Eine Kenianerin verfolgt auf einem Markt in Nairobi die Veröffentlichung der Wahlergebnisse auf ihrem Mobiltelefon. Das Land steht nun vor einer Phase steigender Unsicherheit.

Foto: Imago / Zuma Wire

Inmitten einer herandräuenden Lebensmittelkrise steht Kenia nach der Präsidentschaftswahl vor einer gefährlichen politischen Konfrontation, die sich im besten Fall auf juristischer Ebene abspielen wird.

Nach den Wahlen am Dienstag vergangener Woche erklärte der Chef der Wahlkommission Walufa Chebukati am Montag den bisherigen Vizepräsidenten William Ruto zum Sieger und damit zum fünften Präsidenten der Republik. Das Ergebnis ist demnach denkbar knapp ausgefallen: 50,49 Prozent der Stimmen entfielen Chebukati zufolge auf den 55-jährigen Ruto, während sein Kontrahent Raila Odinga auf 48,5 Prozent kam.

Dieser erklärte am Dienstag wenig überraschend, das Ergebnis nicht anerkennen zu wollen. Schließlich hatte zuvor schon Chebukatis Stellvertreterin Juliana Cherera in einer eigenen Erklärung mit drei weiteren Mitgliedern der siebenköpfigen Kommission bekanntgegeben, das von ihrem Chef veröffentlichte Ergebnis nicht mitzutragen. Das sorgte im Auszählungszentrum sogleich für Tumulte und auf den Straßen für brennende Barrikaden.

Die Wahlen seien zwar ordnungsgemäß durchgeführt worden, erklärte Cherera, jedoch seien in einer letzten, undurchsichtigen Phase der Stimmenauszählung falsche Zahlen verwendet worden.

"Null und nichtig"

Der 77-jährige Odinga sprach Chebukati und "einer kleinen Minderheit von Kommissaren" das Recht ab, für die Wahlkommission zu sprechen. Chebukatis veröffentlichte Zahlen seien "null und nichtig", sie müssten gerichtlich aufgehoben werden. Kenias Demokratie stehe nun vor einer langen Rechtskrise, erklärte Odinga. Das Ergebnis sei "eine Farce und eine eklatante Missachtung der Verfassung Kenias", weshalb nun alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft würden, um das Resultat anzufechten.

Für den Oppositionsführer ist die Situation fast schon so etwas wie Routine: Bereits zum fünften Mal bewarb er sich für das Präsidentenamt. Er beharrt darauf, dass ihm schon bei den vergangenen Wahlen der Sieg durch Manipulationen gestohlen worden sei.

Ruto hingegen lobte die Wahlkommission und erklärte, man müsse in die Zukunft schauen, es gebe keinen Blick zurück.

Der Urnengang, bei dem neben dem Präsidentenamt auch das Parlament und die Kommunalvertretungen neu gewählt wurden, ist ein entscheidender Test für die weitere Entwicklung im multiethnischen Kenia mit rund 55 Millionen Einwohnern. Der für die Verhältnisse in der Region eigentlich relativ stabile ostafrikanische Staat ist schon in der Vergangenheit nach Wahlen in gewaltsame Auseinandersetzungen gekippt, die das Land an den Rand eines Bürgerkriegs brachten.

Immer wieder Gewalt

Nach der Präsidentenwahl im Dezember 2007 starben mehr als 1200 Menschen in einer blutigen Gewaltwelle. 2017 kamen mehr als hundert Menschen ums Leben, nachdem das Höchstgericht das Wahlergebnis wegen Unregelmäßigkeiten aufgehoben hatte.

Diese Erfahrungen schüren international die Sorge vor einer neuerlichen Gewalteskalation. Stéphane Dujarric, der Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, rief die Kontrahenten dazu auf, Zweifel am Ergebnis von den Gerichten klären zu lassen. An den Finanzmärkten sorgten die Berichte für nervöse Reaktionen, die kenianischen Staatsanleihen verloren deutlich.

Wer auch immer künftig in Kenia regieren wird, steht vor beinahe unlösbaren Aufgaben. Der scheidende Amtsvorgänger Uhuru Kenyatta ließ in dem korruptionsgeplagten Land umfangreiche Infrastrukturprojekte vorantreiben, was eine Überschuldung zur Folge hatte. Die weltweite Lebensmittel- und Energiekrise ließ auch in Kenia die Preise massiv steigen. Im Norden des Landes sorgte zudem die schlimmste Dürre seit vier Jahrzehnten für Missernten, weshalb mehr als vier Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen sind. (Michael Vosatka, 17.8.2022)