"Vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxie ..." So beginnt der Titel einer neuen Publikation eines Teams, das mit dem James-Webb-Weltraumteleskop arbeitet. Die Forschenden haben 690 Einzelaufnahmen gemacht und daraus eine Art Panoramafoto gebaut – in der Astronomie spricht man von einem Mosaik. Entstanden ist das größte bisher von Webb aufgenommene Bild, das einige wissenschaftliche Highlights enthält.
Parallele Verwendung von Webbs Instrumenten
Das Projekt hinter dem Bild nennt sich Ceers, was im Englischen wie das Wort "Seher" klingt. Die technische Abkürzung für "Cosmic Evolution Early Release Science Survey" erzählt vom Zweck des Projekts, kurzfristig wissenschaftliche Erkenntnisse über die Entwicklung des Kosmos zu sammeln. Die Einzelbilder sind Teil eines Programms, das die Effektivität von künftigen Beobachtungen demonstrieren sollen.
Dabei werden mit mehreren von Webbs Instrumenten parallel Bilder aufgenommen, die einander überlappen. Einige der Aufnahmen sind schon im Juni entstanden, einen Monat vor der offiziellen Präsentation erster Bilder. Das nun gezeigte Bild stellt nur die Hälfte des eigentlich zu untersuchenden Himmelsabschnitts dar. Im Dezember soll ein zweiter Messlauf starten und die Beobachtung komplettieren.
Extreme Rotverschiebung
Dass dabei neue, wissenschaftlich relevante Objekte identifiziert werden, ist nicht überraschend, sondern war einkalkuliert. In diesem Fall handelt es sich um eine Reihe bisher unbekannter Galaxien. Eine Besonderheit ist eine Galaxie mit einer extremen Rotverschiebung von etwa 14, die nach der Tochter von Projektleiter Stephen Finkelstein "Masie's Galaxy" getauft wurde. Davon berichtet die oben genannte Vorab-Veröffentlichung mit dem Titel, der der Star-Wars-Saga entlehnt ist.
Die Rotverschiebung ist ein Hinweis auf das Alter eines Himmelsobjekts. In diesem Fall deutet sie auf eine Galaxie nur etwa 300 Millionen Jahre nach dem Urknall hin. Das ist nah am bisherigen Rekord von 235 Millionen Jahren für die älteste Galaxie. Für ihr extremes Alter wäre sie ungewöhnlich hell und relativ groß. Der bisher ermittelte Wert muss allerdings erst durch spektroskopische Aufnahmen von Webb bestätigt werden.
Viele Webb-Bilder
Die Fülle an wissenschaftlich revolutionären Bildern, die bereits so kurz nach dem Start von Webb veröffentlicht wurde, ist jedenfalls außergewöhnlich. Bei Hubble dauerte es noch viel länger, bis nach und nach Aufnahmen eintrudelten.
Der Unterschied liegt in der Leistungsfähigkeit von Webb, das nur kurze Belichtungszeiten benötigt. An vielen Tagen werden mehrere Ziele anvisiert, mit Beobachtungszeiten von wenigen Minuten bis hin zu einer Dreiviertelstunde. Es gäbe also jeden Tag unzählige neue Aufnahmen zu veröffentlichen – jede davon die erste ihrer Art. Dabei stehen die großen wissenschaftlichen Revolutionen wohl noch bevor.
Genügend Speicher erforderlich
Das Bild kann auf dieser Seite in voller Auflösung heruntergeladen werden. Doch Vorsicht, die Datei ist etwas über 250 Megabyte groß; das Ceers-Team empfiehlt, zum Ansehen einen Computer oder Laptop zu verwenden.
Ein Zoom ins Innere lässt immer neue Galaxien auftauchen, von denen die meisten noch nie zuvor beobachtet wurden. Das lässt erahnen, welche Aufgaben noch auf die Forschung warten. Frei nach dem Science-Fiction-Autor Arthur C. Clarke ist man versucht auszurufen: "Mein Gott, es ist voller Galaxien." (Reinhard Kleindl, 19.8.2022)