Eingefärbtes Fotos eines noch lebenden Beutelwolfs. Nun wird ein neuer, ambitionierter Versuch unternommen, das Aussterben dieser ikonischen Tiere rückgängig zu machen.

AFP

Er war das größte räuberisch lebende Beuteltier, das bis vor kurzem auf dem australischen Kontinent lebte. War der Beutelwolf, auch als Tasmanischer Tiger bekannt, bis vor rund 3.000 Jahren in Australien verbreitet, so lebte er zuletzt nur noch auf der Insel Tasmanien. Dort wurde er nach der Besiedlung durch die Europäer so erfolgreich gejagt, dass Anfang des 20. Jahrhunderts nur noch einige wenige Exemplare in Zoos überlebten.

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Der letzte Vertreter seiner Art, der sogenannte Endling, starb vor 86 Jahren im Zoo von Hobart auf Tasmanien. Im selben Jahr wurde der Beutelwolf übrigens unter Naturschutz gestellt. Seit den 1980er-Jahren gilt das hundeähnliche Raubtier endgültig als ausgestorben – auch wenn es immer wieder angebliche Sichtungen der Tiere gab. Damit existiert der Tasmanische Tiger nur noch ausgestopft in Museen. Ein Exemplar aus dem Jahr 1905 gibt es übrigens auch im Naturhistorischen Museum Wien zu bestaunen.

Das ausgestopfte Exemplar im Naturhistorischen Museum Wien.
Foto: NHM Wien

Ambitioniertes Vorhaben

Doch wenn es nach einigen Genetikern geht, muss das noch nicht das Ende des Beutelwolfs gewesen sein: Sie wollen sein Aussterben mittels neuer gentechnischer Methoden und Fortschritten in der Stammzellforschung rückgängig machen und den Tasmanischen Tiger wieder auf seiner Heimatinsel ansiedeln, wie ein Bericht des "Guardian" verheißt.

Ein erster Versuch dieser Art war zwar 2005 gescheitert (DER STANDARD berichtete). Doch nun dürften die Chancen besser stehen: Das liegt auch daran, dass die vom Genetik-Pionier George Church (Harvard University) gegründete Firma Colossal in das Projekt eingestiegen ist, die auch an der Wiedererweckung des Mammuts arbeitet.

Öffentlich-private Partnerschaft

Ein weiterer Grund sind die besseren finanziellen Möglichkeiten: Das neue Projekt ist eine Partnerschaft mit der Universität von Melbourne, die Anfang des Jahres eine Spende von fünf Millionen Dollar erhielt, um an der genetischen Wiederherstellung des Beutelwolfs arbeiten. Schließlich haben sich die gentechnischen Möglichkeiten in den vergangenen 17 Jahren wesentlich verbessert.

Doch wie soll das ambitionierte Vorhaben gelingen? Der erste und einfachste Schritt, an dem man 2005 noch scheiterte, ist immerhin schon erledigt: Das insgesamt 30-köpfige Team hat das Genom eines konservierten Jungtiers vom Museum von Victoria sequenziert und verfügt damit in den Worten von Projektleiter Andrew Pask über "eine vollständige Blaupause" als "Bauanleitung" für das ausgestorbene Tier.

Wölfchen aus dem Mäusepelz

Im nächsten, schon etwas schwierigeren Schritt werden Stammzellen der Dickschwänzigen Schmalfußbeutelmaus, einer lebenden Spezies mit ähnlicher DNA wie der des Beutelwolfs, mit einem von Church entwickelten Gen-Editierverfahren in Beutelwolf-Zellen umgebaut – oder zumindest in die bestmögliche Annäherung an diese. Um aus den Stammzellen einen Embryo zu erzeugen, folgt dann der dritte und schwierigste Schritt: Der Embryo wird entweder in eine künstliche Gebärmutter oder in eine Leihmutter (womöglich der Schmalfußbeutelmaus) übertragen. Dafür müssen in jedem Fall neue Technologien der künstlichen Reproduktion entwickelt werden.

Pask möchte das Ziel verfolgen, Beuteltiere von der Empfängnis bis zur Geburt im Reagenzglas ohne Leihmutter zu züchten, was angesichts der kurzen Tragzeit und der geringen Größe der Beuteltiere denkbar sei. Ähnliche Versuche mit Mäusen sind bis jetzt allerdings noch gescheitert. Immerhin räumen die Forscher ein, dass die Herausforderungen der beiden Projekte groß und mehrere Durchbrüche nötig sind, um ans Ziel zu gelangen.

"Colossaler" Optimismus

Pask bezeichnete die Partnerschaft im "Guardian" als den bedeutendsten Beitrag, der jemals zur Erhaltung der Beuteltiere in Australien geleistet wurde. Er gibt sich optimistisch und denkt, dass die ersten Jungtiere in zehn Jahren geboren werden könnten. Optimismus gehört bei Colossal quasi zur DNA des Unternehmens: Ben Lamm, der Geschäftsführer und Mitbegründer von Colossal, hält es für möglich, dass die ersten Mammutkälber in weniger als sechs Jahren geboren werden könnten, um sie in der Folge in der Arktis wieder anzusiedeln. Beim Beutelwolf wäre im Erfolgsfall geplant, das Tier in einem kontrollierten Umfeld auf Tasmanien auszusetzen, um es schließlich wieder auszuwildern.

Pask betonte im "Guardian", dass die beteiligten Forscher ihre Arbeit nicht nur als Wiederbelebung längst ausgestorbener Arten sähen, sondern auch als Beitrag zur Entwicklung von Technologien, die zur Bewältigung des gegenwärtigen Artensterbens eingesetzt werden könnten. In den Worten von Pask: "Wir müssen nach anderen Technologien und neuen Wegen suchen, wenn wir den Verlust der Artenvielfalt aufhalten wollen. Wir haben keine andere Wahl. Wenn wir in den nächsten 50 bis 100 Jahren 50 Prozent der Artenvielfalt auf der Erde verlieren, wird das zu unserem eigenen Aussterben führen." (tasch, 19.8.2022)