Der Gaszähler dreht sich in Deutschland zwar nicht unbedingt schneller, die Gasrechnung wird dennoch länger.

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Zu Wochenbeginn hat die deutsche Bundesregierung die Höhe der Umlage bekanntgegeben, mit der die Gasversorgung über den Winter sichergestellt und Insolvenzen einzelner Gaseinkäufer hintangestellt werden sollen: 2,419 Cent sind es, die ab Oktober pro Kilowattstunde (kWh) auf den Preis aufgeschlagen werden. Darauf käme an und für sich noch die Mehrwertsteuer von 19 Prozent. Finanzminister Christian Lindner (FDP) wollte in Brüssel aber um eine Ausnahmeregelung ansuchen. Die ist seit Dienstag vom Tisch. Brüssel erteilte dem Ansinnen eine Abfuhr.

Frage: Was soll die Gas-Umlage bewirken?

Antwort: Durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hat sich die Gaslandschaft radikal verändert, auch die Betroffenheit von Gasimporteuren und Kunden. Die Preise für den Gaseinkauf haben sich aufgrund der instabilen Situation vervielfacht. Weil die exorbitant gestiegenen Mehrkosten für die Beschaffung von Gas abseits von Russland nicht sofort weitergegeben werden können, droht verschiedenen Gasimporteuren die Insolvenz. Mit der Umlage soll das verhindert werden.

Frage: Uniper hat als einer der ersten Energieriesen schon gehörig gewackelt.

Antwort: Deshalb hat sich Deutschland bereits vor Wochen über eine Kapitalerhöhung mit rund 30 Prozent an dem Unternehmen beteiligt. Um nicht den Weg weiterer Teilverstaatlichungen gehen zu müssen, wird nun die Beteiligung aller Gasverbraucher und Gasverbraucherinnen über eine Umlage in gleicher Höhe in Angriff genommen.

Frage: Wie funktioniert das?

Antwort: Der Kern des Modells sind Ausgleichszahlungen an die Importeure von Gas. Sie sollen reichen, um Pleiten zu verhindern. Der finanzielle Ausgleich für betroffene Importeure ist zeitlich beschränkt auf die Erfüllung vertraglicher Lieferverpflichtungen vom 1. Oktober 2022 bis Ende März 2024. Bis Oktober 2022 tragen die betroffenen Gasimporteure alle Kosten für die Ersatzbeschaffung, danach dauerhaft zehn Prozent selbst.

Frage: Wie berechnet sich die Umlage?

Antwort: Dafür gibt es eine komplexe Formel, die unter anderem den Unterschied zwischen dem vertraglich vereinbarten und dem aktuellen Einkaufspreis berücksichtigt. Die Höhe der Mehrkosten muss von Wirtschaftsprüfern bestätigt werden. Der Ausgleich erfolgt über die Gaslieferanten, die die Kosten in aller Regel an ihre Kunden weitergeben werden.

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verteidigt die Gasumlage und kündigt weitere Entlastungen an.
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Frage: Mit welchen Zusatzkosten müssen diese rechnen?

Antwort: Eine vierköpfige Familie mit einem Jahresverbrauch von 20.000 kWh Gas hätte Mehrkosten in der Höhe von 484 Euro pro Jahr zu tragen, inklusive Mehrwertsteuer, die nach der Wortmeldung aus Brüssel wohl aufzuschlagen ist, wären das 576 Euro. Ein Singlehaushalt müsste mit zusätzlichen Kosten von 144 Euro rechnen, ein Paarhaushalt mit 345 Euro – in beiden Fällen noch ohne Steuer.

Frage: Wann werden Verbraucher und Verbraucherinnen in Deutschland die Umlage tatsächlich spüren?

Antwort: Die Umlage gilt zwar ab 1. Oktober, sie wird aber nicht unmittelbar auf den Gasrechnungen sichtbar werden, sondern mit etwas Zeitverzug. Der Grund dafür sind Ankündigungsfristen im Energiewirtschaftsgesetz, die aus Verbraucherschutzgründen einzuhalten sind. Daher wird die Umlage wahrscheinlich erstmals im kommenden November oder Dezember auf den Gasrechnungen ausgewiesen werden. Die Umlage wird monatlich abgerechnet und kann alle drei Monate angepasst werden. Sollte Russland seine vertraglich zugesicherten Liefermengen wieder vollumfänglich erfüllen, wird die Preisanpassung nach Angaben der Regierung in Berlin wieder auf null gesetzt.

Frage: Kommen zusätzliche Entlastungen?

Antwort: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat nach den insgesamt 30 Milliarden Euro an bereits auf den Weg gebrachten Entlastungsmaßnahmen für deutsche Konsumenten ein drittes Entlastungspaket angekündigt. Die Streichung der Mehrwertsteuer auf die Gasumlage, die als eine Möglichkeit diskutiert wurde, die Belastung zu dämpfen, wurde von Ökonomen als nicht besonders zielführend gesehen. Marcel Fratscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung etwa sagte klar, er halte wenig davon, der Entlastungseffekt sei zu klein und helfe Geringverdienern kaum.

Frage: Was ist noch im Gespräch?

Antwort: Ein Gaspreisdeckel beispielsweise, wie er nun auch in Österreich angedacht wird. Ein solcher sei "zu kompliziert und keine schnelle Hilfe", wie Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft anführt. Viele Experten präferieren deshalb direkte Transferleistungen für Haushalte. Wer nicht mehr als 5000 bis 6000 Euro brutto im Jahr verdiene, dem könne ein Energie-Geld von monatlich 100 Euro gezahlt werden, sagt Hüther. Die Diskussion darüber hat eben erst begonnen.

(FRAGE & ANTWORT: Günther Strobl, 17.8.2022)