Mehr als 45 Gemüsearten und Kräuter bauen Andreas Graf und sein Team auf einer Fläche von nur eineinhalb Hektar in der burgenländischen Leitharegion an.

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Vor einem Jahr entscheidet sich Pia Hofmann dazu, ihren Schreibtisch bei der Unternehmensberatung Trainconsulting für zwei Tage pro Woche gegen die Arbeit auf dem Feld einzutauschen. "Die Art und Weise, wie in vielen Firmen gewirtschaftet wird, ist ausbeuterisch – sowohl der Umwelt als auch den Menschen gegenüber. Ich wollte sehen, ob das auch anders geht", sagt die 32-Jährige. Auf der Suche nach Alternativen stößt Hofmann auf den Landwirtschaftsbetrieb Leithaland Gemüse und bewirbt sich kurzerhand auf die offene Stelle als Aushilfe.

Besonders überzeugt habe sie der Leitgedanke des regenerativen Landwirtschaftens, der den Betrieb prägt. "Wenn wir unser Feld einmal räumen sollten, wollen wir es in einem besseren Zustand hinterlassen, als wir es übernommen haben", sagt Andreas Graf. Vor vier Jahren gründet er gemeinsam mit Michael Konstanzer und Alfred Reder das Projekt in der burgenländischen Gemeinde Leithaprodersdorf. Der Biobetrieb arbeitet nach den Prinzipien des sogenannten Market-Gardenings.

"Die Idee ist, auf kleiner Fläche möglichst viel und verschiedene Gemüsesorten anzubauen – und das saisonal und ressourcenschonend." Was revolutionär klingt, ist kein neuer Ansatz, sondern wurde bereits vor rund 200 Jahren in Frankreich eingesetzt. "Mit nur zehn Prozent der Fläche von Paris wurde die ganze Stadt mit Gemüse versorgt", erzählt Graf. Nachdem das Konzept lange in Vergessenheit geraten war, bekommt es nun neuen Aufwind.

Verkauft wird direkt vom Feld oder auf Bauernmärkten, rund 200 bis 250 Haushalte erhalten zudem einen wöchentlichen Ernteanteil.

Nähe zur Kundschaft

Auf eineinhalb Hektar bauen die drei Jungunternehmer mehr als 45 Gemüsesorten und Kräuter an. Verkauft wird direkt vom Feld oder auf Bauernmärkten, rund 200 bis 250 Haushalte erhalten außerdem einen wöchentlichen Ernteanteil von Anfang Juni bis Mitte November. Durch den direkten Verkauf könne man die Nähe zur Kundschaft besser aufbauen, sagt Graf. Zwar gibt es auch die Möglichkeit, die Ernteanteile geliefert zu bekommen, viele würden aber auch mit dem Rad auf dem Feld vorbeikommen, um sich ihre Gemüsekiste selbst abzuholen.

Ein weiterer Punkt, der Graf als Unternehmer wichtig ist, sei eine angemessene Entlohnung. "Wenn ein Kilo Kohlsprossen im Supermarkt 1,50 Euro kostet, bleibt für die Beschäftigten auf dem Feld eigentlich nichts mehr übrig", sagt er. Und genau hier komme die Kundennähe ins Spiel: "Nicht nur ich kenne meine Kundinnen und Kunden, sondern sie auch mich, und sie wissen, dass sie mit ihrem Geld nicht nur das Biogemüse vom Feld bezahlen, sondern irgendwann auch den Skikurs für mein Kind."

Als Pia Hofmann im letzten Jahr in den Betrieb stößt, merkt sie schnell: Davon können auch andere Unternehmen, die Produkte herstellen, lernen. Dafür müssten sie sich aber von dem Ziel lösen, immer weiterwachsen zu wollen. "Das ist natürlich ziemlich konträr zu dem, was wir sonst in Unternehmen sehen. Dabei wäre ein Umdenken nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll", findet Hofmann. Ihrer Einschätzung nach müsse das ökonomische Handeln auf kleinere Strukturen zurückkommen und gleichzeitig näher an die Konsumentinnen und Konsumenten gelangen, um langfristig erfolgreich zu sein. "Erfolg bedeutet dann, dass zwar die Gewinne irgendwann nicht mehr rasant steigen, dafür aber die Lebensqualität", sagt sie.

Seit 2018 sind Alfred Reder, Michael Konstanzer und Andreas Graf als Landwirte in der burgenländischen Leitharegion tätig.

Mehr als Wachstum

Und was sieht Erfolg für Andreas Graf und sein Team aus? "Keiner von uns will Millionär werden. Wir wollen kein größeres Feld, mehr Mitarbeiter oder einen weiteren Standort. Wenn aber andere Landwirtschaftsbetriebe so arbeiten wie wir, wäre das ein Gewinn." Ein großes Ziele habe man sich aber dennoch gesetzt: "Wir wollen unseren Betrieb so weit optimieren, dass wir mit möglichst wenig Fläche und Arbeitszeit für den größtmöglichen Output sorgen." In der Hochsaison im Sommer verbringe er zwischen 40 und 45 Stunden pro Woche auf dem Feld. "In Zukunft möchte ich meine Arbeit in nur 35 Stunden erledigen", sagt der Landwirt.

Heuer hilft Hofmann zwar nicht mehr auf dem Feld aus, auf ihre Zeit im Betrieb blickt sie aber gerne zurück: "Nach einem Tag auf dem Feld bin ich zwar richtig müde, aber mit einem Gefühl von Erfüllung und Sinn nach Hause gegangen. Das Höher-schneller-weiter-Prinzip ist für viele Menschen nicht mehr erstrebenswert – sowohl im Job als auch in puncto Konsum." Auswirkungen von Krieg und Inflation haben sich im Betrieb bislang nicht bemerkbar gemacht. Im Gegenteil, sagt Graf: "Wir haben trotz eines langsamen Starts heuer sogar mehr Ernteanteile verkauft als im Vorjahr. Mal sehen, was das nächste Jahr bringt." (Anika Dang, 23.8.2022)