufschwung für die deutsche Wirtschaft in Sicht.

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"Es sieht düster aus." Chefvolkswirt Thomas Gitzel von der liechtensteinischen VP Bank macht kein Hehl aus seiner Erwartung für die deutsche Wirtschaft. Seiner Ansicht nach befindet sich diese bereits im laufenden dritten Quartal im Rückwärtsgang. "Die Rezession hat also bereits begonnen, denn auch für das Schlussquartal 2022 ist mit keiner Besserung zu rechnen", betont der Ökonom, der vielmehr eine längere Phase rückläufiger Wirtschaftsleistung in Deutschland befürchtet. Denn Gitzel sieht auch für Anfang 2023 kaum Grund zur Zuversicht. "Die Rezession dürfte über einen längeren Zeitraum zum wirtschaftlichen Wegbegleiter werden."

Neuerlicher Rückgang

Bestärkt wird die pessimistische Sicht des Volkswirts durch den zweiten Rückgang des Konjunkturindex des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Folge. Anstatt sich wie erwartet zu behaupten, sackte das Barometer im August auf minus 55,3 Punkte ab. Der auf Basis einer Umfrage unter Finanzexperten erstellte Index deutet also auf eine weitere Verschlechterung der ohnedies schwachen deutschen Konjunktur hin. "Die nach wie vor hohe Zunahme der Konsumentenpreise und die erwarteten zusätzlichen Kosten für Heizung und Strom belasten derzeit vor allem die Aussichten für die konsumnahen Wirtschaftsbereiche", erklärt ZEW-Experte Michael Schröder den neuerlichen Rückgang.

Zu den bestehenden Problemen kommt nun zunehmend auch noch ein weiteres dazu, denn die Trockenheit gefährdet die Binnenschifffahrt und drosselt in Europa die Stromerzeugung. Wegen rekordtiefer Pegelstände am Rhein warnt die deutsche Industrie bereits vor verheerenden Folgen für die Versorgungssicherheit. Schiffe können zwar noch verkehren, allerdings nur mit verringerter Fracht. "Die Unternehmen stellen sich auf das Schlimmste ein", sagt der Vizechef des deutschen Industrieverbands BDI, Holger Lösch. Die ohnehin angespannte wirtschaftliche Lage verschärfe sich. Auch die Zahlungsmoral in der deutschen Wirtschaft sinkt bereits wegen der angespannten Wirtschaftslage – sprich, Firmen begleichen Rechnungen später.

Belastende Zinserhöhungen

Auch für Heleba-Volkswirt Ulrich Wortberg lässt der schwache ZEW-Index keinerlei Optimismus keimen: "Der Erwartungssaldo liegt auf dem niedrigsten Niveau seit der Finanzkrise 2008", sagt er. "Rezessionssorgen, auch wegen anhaltender Befürchtungen vor einer Gasknappheit, schlagen weiterhin auf das Gemüt." Der Ukraine-Krieg, die hohe Inflation und auch künftig zu erwartende Leitzinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank wirken Wortberg zufolge weiterhin belastend auf die Konjunktur. "Die konjunkturellen Perspektiven der deutschen Wirtschaft sind getrübt." (Alexander Hahn, 17.8.2022)