Manchester United wird wohl verkauft. Ob Cristiano Ronaldo im Preis inbegriffen ist, bleibt abzuwarten. Der Portugiese strebt einen Wechsel an.

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Streiks bei Eisenbahnern und Dockarbeitern, Sorge um die Energieversorgung, Wasserknappheit – auf der Insel gibt es derzeit wenig Anlass für Frohsinn. Nur eine Branche wächst unbeirrt von zehnprozentiger Inflation und drohender Rezession weiter: Die englische Premier League kauft die besten Spieler, verpflichtet die prominentesten Trainer und hängt mit ihrem Milliardenumsatz die Konkurrenz immer weiter ab. Man befinde sich in einer "aufregenden Zeit", resümiert Tim Bridge vom Wirtschaftsprüfer Deloitte, mahnt aber auch: "Man sollte die Verluste vieler Klubs nicht übersehen."

Der Prognose der Londoner Erbsenzähler für die laufende Saison zufolge dürften die 20 Mitglieder der Premier League einen Umsatz von sechs Milliarden Pfund (7,11 Milliarden Euro) erreichen. Spaniens La Liga (3,7 Milliarden Euro) und die deutsche Bundesliga (3,6 Milliarden Euro) liegen weit zurück. Der Grund liegt vor allem im lukrativen Verkauf von TV-Rechten in den USA.

Mächtiger Schuldenberg

Freilich ist der englische Fußball auch bis über beide Ohren verschuldet. Insgesamt drückte die 20 Klubs nach der am Donnerstag veröffentlichten Deloitte-Bilanz zum Ende der Saison 2020/21 eine kombinierte Schuldenlast von 4,86 Milliarden Euro. Solch nüchterne Analysen fallen seit Jahren auf steinigen Boden, immer neue Milliarden von mehr oder weniger seriösen Investoren (Sportswashing!) befördern die schwindelerregenden Gehälter von Spitzenklubs wie Manchester City, Liverpool und Arsenal. Vergangene Saison verleibte sich der saudische Investitionsfonds Newcastle ein.

Die jüngsten Spekulationen drehen sich um die Ikone Manchester United. Der Verein mit großer Dominanz unter Trainerlegende Alex Ferguson rund um die Jahrhundertwende hat zehn magere Jahre und einen verheerenden Saisonstart unter dem neuen Manager Erik ten Hag hinter sich. Kaum signalisierte die US-Eigentümerfamilie Glazer diese Woche Verkaufsgelüste, meldete sich schon ein Milliardär, diesmal sogar ein britischer, zu Wort: "Jim würde gern kaufen", bestätigte ein Sprecher des aus Manchester gebürtigen Jim Ratcliffe.

Zuvor hatte Tesla-Chef Elon Musk per Twitter die Hoffnung vieler ManUnited-Fans rund um den Globus befeuert, wenig später aber wieder enttäuscht: Sein Interesse sei "ein Scherz" gewesen. Ratcliffe hingegen witzelt nicht. Das Boulevardblatt Sun brachte die Sache wortspielerisch auf den Punkt: "Rat can save sinking ship" – der Geschäftsmann, abgekürzt Rat gleich Ratte, könne "das sinkende Schiff retten".

Der Haupteigentümer des Chemiegiganten Ineos thronte noch vor vier Jahren mit einem Vermögen von 21 Milliarden Pfund an der Spitze der britischen Sunday Times-Reichenliste. Neubewertungen und die Corona-Pandemie haben diese Summe auf acht Milliarden zusammenschmelzen lassen. Immerhin scheint dem 69-Jährigen noch genug Kleingeld zur Verfügung zu stehen: Im Frühjahr bewarb sich der eingefleischte ManUnited-Fan verspätet um den Kauf des Londoner Klubs Chelsea, dessen langjähriger Eigentümer Roman Abramowitsch wegen Russlands Überfall auf die Ukraine sanktioniert wurde.

Macht Ratcliffe nun bald als Boss seines Lieblingsklubs dem neuen Chelsea-Chairman Todd Boehly Konkurrenz? Das Konsortium rund um den US-Finanzinvestor steckte fünf Milliarden in die Übernahme des Champions-League-Siegers. Für viel weniger dürfte auch ManUnited nicht zu haben sein, schließlich geht der Fußballboom unvermindert weiter. (Sebastian Borger aus London, 19.8.2022)