In Kärnten und in der Steiermark hinterließen die heftigen Sturmwinde viele Haushalte ohne Strom.
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Die gestrigen Unwetter unterbrachen Bahnstrecken, sorgten für ein Verkehrschaos, verwüsteten ganze Landstriche – und kosteten fünf Menschen das Leben, darunter zwei Kindern. Dabei berichten Augenzeugen von einem ungewöhnlichen Wettergeschehen: Wie aus dem Nichts sei der Sturm gekommen, die üblichen Vorzeichen wie ferner Donner oder bedrohlich dunkle Wolkentürme fehlten.

Obwohl die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) für große Gebiete des Landes eine Gewitterwarnung ausgesprochen hatte, überrascht die Heftigkeit des Gewitters. Der plötzlich einsetzende Sturm erreichte Windgeschwindigkeiten von 139 Stundenkilometern. Dabei hatten die Menschen kaum Zeit, vor diesem Sturm Schutz zu suchen. Der Verdacht liegt nahe, dass solche plötzlichen und starken Unwetter mit dem Klimawandel zusammenhängen.

Auswirkungen des Klimawandels

Der Klimawandel hat tatsächlich einen Einfluss auf das Wettergeschehen: Einerseits kann die wärmere Atmosphäre mehr Wasserdampf aufnehmen. Der Dampf speichert aber die Energie, die dann in Form von Gewittern freigesetzt wird. Daher erwarten Fachleute, dass Gewitter in Zukunft heftiger ausfallen werden.

Andererseits sorgt der Klimawandel dafür, dass hierzulande ungewöhnlich trockene Luftmassen vorherrschen. Das kann Sturmwinde begünstigen, wie sie gestern über große Teile des Landes hinwegfegten: "Die trockene Luft führt dazu, dass Niederschlag aus einer Gewitterwolke gar nicht am Boden ankommt, sondern noch in der Wolke verdunstet", sagt Alexander Orlik von der ZAMG zum STANDARD. "Dieser Prozess entzieht der Umgebungsluft jedoch Wärme, wodurch die Temperatur sehr stark sinkt. Diese kalte Luft fällt dann wie ein Wasserfall aus der Wolke heraus und erzeugt starke Böen."

Auch in Niederösterreich richtete der Sturm Schäden an, zerstörte Oberleitungen und unterbrach so den Zugverkehr.
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Rasende Sturmfront

Die Plötzlichkeit des Gewitters ist dagegen keine Auswirkung des Klimawandels. Die Driftgeschwindigkeit des Unwetters hängt davon ab, wie die Gewitterfront zu den Strömungen der oberen Luftschichten steht. Ist die Strömungsrichtung etwa parallel zur Gewitterlinie, kommt das Unwetter nur langsam voran, regnet dafür aber lokal stark ab. Im umgekehrten Fall, wenn die Gewitterfront senkrecht auf die Strömungen steht, kann sie durchaus so schnell werden wie das Gewitter, das gestern Österreich traf. Das sei an sich nicht ungewöhnlich, sagt Orlik.

Außergewöhnlich hingegen ist ein Phänomen, das die Unwetter mit sich brachten: eine sogenannte Böenlinie. Dabei zieht die Kaltfront, die aus den Gewitterzellen ausfließt, der Unwetterfront voraus und kann zehn Minuten vor Einsetzen des Gewitters bereits heftige Sturmwinde verursachen. Diese zeitliche Versetzung erklärt, warum so viele Menschen vom Sturm überrascht wurden.

Im Freien durch den Sturm

Doch was tun, wenn man im Freien in ein Unwetter gerät? Das Wichtigste ist zunächst, einen Unterschlupf zu finden. Gebäude oder Fahrzeuge bieten einen gewissen Schutz gegen Hagel, Wind und Blitze. Doch ist darauf zu achten, dass die Gebäude dem Wind keine große Angriffsfläche bieten: Schindeln können vom Dach gewirbelt werden, um zu gefährlichen Geschossen zu werden, und im Extremfall können Gebäude auch einstürzen.

Alleinstehende Bäume bieten jedenfalls keinen guten Unterstand. Egal ob es nun Eichen oder Buchen sind: Einzelne Bäume ziehen Blitze an. Doch auch in der Gruppe sind sie nicht sicherer: Bei Sturm läuft man im Wald Gefahr, von umstürzenden Bäumen oder herabfallenden Ästen verletzt zu werden. Dort ist der sicherste Ort eine Lichtung. Allerdings ist man dort den Naturgewalten ungeschützt ausgesetzt.

Auf der Lichtung gilt wie in jedem offenen Gelände: Bei Gewitter so klein wie möglich machen: Am besten ist es, eine Senke zu suchen, auf den Zehenballen in die Hocke gehen, wenn vorhanden auf einem isolierenden Gegenstand, wie etwa dem Wanderrucksack. So zusammengekauert ist das Risiko, von herumfliegenden Gegenständen getroffen zu werden, auch viel kleiner.

Die Unwetter knickten unzählige Bäume um. Die umstürzenden Bäume wurden fünf Menschen zum Verhängnis.
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Wettermodelle mit Unsicherheit

Freilich bietet keine dieser Maßnahmen absolute Sicherheit. Darum ist es vor allem wichtig, nicht in eine solche Situation zu kommen. Dabei hilft auch ein bewussterer Umgang mit Wettervorhersagen. Viele Wetter-Apps etwa stellen ihre Prognosen als Tatsachenbehauptungen dar: Auch wenn es wissenschaftlich kaum möglich ist, das Wetter seriös für mehr als ein paar Tage vorherzusagen, zeigen die Apps stets bunte Wettersymbole und Temperaturangaben an – ohne die Unsicherheit dieser Werte darzustellen.

Um sich ein besseres Bild der Wetterlage zu machen, empfiehlt es sich daher, auf mehrere Quellen zurückzugreifen und die Vorhersagen verschiedener Apps und die Prognosen aus Zeitungen, Funk und Fernsehen zu vergleichen. Manche Wetter-Apps bieten auch die Möglichkeit, die Vorhersagen mehrerer Wettermodelle anzuzeigen. So verwenden viele Apps die Gratisdaten aus dem amerikanischen GFS-Modell, das jedoch für kleinräumige Vorhersagen in Europa nicht so aussagekräftig ist wie europäische Wettermodelle.

Auch kann es sich lohnen, auf Erfahrungswerte zurückzugreifen: Hüttenwirtinnen und -wirte etwa kennen oft das Wetter ihrer Region gut. Folgen Sie ihrem Rat, sitzen Sie im Zweifelsfall gemütlich in der Stube, während draußen die ersten Tropfen fallen. (Dorian Schiffer, 19.8.2022)