Das Unwetter hat einen Strommast in der Steiermark wie ein Streichholz geknickt.

Foto: APA/ENERGIE STEIERMARK

Die Aufräumarbeiten gestalten sich mühsam.

Foto: APA / BFVDL / Garber

Wien – Die Bilanz des heftigen Unwetters vom Donnerstag bleibt erschütternd. Am St. Andräer See im Lavanttal (Bezirk Wolfsberg) wurden dabei zwei Mädchen getötet. Ein Baum erschlug die vier und acht Jahre alten Kinder. 15 weiter Badegäste wurden verletzt. Ein Kriseninterventionsteam war im Einsatz. Ebenfalls ein umstürzender Baum traf drei Wanderinnen in Gaming im Bezirk Scheibbs in Niederösterreich tödlich. Die Opfer waren nach Polizeiangaben 52, 57 und 58 Jahre alt. Sie stammten aus Niederösterreich und Oberösterreich. Zwei weitere Frauen blieben unverletzt.

Im Süden Österreichs gibt es wegen der Schäden noch zahlreiche Behinderungen in der Infrastruktur: In Kärnten und der Steiermark läuft der Bahnverkehr erst langsam wieder an, im Fernverkehr werden den ganzen Tag noch Probleme erwartet Die Autobahnen A2 und A9 waren teilgesperrt. Auch der Strom fiel teils aus.

Aufnahmen aus Kärnten und der Steiermark zeigen die Zerstörung nach den Unwettern am Donnerstag.
DER STANDARD

Geringe Wahrscheinlichkeit, heftige Auswirkung

Nikolas Zimmermann, Meteorolge beim Wetterdienst Ubimet, bestätigt auf STANDARD-Anfrage, dass die aktuellen Unwetter überraschend schnell und mit einer unerwarteten Intensität über die betroffenen Gebiete hereingebrochen seien. "Die Wettermodelle gingen von einer zehn- bis 20-prozentigen Wahrscheinlichkeit aus, dass es die energiereiche Luft aus dem Mittelmeer überhaupt bis nach Österreich schafft", so Zimmermann.

Dazu komme, dass in Kärnten Gebiete betroffen seien, die eher als windarm gelten. Meteorlogen sprechen von "low probability, high impact", also "geringer Wahrscheinlichkeit, heftige Auswirkung". Zum Teil seien die Gewitter mit 100 km/h über Teile im südlichen Österreich gezogen – mit Rekordwindböen von bis 139 km/h. Das seien Geschwindigkeiten, die eher von Winterstürmen bekannt seien. Wetterwarnungen seien gestern sofort versendet worden, sobald sich die tatsächliche Situation angebahnt habe. Auch heute, Freitag, sei mit heftigen Gewittern vor allem in Ostösterreich zu rechnen.

Ob der Klimawandel schon jetzt dazu führen wird, dass sich extreme Unwetter häufen, sei noch unklar. Es gebe Studien, die darauf hinweisen. Andererseits habe es auch in der Vergangenheit immer wieder schwere Wetterereignisse gegeben. Aktuell wird ein Zusammenhang mit maritimen Hitzewellen untersucht. Dass sich heuer das Meer etwa bei Korsika auf bis zu 30 Grad Celsius erwärmt habe, führe dazu, dass sich mehr Energie in den Luftmassen anreichere. Die aktuelle Gewitterlage hat schwere Schäden von Korsika über die Toskana und Norditalien bis nach Kärnten und die Steiermark angerichtet.

Starke Winde für Baumstürze verantwortlich

Ubimet veröffentlichte am Freitagvormittag die erreichten Windstärken. Die heftigsten Böen wurden demnach in Neumarkt (Bezirk Murau) gemessen, 139 Stundenkilometer erreichte der Wind hier. Ebenfalls starke Windstöße gab es in Mosslandl/Hieflau (Bezirk Liezen) mit 124 Stundenkilometern, Leoben (117 km/h), Kapfenberg (112 km/h) und Deutschlandsberg (111 km/h).

Grundsätzlich sei es nicht ungewöhnlich, dass Bäume durch Wind umfallen, sagt Hubert Hasenauer, Leiter des Instituts für Waldbau an der Universität für Bodenkultur in Wien zum STANDARD. "Aber die Heftigkeit des gestrigen Sturms ist natürlich außergewöhnlich." Die starken Böen erklären die zahlreichen Baumstürze am Donnerstag – der Regen spiele dabei keine große Rolle. Je nach Baum und Beschaffenheit wird dieser entweder entwurzelt oder bricht am Stamm. Ab 60-70 Stundenkilometer wird es laut Hasenauer für viele Bäume kritisch – Exemplare mit großen Kronen bieten naturgemäß auch mehr Angriffsfläche.

