Foto: Screenshot/Deep Silver

Im Gegensatz zu Spielen wie "GTA" kann man den Avatar auch für die Story des Spiels selbst gestalten.

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Via Handy hat man Zugriff auf alle wichtigen Funktionen.

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Die Anzahl an unterschiedlichen Waffen ist beeindruckend.

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Oftmals muss man auf einem Fahrzeug liegend anstürmende Horden besiegen.

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Riesendildos als Schlagwaffen, die Größenverstellbarkeit der primären Geschlechtsmerkmale und flache Witze auf genau diesem Niveau haben im Jahr 2006 den potenziellen "GTA"-Konkurrenten "Saints Row" ausgezeichnet. Wissend, dass man mit dem großen Vorbild der Gangster-Simulationen weder in Sachen reale Großstadtsimulation noch im generellen Umfang mithalten kann, versuchte man diese Nachteile mit überdrehtem Humor und spektakulären Missionen auszugleichen. Was bis 2015 tatsächlich in einer Handvoll Spielen einigermaßen gelang, findet in der Neuauflage leider ein nur mittelmäßiges Nachfolgespiel.

Der Charakter-Editor lässt kaum Wünsche offen.
Foto: Deep Silver

Zwischenfazit: Dixi-Klo

Der Reboot wirft die Spielerin oder den Spieler zunächst in einen Auswahlbildschirm, bei dem man seinen durchaus kreativen Avatar erstellen kann. Weder Geschlecht noch Hautfarbe oder eben die Größe der Geschlechtsmerkmale kennen oftmals geltende Gesetze. Egal, wie man sein virtuelles Ebenbild gestaltet, dieses wird im Intro des Spiels als Boss der Gangster-Clique Saints vorgestellt. Wie man dahin gelangt und warum man im Intro des Spiels lebend begraben wird, gilt es in den folgenden rund 15 bis 25 Stunden herauszufinden.

Man kann tatsächlich nicht behaupten, dass es den Entwicklern von Volition an witzigen Ideen für ihr Spiel gemangelt hätte. Hängt man in einer Mission an einem Jet und schießt von dort auf Feinde, verfolgt man im nächsten Moment einen schwer bewaffneten Zug und hat in einer anderen Mission ein Dixi-Klo am Wagen hängen, weil man den darin befindlichen Gangster zu einem Geständnis zwingen will. Auch so manche Textpassagen im Spiel sind unterhaltsam und von Anspielungen auf Popkultur, ältere Teile oder die Weltpolitik durchtränkt.

Durch diese Überdrehtheit ergeben sich allerdings auch Probleme. Die von unserem Avatar zusammengetrommelte Crew ist megahip, witzig – und doch zögert sie nicht, dutzende Feinde mit einer Schrotflinte wegzublasen. Ob man sich daran stößt, dass Gewalt im Spiel generell immer als Popcorn-Event inszeniert ist und niemals in irgendeiner Form hinterfragt wird, ist persönlicher Geschmack. Kann man damit wenig anfangen, ist man wohl in den meisten aktuellen Hollywood-Filmen und auch in diesem Spiel völlig falsch.

Saints Row

Durchschnitt

Aber auch sonst knallt das Spiel in keiner Kategorie so richtig. Dem Genre entsprechend schießt man viel, etwa bei Verfolgungsjagden oder anderen Scharmützeln, die sich oftmals auch zufällig ergeben, wenn man etwa ein Gang-Vehikel auf der Straße rammt. Obwohl ein großes Arsenal im Laufe des Spiels in die eigene Waffenkammer wandert, irgendwie fühlt sich alles sehr ähnlich an, und das Schlimmste ist: Das Wumms beim Schießen fehlt. Ähnliches gilt für das Fahrverhalten der zahlreichen Fahrzeuge, angefangen vom Motorrad bis hin zum Monstertruck. Fahrphysik ist nur sehr peripher vorhanden, und so driftet man gefühlt ein Matchbox-Auto durch die staubigen Straßen.

Auch technisch ist "Saints Row" ein unangenehmer Schluckauf. Manche Szenerien erinnern an die ersten Tage der Playstation 4, holprige Animationen und gelegentliche Grafikfehler tun ihr Übriges, dass man sich zumindest auf der PS5 oder Xbox Series X/S fragt, wozu man aktuelle Hardware im Zimmer stehen hat. Zudem präsentiert sich ein seit Jahren ausgelutschtes Spielkonzept, das an die Ubi-Formel erinnert und neben den zugegebenermaßen spaßigen Hauptmissionen vor allem dröges Abarbeiten der ewig gleichen Aufgaben erfordert. Eine Fotoschatz-Suche, das Einsammeln von Drogenpaletten oder ein flotter Wingsuit-Flug mögen ein- bis zweimal unterhalten, spätestens beim fünften Mal lässt man gern die Finger davon.

All diese Dinge trüben so manch interessante Idee der Entwickler. So kann man im Gegensatz zu vielen Konkurrenten im Genre Gebiete übernehmen und Geschäftslokale am Laufen halten. Auch die Spezialfähigkeiten, die man im Laufe des Spiels erlernt, bringen Abwechslung in die Kämpfe. Schicke Nahkampfmanöver oder auch der Einsatz von Rauchgranaten beziehungsweise Sprengstoff lassen sich zusätzlich zu den Standardfunktionen einsetzen, was speziell in größeren Scharmützeln das eigene Überleben sichert.

Wirklich spaßig ist die Idee – welche die Serie allerdings auch in der Vergangenheit bereits beherrschte –, jederzeit einen Freund oder eine Freundin ins Spiel einzuladen. Dann können sowohl die Story als auch sämtliche Nebenmissionen gemeinsam erlebt werden, was tatsächlich den Spaßfaktor etwas nach oben schiebt. Letztlich scheitert aber auch diese kooperative Erfahrung an der Durchschnittlichkeit des Spiels.

Vom Panzer bis hin zum Hoverboard darf der Spieler alles benutzen, was er in der Welt findet.
Foto: Deep Silver

Fazit

Es wäre unfair zu sagen, "Saints Row" ist das Batgirl der jüngsten Spielegeschichte und hätte trotz fertiggestellter Produktion nie erscheinen sollen. Es kann wirklich sein, dass so manchen gutmütigen Spieler der Humor, der Koop-Modus und das abgedrehte Waffenarsenal ausreichend Spaß beschert, um 70 Euro zu rechtfertigen. Objektiv betrachtet ist "Saints Row" aber ein sehr durchschnittliches Spiel geworden, das mit mehr Feinschliff an vielen Stellen viel mehr hätte sein können. Vor 15 Jahren hätte man wohl gesagt, "it's worth a rental", aber meines Wissens haben die meisten Videotheken mit Videospiel-Verleihoption ihren Dienst eingestellt. So würde ich persönlich allen Open-World-Fans empfehlen, auf die erste Preissenkung zu warten, und alle anderen können ein paar Euro für den starken Spiele-Herbst aufsparen.

Das Spiel erscheint am 23. August 2022 für Playstation 4, Playstation 5, Xbox One, Xbox Series und im Epic Games Store für Windows-PC. Das Testmuster für PS5 wurde von Koch Media zur Verfügung gestellt. (Alexander Amon, 22.8.2022)