Nikotin-Pouches sollen den schnellen Kick liefern. Doch auch sie können abhängig machen und sind mit Vorsicht zu genießen.

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Ein kleines Päckchen, das unter die Oberlippe geschoben wird. Ist es einmal drin, sieht man es von außen gar nicht, wenn man nicht weiß, dass es da ist. Auch beim Sprechen hört man den Fremdkörper im Normalfall nicht. Die Rede ist von Nikotin-Pouches oder -säckchen. Die verwenden immer mehr Jugendliche, sie sollen den "schnellen Kick" geben, aufputschen, ähnlich wie Kaffee oder Energydrinks. Mit dem Unterschied, dass sie nicht Koffein enthalten, sondern Nikotin – eine Substanz, die potenziell süchtig macht.

Die Pouches sind nicht neu. Schon vor Jahrzehnten machten vor allem schwedische Skitouristen ein ähnliches Produkt in Österreich bekannt – Snus. Dabei handelt es sich um Lutschtabak, in kleine Beutelchen gefüllt, deren Inhalt sich, unter die Oberlippe geschoben, auflöst und sein Nikotin direkt über die Schleimhäute abgibt. In Schweden gibt es Snus immer noch, der Verkauf des Produkts ist aber europaweit durch eine EU-Richtlinie verboten, ebenso der Onlinehandel, man kann es auf legalem Weg außerhalb von Schweden nicht erwerben.

Nun etablieren sich ähnliche Pouches in Österreich, kräftig unterstützt von hippen Werbekampagnen. Der Unterschied zu Snus: Sie enthalten keinen Tabak, sondern sind gefüllt mit Pflanzenfasern, Aromen, Feuchthaltemitteln, Salzen, die den Geschmack stabilisieren. Damit umgehen sie das EU-weite Handels- und Verkaufsverbot. Das Wesentliche der Pouches ist aber erhalten geblieben: Sie enthalten Nikotin.

Kurzfristiger Stimmungskick

Das soll für einen raschen Stimmungskick sorgen. "Pures Nikotin ist eine mild psychotoxische Substanz, mit der man die Stimmung kurzfristig beeinflussen kann", erklärt Ernest Groman, wissenschaftlicher Leiter des Nikotininstituts, das Raucherentwöhnungsprogramme organisiert, und externer Lehrender an der Abteilung für Sozial- und Präventivmedizin am Zentrum für Public Health an der Med-Uni Wien.

Das Nikotin in den Pouches gelangt über die Mundschleimhäute direkt in den Blutkreislauf und wirkt auf das Belohnungszentrum des Gehirns: Man fühlt sich wacher, die Aufmerksamkeit nimmt zu. Aber auch die Blutgefäße verengen sich durch das Nikotin, der Blutdruck nimmt zu, das Herz schlägt schneller – kurzfristig fühlt man sich dadurch womöglich leistungsfähiger. Anderen hilft Nikotin dabei, sich zu entspannen. Und es gibt auch körperliche Auswirkungen, Nikotin kann die Verdauung anregen, Appetit und Schmerzempfindlichkeit können abnehmen.

Der "Vorteil" von reinem Nikotin dabei, sagt Groman: "Es ist eine der harmloseren Substanzen, um sich einen Kick zu geben. Man sinkt dadurch nicht in seiner Leistung ab, wie etwa durch Alkohol- oder Cannabiskonsum, und es gibt auch keine sozial problematischen Folgewirkungen, wie sie oft mit Alkoholkonsum einhergehen." Trotzdem ist es eine Substanz, die schnell abhängig machen kann und deshalb nicht ungefährlich ist. Führt man sie nach einiger Zeit nicht mehr zu, treten Entzugserscheinungen auf wie Unruhe, schlechte Konzentration oder Gereiztheit. Auch Schlafprobleme können damit zu tun haben. Und Nikotin erhöht das Risiko für Thrombosen.

Substitut für Raucher

Geworben wird für die Pouches, vor allem bei Jugendlichen, mit dem Argument, es sei wesentlich gesünder als das Rauchen. Tatsächlich nimmt man mit einem Beutel, der zwischen zehn und 60 Minuten im Mund verbleibt, ziemlich viel Nikotin auf, oft mehr als mit einer Zigarette. Das kann zu Überdosierungen und Vergiftungserscheinungen wie Übelkeit oder Durchfall führen. Trotzdem greifen auch manche Raucher zu den Pouches statt zur Zigarette, um ihre Nikotinsucht zu befriedigen.

Diese Entwicklung sieht Groman zwiespältig: "Natürlich ist es das Beste, wenn man gar nichts konsumiert, vor allem für Jugendliche. Aber es ist auch ein mögliches Substitutionsmittel, das Raucher akzeptieren, weil es schmeckt und wirkt." Groman stellt dabei klar, dass eine Zugangsrestriktion nötig ist, vor allem für Jugendliche, und auch eine Beschränkung der Werbung.