Zahlreiche Stromausfälle

Gegen 15.30 hat der Sturm am Donnerstag in Kärnten zu wüten begonnen – allerdings keine zehn Minuten, hieß es von Augenzeugen. Wegen der Schäden, die der Sturm in dieser kurzen Zeit anrichtete, mussten in Kärnten dutzende Feuerwehren ausrücken. An die 100.000 Menschen waren in Kärnten und der Steiermark am Donnerstag ohne Strom.

Freitagfrüh betraf der Stromausfall immer noch rund 6.500 Haushalte in der Steiermark. Die Schwerpunkte der noch betroffenen Gebiete liegt laut der Energie Steiermark nun in der Weststeiermark und im Murtal. Gut 280 Trafostationen waren am Morgen noch außer Betrieb. Die weiteren Reparaturarbeiten am Freitag werden vom Regen erschwert.

Autobahnen teilweise gesperrt

Bei Griffen (Bezirk Völkermarkt) stürzten gleich mehrere Bäume auf die Südautobahn (A2) auf der Fahrbahnseite Richtung Italien. Wegen umgestürzter Bäume gesperrt war auch die Auf- und Abfahrt Bad St. Leonhard nördlich von Wolfsberg, teilten Polizei und Asfinag mit. "Es sind zwischen Wolfsberg und Griffen sicher an die 30 Bäume umgestürzt", sagte Autobahnmeister Robert Schrammel, "wir haben die Stämme im ersten Schritt mit einem Lkw und Schneepflug von der Fahrbahn geschoben."

Laut Asfinag kam es auf der Südautobahn zu einem Stromausfall, weshalb die Tunnelkette Pack auf der A2 in beiden Richtungen gesperrt wurde. Betroffen war auch die Pyhrnautobahn (A9) in der Steiermark – der Klauser Tunnel und die Tunnelkette Lainberg mussten gesperrt werden, meldete der ÖAMTC. In Spielberg im Bezirk Murtal musste die Eröffnungspressekonferenz zum Moto-GP-Wochenende wegen eines Stromausfalls infolge des Unwetters unterbrochen werden.

Viele Zugausfälle

Nach dem großflächigen Ausfall des Zugverkehrs wegen des heftigen Unwetters gibt es auch am Freitag Streckenunterbrechungen in Teilen der Steiermark und Kärntens. Aufräum- und Reparaturarbeiten seien in vollem Gange, zahlreiche Behinderungen dank des Einsatzes der ÖBB-Reparaturteams bereits behoben worden, teilte das Unternehmen in der Nacht auf Freitag mit. Gesperrt bleiben die Strecken Leoben bis Friesach und St. Michael bis Wald am Schoberpass den ganzen Freitag bis Mitternacht.

In Kapfenberg wurden ganze Hausdächer auf die Straße geschleudert.
Foto: APA/FF KAPFENBERG – DIEMLACH

Ab voraussichtlich Samstag Betriebsbeginn sind diese Strecken wieder eingleisig befahrbar. Die Fernverkehrszüge (Rail- und Nightjet) von Wien nach Venedig und retour werden am Freitag über Salzburg umgeleitet.

Fernverkehrszüge entfallen am Freitag

Die Fernverkehrszüge von Wien nach Villach sowie von Graz bis Selzthal entfallen am Freitag. Passagiere werden gebeten, Alternativverbindungen über Salzburg oder den Nahverkehr zu benutzen. Ein Schienenersatzverkehr wurde zwischen Leoben und Friesach und zwischen St. Michael und Wald am Schoberpass eingerichtet. Auch im Güterverkehr kommt es derzeit zu Behinderungen und möglicherweise längeren Transportzeiten, so die ÖBB in einer Aussendung.

Durch entwurzelte oder umgefallene Bäume starben am Donnerstag in Österreich fünf Menschen.
Foto: APA/FF KAPFENBERG – DIEMLACH

Heftige Unwetter hatten am Donnerstagnachmittag die Stromversorgung und Bahninfrastruktur im Süden Österreichs schwer beschädigt. Die ÖBB stellte am Nachmittag den gesamten Bahnverkehr in Kärnten, Osttirol und der Steiermark ein. Ursache war ein großflächiger Ausfall der 110-kV-Bahnstromversorgung für den Bereich Kärnten und Steiermark, hieß es. (balm, simo, sefe, APA, 19.8.2022)

2,7 Grad mehr – darauf steuern wir im Moment zu. Unsere Infrastruktur ist darauf nicht ausgerichtet. Wie sehr die Klimakrise Straßen, Gebäuden und unserem Gesundheitssystem zusetzt und wie wir uns daran anpassen können.


DER STANDARD