Typische Anzeichen von Long Covid sind Erschöpfung, Brain-Fog, Verwirrtheit und Schwindel. Viele Betroffene können ihr tägliches Leben nicht mehr oder nur noch eingeschränkt bewältigen.

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Endlich Corona haben, und dann ist es erledigt – viele sehen einer Infektion relativ gelassen entgegen. Doch dabei wird das Risiko von Long Covid ignoriert. Zumindest zehn Prozent der Erkrankten haben Langzeitfolgen in unterschiedlichem Ausmaß, von Geschmacksverlust über Müdigkeit bis zu Schwindel, Brain-Fog und Fatigue. Bei nicht wenigen sind die Folgen so massiv, dass sie nicht mehr am täglichen Leben teilnehmen können.

Was genau der Grund für diese langanhaltenden Probleme ist, wird von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern weltweit diskutiert und erforscht. Eine klare Erkenntnis gibt es bislang nicht, doch unterschiedliche Thesen: Eine ist, dass das Virus über längere Zeit im Körper bleibt und dort Schäden anrichtet. Eine andere ist, dass es Autoimmunreaktionen auslöst, durch die Entzündungen Körperzellen und Gewebe langfristig schädigen.

Nun fand ein Team um die Immunologin Akiko Iwasaki von der Yale University in den USA in einer Studie auffällige Werte im Blut und bei Immunzellen von Long-Covid-Betroffenen. Die Studie ist als Preprint auf dem Wissenschaftsserver medRxiv erschienen und wurde noch nicht von Fachleuten begutachtet. Doch die Daten rufen bereits jetzt großes Interesse hervor. Vor allem, wenn weitere Daten die Erkenntnisse untermauern, könnten womöglich sogenannte Biomarker festgelegt werden, an denen man Long Covid festmachen kann.

Auffälligkeiten im Blut der Betroffenen

Für die Studie wurden die Befunde von 99 Long-Covid-Betroffenen mit jenen von 116 Personen aus insgesamt drei Gruppen verglichen: völlig gesunden Menschen, die sich nie mit Corona infiziert hatten, gesunden, ungeimpften Personen, die sich bereits infiziert hatten, und gesunden Menschen, die sich infiziert hatten und nicht an Long Covid litten. Der Großteil der Long-Covid-Betroffenen hatte sich bis Mitte 2020 infiziert, also in der ersten Pandemiewelle, die meisten mussten deshalb im Krankenhaus behandelt werden. Sie berichteten von den bekannten Symptomen wie Gedächtnisstörungen, Verwirrtheit, Fatigue und Brain-Fog.

Für die Studie wurde das Blut der Teilnehmenden mit aufwendigen Messverfahren untersucht. Das brachte einige Auffälligkeiten hervor: Bei den Long-Covid-Betroffenen zeigten sich Unterschiede in der Konzentration verschiedener Immunzellen, sie hatten etwa eine erhöhte Zahl erschöpfter T-Zellen, die für die Immunabwehr extrem wichtig sind. Das könnte darauf hinweisen, dass diese Zellen durch dauerhaft vorhandene Antigene permanent stimuliert werden, schreibt Studienleiterin Iwasaki auf Twitter.

Weiters stellte man eine Erhöhung der Antikörper, die das Epstein-Barr-Virus (EBV) bekämpfen, bei den Betroffenen fest. Das deute darauf hin, dass im Körper schlummernde Herpesviren durch die Infektion reaktiviert wurden. Tatsächlich vermutet man schon länger, dass eine Reaktivierung einer Epstein-Barr-Infektion mit der Entwicklung von Long Covid zusammenhängen könnte. Man kennt dieses Phänomen auch von Patientinnen und Patienten, die – ganz ohne Corona-Infektion – am chronischen Fatigue-Syndrom (ME/CFS) erkrankt sind.

Geringere Cortisol-Werte

Auffallend ist, dass Long-Covid-Betroffene im Vergleich zu den Kontrollgruppen in der Studie einen deutlich verringerten Spiegel des Stresshormons Cortisol im Blut hatten – eine Entdeckung, die nicht wirklich erklärt werden kann. Studienleiterin Iwasaki meint aber, dass dieser niedrige Cortisol-Level ein signifikantes Anzeichen sein könnte, um einen Long-Covid-Status zu definieren und auch die Schwere der Erkrankung vorauszusagen. Zusammen mit anderen Werten könnte es als Biomarker für Long-Covid-Diagnosen dienen, schreibt das Team der Autorinnen und Autoren. Weitere Untersuchungen müssen diese Ergebnisse nun validieren, sie liefern aber eine mögliche Basis für die Erforschung von Long Covid.

Immer noch sehen sich viele Betroffene Vorurteilen ausgesetzt, wie etwa dass ihre Beschwerden nur eingebildet seien oder psychosomatisch. Iwasaki schreibt dazu auf Twitter: "Wir hoffen, dass diese Daten denen, die immer noch skeptisch sind, helfen zu verstehen, dass Long Covid real ist und eine biologische Basis hat." (kru, 17.8. 2022)