Ob bei Nacht oder bei Tag: In Bussen der Wiener Linien darf offiziell nur Handgepäck befördert werden. Eine Auseinandersetzung über diese Regelung führte einen verhinderten Fahrgast vor Gericht.

Foto: Robert Newald

Wien – Die Wiener Linien wollen im Jahr 2024 einen Pilotversuch starten, bei dem Straßenbahnpassagiere Pakete auf ihrer Fahrt transportieren sollen. Für Bernhard A. kommt der Test zu spät: Sein Versuch, am 9. April in Wien-Floridsdorf einen Linienbus mit seinen auf einer Rodel transportierten Einkäufen aus einem Möbelhaus zu benutzen, endet mit einer Anklage wegen gefährlicher Drohung vor Richterin Nicole Rumpl.

"Bekennen Sie sich schuldig, nicht schuldig oder teilweise schuldig?", stellt Rumpl dem 51-jährigen Arbeiter die Standardfrage zu Beginn seiner Einvernahme. "No jo, sog ma teilweise schuldig", meint der zweifach einschlägig Vorbestrafte dazu. Er sei mit seiner damaligen Lebensgefährtin einkaufen gewesen, das große Paket sei sicher mit Spanngurten auf dem Transportgerät gesichert gewesen, beteuert er. Der Buschauffeur sah das offenbar anders: "Steigt's aus, es Hurnkinda!", habe der Mann geschimpft, echauffiert sich der Angeklagte.

"Am Vortog bissl fort"

Das wollte er sich nicht gefallen lassen, also habe er dem Lenker beschieden: "Waunst des nu amoi sogst, ziag i di an de Ohan aussa!", habe A. gekontert, gesteht er ein. Außerdem beharrt er auch vor Gericht darauf, dass die Beförderungsverweigerung nicht rechtens gewesen sei – was sich allerdings in den Beförderungsbedingungen der Wiener Linien so nicht findet, die gestatten nur Handgepäck. Der Angeklagte bietet Rumpl noch eine andere Erklärung für seine unwirsche Reaktion: "I woar am Vortog a bissl fort, wissen S' eh." Außerdem habe seine Mutter gesundheitliche Probleme gehabt, es sei nicht sein Tag gewesen.

Der Disput endete in einer Pattsituation, bis der Fahrer die Polizei verständigte. Die beiden Beamtinnen wollen im Zuge der Amtshandlung gehört haben, dass A. im Abgang noch sagte: "Des kennts dem Woarmen ausrichten, wenn mia uns vor Gericht segn, is sei Gsicht gschwoin." Die abfällig formulierte Einschätzung der sexuellen Orientierung bestreitet der Angeklagte nicht. Der 51-Jährige sieht sich aber auch hier im Recht: "Er hod uns vorher Hurnkinda gnennt. Des tuat mehr weh als Woarma!", stellt er eine klare transdanubische Insultierungshierarchie auf.

Warnende Außendurchsage

Der 52-jährige Buschauffeur erzählt die Geschichte als Zeuge etwas anders. Er habe den Angeklagten und seine Begleiterin bereits beim Zufahren zur Haltestelle gesehen, mit einer Außendurchsage habe er noch vor der Freigabe der Türen bekanntgegeben, dass man mit der Transportrodel nicht zusteigen dürfe. Nutzte nichts, das Paar stieg trotzdem ein.

Er habe sie nochmals zum Aufsteigen aufgefordert, erinnert der Zeuge sich, was A. mit: "Du Oaschloch, du Wichsa, du schreist ned mit meina Frau!" quittiert habe. Der Angeklagte sei ausgestiegen, in Richtung Fahrertür gelaufen und habe gebrüllt: "I zah di au de Eia ausm Bus und schlog da in die Goschn! I schlog die deppad!" Die etwas überraschende Reaktion des Lenkers: "Ich bin zur Abschreckung aufgestanden und habe gesagt: 'Do steh i. Zahns mi aussi!' Das hat gewirkt, der Herr hat dann Abstand gehalten", erklärt der ehemalige Berufssoldat der Richterin. "Ich selbst habe mich nicht bedroht gefühlt", stellt er auch klar. Um eine mögliche Gefährdung der Fahrgäste auszuschließen, habe er aber seinen Vorgesetzten alarmiert, der dann die Polizei verständigte.

Herzliche Entschuldigung

Nachtragend ist der Zeuge aber nicht. "Wenn Sie sich bei mir entschuldigen wollen, würde ich das annehmen", erklärt er. A. entschuldigt sich daraufhin per Handschlag, klopft dem Zeugen noch auf die Schulter und bietet einen privaten außergerichtlichen Tatausgleich an: "Gemma amoi auf an Kaffee!"

Die von der Polizei notierte Drohung mit dem geschwollenen Gesicht hat der Zeuge nicht gehört. Auch sein Vorgesetzter nicht, der kurz nach der Exekutive am Vorfallsort eintraf. "Der Beschuldigte gab in seiner Umgangssprache bekannt, dass er Herrn Diplomingenieur Steinbauer (Vorsitzender der Wiener-Linien-Geschäftsführung, Anm.) persönlich kenne", schrieb dieser Zeuge später in seine Meldung. Da auch er den Zustieg mit der Rodel verweigerte, habe A. ihm prophezeit, dass er zwei Wochen in den Krankenstand müsse. "Haben Sie sich gefürchtet?", will die Richterin vom Vorgesetzten wissen. "Nein." – "Wollte der Angeklagte, dass Sie sich fürchten?" – "Ja."

Angeklagter bittet um Geldstrafe

Rumpl kündigt am Ende an, dass die Voraussetzungen für Strafschärfung bei Rückfall vorliegen würden, da A. in den Jahren 2017 und 2020 bereits einschlägige Vorstrafen erhalten hätte. Der ohne Verteidigerin erschienene Angeklagte wünscht sich in seinem Schlusswort eine Geldstrafe, um seinen Arbeitsplatz nicht zu verlieren.

Die Richterin erfüllt ihm diesen Wunsch nicht, sieht keine milieubedingten Unmutsäußerungen, glaubt dem Zeugen und verurteilt den Angeklagten zu neun Monaten, drei davon unbedingt. Auch wenn sich die Betroffenen selbst nicht gefürchtet hätten, seien die Äußerungen bei anderen dazu geeignet, Furcht und Unruhe hervorzurufen, begründet sie. Eine Fußfessel sei für die drei Monate unbedingt grundsätzlich möglich, darüber würde aber die Justizanstalt entscheiden, belehrt sie den Angeklagten.

Der steht unter Schock und nimmt diese Erläuterung zunächst nicht zur Kenntnis: "Des gehd ned, des hoid i ned aus!", stammelt er geschockt. Er glaubt nämlich, direkt vom Verhandlungssaal in Strafhaft geführt zu werden. Erst als Rumpl ihm den Fristenlauf erklärt, ist A. erleichtert: "Muass i heid ned dobleibm?", fragt er sicherheitshalber nach. Da das so ist, akzeptiert er die Entscheidung ebenso wie die Staatsanwältin, vor Freude verabschiedet sich der Angeklagte noch mit Handschlag von allen Anwesenden. (Michael Möseneder, 22.8.2022)