Raila Odinga will seine erneute Wahlniederlage noch nicht eingestehen und die rechtlichen Mittel ausschöpfen.

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Frage: Warum erkennt Oppositionsführer Raila Odinga das Wahlergebnis nicht an?

Antwort: Als "null und nichtig" bezeichnete der unterlegene Präsidentschaftskandidat das zu Beginn der Woche veröffentlichte Wahlergebnis. Dabei wurde mit 50,5 Prozent zu 48,8 Prozent der Stimmen der bisherige Vizepräsident William Ruto als Sieger ausgerufen. Odinga griff vor seinen Anhängern den Chef der Wahlkommission, Wafula Chebukati, an. Dieser habe gegen das Gesetz verstoßen, da er das Ergebnis ohne die Unterstützung der anderen Wahlkommissare verkündet habe – vier der insgesamt sieben stellten sich in einer Pressekonferenz gegen das offizielle Ergebnis. Als Grund nannten sie "mathematische Absurdität".

DER STANDARD

Frage: Welche "mathematische Absurdität" haben die Mitglieder der Wahlkommission gemeint?

Antwort: Zählt man die Stimmen zusammen, die die einzelnen Kandidaten laut offiziellen Ergebnissen erhalten haben, so kommt man auf 100,01 Prozent, nicht nur 100. Laut Berichten soll es sich aber um einen Rundungsfehler handeln, beziehungsweise geht es schlussendlich um 110 Stimmen, die man nicht zurückverfolgen kann.

Frage: Wie geht es auf legalem Weg weiter?

Antwort: Prinzipiell können bis kommendem Montag beim Supreme Court Beschwerden gegen das Wahlergebnis eingelegt werden. Odinga hat solch einen Einspruch bereits angekündigt. Das Höchstgericht urteilt dann, ob die Wahl wiederholt werden muss oder William Ruto als Sieger bestätigt wird. Bereits bei der letzten Präsidentschaftswahl 2017 hatte Odinga seine Niederlage und den Sieg von Uhuru Kenyatta angefochten. Damals annullierte der Supreme Court tatsächlich die Wahl. Doch Odinga boykottierte den erneuten Urnengang, da er die Voraussetzungen für eine freie und faire Wahl als nicht gegeben angesehen hat.

Frage: Wie hat William Ruto auf Odingas Klagsdrohung reagiert?

Antwort: Bei seiner Rede vor Parteifreunden am Mittwoch ging Ruto nicht direkt auf Odingas Vorwürfe ein. Der bisherige Vizepräsident sagte, dass die Wählerschaft von den Politikern erwarte, dass sie ihre Arbeit machten und ablieferten, und ließ damit indirekt anklingen, dass die Bevölkerung nicht wolle, dass das Wahlergebnis angefochten werde. Ruto will an seiner künftigen Regierung basteln – eine inklusive Regierungsmannschaft, die alle Teile Kenias repräsentiert.

Frage: Wie reagieren die Wählerinnen und Wähler auf das Ergebnis?

Antwort: Im Gegensatz zu vergangenen Wahlen kam es diesmal nicht zu großen gewalttätigen Ausschreitungen nach Verkündung des Ergebnisses. Zwar gerieten Protestierende mancherorts mit Polizeieinheiten aneinander, doch waren die Straßenschlachten vergleichsweise schnell wieder beendet. Im westkenianischen Heimatort des Wahlsiegers Ruto sammelten sich bereits am Dienstag seine Unterstützerinnen und Unterstützer, um auf die Rückkehr ihres Favoriten aus Nairobi zu warten. Viele wollten ihn durch ihre Anwesenheit auch an seine Wahlversprechen erinnern – Kampf der Korruption, mehr Transparenz.

Frage: Wie stehen Odinga und Ruto zueinander?

Antwort: Die beiden waren Alliierte während der verheerenden Präsidentschaftswahl 2007. Bei dem anschließenden Konflikt um das Wahlergebnis starben 1200 Kenianerinnen und Kenianer. Ruto und fünf andere Politiker drohten Anklagen vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, doch der Fall wurde schlussendlich von den Richtern abgewiesen.

Frage: Es wurde ja nicht nur ein neuer Präsident gewählt. Wie gingen die anderen Abstimmungen aus?

Antwort: Die kenianischen Wahlberechtigten bestimmten auch die Abgeordneten der Nationalversammlung, Senatorinnen, Gouverneure und die Vertreterinnen der 47 Bezirksversammlungen. Dabei sticht vor allem hervor, dass mehr Frauen als zuvor in politische Ämter gewählt wurden. Allein sieben Frauen konnten machtvolle Gouverneursposten ergattern – 2017 gelang das gerade einmal dreien. Wavinya Ndeti wurde gar die erste Gouverneurin des landwirtschaftlichen Bezirks Machakos. Sie konnte sich gegen drei männliche Mitbewerber durchsetzen. Bemerkenswert ist auch der Wahlerfolg von Linet Chepkorir. Die 24-Jährige wurde als jüngste Frau in der Geschichte ins Parlament gewählt. Unklar bleibt noch, wie die Geschlechteraufteilung in der Volksvertretung in Nairobi insgesamt sein wird. Die erste Vizepräsidentin wird es in Kenia aber noch nicht geben – denn dafür hätte Odinga Präsident werden müssen.
(Bianca Blei, 17.8.2022)