"Es ist definitiv nicht wünschenswert, dass junge Menschen in den Konsum von psychoaktiven Substanzen einsteigen. Es stellt sich aber auch die Frage, was sie konsumierten, wenn sie nicht zu den Pouches greifen würden. Besser als Zigaretten sind diese auf jeden Fall."

Komplizierte Abhängigkeit

Nicht jede Person, die Nikotin-Pouches verwendet, wird automatisch abhängig davon. Groman erklärt: "Ob jemand abhängig wird, hängt von vielen Faktoren ab, auch von der Genetik." Beim Rauchen etwa werden zwischen 30 und 50 Prozent der Rauchenden abhängig, je nach den angelegten Kriterien. Hochgradig abhängig sind rund 30 Prozent. "Es gibt aber auch Gelegenheitsraucher, die die Substanz nur in gewissen Situationen einsetzen, um die Stimmung zu beeinflussen. Aber nicht, weil sie unruhig oder gestresst sind, es geht also nicht darum, negativen Gefühle entgegenzuwirken."

Im Vergleich zur Zigarette erspart man sich auch einiges. Brennt man eine Zigarette ab, entstehen 5.000 oder mehr Substanzen, von denen zumindest 30 krebserregend sind: "Das hat man bei den Pouches gar nicht. Das größte Problem beim Nikotinkonsum ist wirklich die Art und Weise, wie man es zuführt."

Zwar muss man im Schnitt 20 bis 30 Jahre rauchen, um davon krank zu werden. Aber man weiß auch, dass etwa die Hälfte der Rauchenden an den Folgen stirbt. Groman betont: "Zwischen 50 und 60 Prozent der Raucherinnen und Raucher können oder wollen nicht aufhören. Da ist es wichtig, eine gewisse Substitution anbieten zu können."

Zugangsbeschränkung über den Preis

Trotzdem ist es, vor allem für jugendliche Einsteiger, wichtig, den Zugang zu erschweren. "Wie man junge Menschen am besten vom Rauchen abhält, weiß man einfach nicht genau. Aber ein Weg, der erwiesenermaßen gut funktioniert, ist über den Preis", betont Groman. "Als junger Mensch, der nicht viel Geld hat, wägt man ab, wofür man es ausgibt. Da ist ein hoher Preis wirklich ein Hindernis." Das hat auch eine Studie ergeben, die Groman gemeinsam mit Richard Felsinger im Journal "Frontiers" vor kurzem publiziert hat. Bei Älteren wirke dieses Mittel deshalb deutlich schlechter, weil sie sich über die Jahre an permanent steigende Preise gewöhnt hätten.

Und es sei wichtig, die derzeit intensive Werbung dafür besser zu regulieren. Diesbezüglich läuft aktuell ein Konsultationsprozess im Gesundheitsministerium, in dem das Gesetz neu geregelt werden soll, wie ein Sprecher des Ministeriums bestätigt. Was gar nicht so einfach ist: "Die Bewerbung dieser Produkte wird im Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz geregelt. Da immer wieder neue Produkte auf den Markt gebracht werden, mit denen versucht wird, die im Gesetz geregelten Werbeverbote zu umgehen, wird dieses vonseiten des Gesundheitsministeriums immer wieder angepasst." Entsprechend muss jedes Mal wieder reagiert werden, wenn die Produzenten von Nikotinprodukten eine neue Lücke finden.

Und auch im Bezug auf den Jugendschutz gibt es bereits Initiativen. Denn es gibt Berichte darüber, dass Nikotin-Pouches etwa im Vereinssport von Trainerinnen und Trainern zur Leistungssteigerung Kindern gegeben würden – obwohl der Konsum für unter 18-Jährige verboten ist. Das gewöhne sie einerseits an ein Suchtmittel, andererseits vermittle es einen falschen Eindruck der eigenen Leistungsfähigkeit, betont etwa Agnes Sirkka Prammer, Sportsprecherin der Grünen: "Deshalb ist es besonders wichtig, die Abgabe von Nikotin-Pouches an Kinder zu unterbinden. Das würde nicht nur verhindern, dass Kinder selbst diese Mittel erwerben können, sondern auch gleichzeitig das Bewusstsein schärfen, dass Nikotin-Produkte für Kinder ein absolutes No-Go sind."

Denn das Image der gesunden Alternative zum Rauchen sei irreführend. Die massive Werbekampagne könne außerdem einen niederschwelligen Einstieg in den Tabakkonsum fördern – und das gelte es auf jeden Fall zu verhindern. (Pia Kruckenhauser, 18.9.2022)