Online-Gaming kann stressig sein.

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Eigentlich hatte ich Call of Duty, Battlefield und Co ja schon den Rücken gekehrt. Das alljährliche Aufleveln von Charakteren und Waffen frisst inzwischen einfach zu viel Zeit – die ich selbst dann nicht mehr aufwenden wollen würde, wenn ich sie hätte. Aber nicht nur das: Von Jahr zu Jahr scheint meine Reaktionszeit abzunehmen, während jene meiner Opponenten konstant zunimmt. Ein Leid, das mein Kollege Alexander Amon bereits in einer Berufsspieler-Kolumne beklagte.

Aber zurück zum Thema: Die Multiplayer-Modi der genannten Ego-Shooter haben mich für viele Jahre meiner Jugend begleitet und bestens unterhalten. Gemeinsam mit Freunden und Geschwistern versuchte ich stets, an die Spitze der Rangliste zu klettern. Wie viele Nachmittage ich in Wirklichkeit in virtuellen Kämpfen verbracht habe, will ich gar nicht wissen.

Die Faszination ist mit der Zeit allerdings verlorengegangen, wohl auch deshalb, weil die Genugtuung mit jedem Rundensieg dahinschwand. Und seien wir uns einmal ehrlich: Die meisten Spiele erzählen eine interessantere Geschichte, haben eine liebevoller gestaltete Welt als die üblichen Verdächtigen aus dem Hause Activision und EA. Ganz abgesehen davon, muss man sich in Singleplayer-Games nicht mit wütenden 13-Jährigen auseinandersetzen, die einen per Voice-Chat beschimpfen.

Richtiger Ort zur richtigen Zeit

Doch dann kam das Coronavirus, der erste Lockdown – und mit ihm der Release des kostenlos spielbaren Battle-Royale-Shooters Warzone. Dieser gab Videospiel-Enthusiasten die Möglichkeit, zumindest im virtuellen Raum Zeit mit Freunden zu verbringen, mit ihnen zu plaudern und ein (meist) unterhaltsames Spiel zu spielen. So absurd das für viele klingen mag: Immer wieder hörte man seither in Online-Foren, von Youtubern und Freunden, dass Warzone in schwierigen Zeiten für sie eine wichtige Ablenkung war.

Klar, das sind allesamt nur anekdotische "Beweise". Ein Blick auf die Statistiken scheint das allerdings zu bestätigen. Im März 2020 sahen noch mehr als 96 Millionen Menschen Twitch-Streamern dabei zu, wie sie das Spiel bestritten. Im Juli dieses Jahres waren es nur noch 29 Millionen. Eine ähnliche Entwicklung kann man auch bei den Spielerzahlen erkennen.

Nostalgie oder Masochismus

Falls das nach diesen Ausführungen noch nicht klar sein sollte: Auch mich konnte Activision damals wieder einfangen. Und tatsächlich schaffte es das Spiel für einige Zeit, mich mit demselben Zauber zu belegen wie damals. Wenn mich aber jemand fragen würde, ob während des Spiels eher Spaß oder Stress überwiegen, könnte ich nicht unbedingt mit "Spaß!" antworten. Zu oft treiben mich technische Probleme, im Gebüsch versteckte Gegenspieler – oder aber meine Unfähigkeit – in den Wahnsinn.

Trotzdem entscheide ich immer wieder dafür, meine Xbox anzuschalten und in ein neues Match einzusteigen. Warum? Das weiß ich nicht genau. Vielleicht ist es Nostalgie, vielleicht auch Masochismus. (Mickey Manakas, 22.8.2022)