Vielen Gastronomen laufen die Kosten davon, manchen auch die Gäste, denen gesalzene Preise im Magen liegen.

Foto: Matthias Cremer

"Nachmittags ist hier tote Hose. Die Leute klopfen nicht einmal mehr ans Fenster, um zu sehen, ob wir offen haben." Die Inhaberin eines Kaffeehauses im Murtal beugt sich über die Theke und deutet resigniert vor die Tür ihres Betriebs. Von sieben Uhr früh bis 18 Uhr bewirtete ihre Familie die Gäste sechs Tage die Woche mehr als 20 Jahre lang. Nun sperrt sie um 14 Uhr zu.

Jugendliche und die Senioren frühstückten gerne bei ihr. Familien mit Kindern aber blieben aus. "Nur zum Ratschen auf ein Bier oder einen Spritzer kommt keiner mehr. Die meisten sitzen am liebsten allein am Tisch." Gehe es während des Motorrad-Grand-Prix im nahen Spielberg doch einmal hoch her, habe sie alle Hände voll zu tun. Statt zu acht schupfen sie den Betrieb nun zu viert. Eineinhalb Jahre suchte sie Kellner. "Niemand hat sich beworben, obwohl wir sonntags freigeben."

"Billiges Bier aus dem Supermarkt"

Der Jugend fehle halt jede Liebe zur Gastronomie, seufzt ein Wirt am Hauptplatz einer steirischen Bezirksstadt. Aber wen wundere es, "das Konsumverhalten hat sich seit der Corona-Krise völlig verändert." Seinen Betrieb am Leben erhielten nur Touristen, meint er mit Blick auf ein paar Radler, die sich im Gastgarten stärken. Viele Stammgäste hätten sich in der Pandemie im eigenen Keller eine Hausbar eingerichtet, kauften sich billiges Bier im Supermarkt und feierten mit den Nachbarn.

Sonntags sei er hier der Einzige, bei dem man noch essen könne. Die Jahre, in denen sich in der Altstadt ein Beisel neben dem anderen drängte, seien lange vorbei. Sein Mitbewerber vis-à-vis, ein gediegener, alteingesessener Traditionsbetrieb, kocht nur noch vier Tage die Woche auf. Er selbst sperre künftig abseits der Saison von Oktober bis April zu, kündigt der Wirt an. "Für die Gemeinde wird das ein harter Schlag." Er ist sich sicher, dass Österreichs Gastronomie den Bach runtergehe. "Kein gutes Zeichen für ein Tourismusland."

Im September erhöht er seine Bierpreise, weil auch die Brauer mehr von ihm kassieren – und stellt sich auf laute Beschwerden ein. "Doch mache ich es nicht, gehe ich pleite."

Der Betreiber eines Eissalons ums Eck wagt dies nicht, obwohl ihm die Kosten für Kaffee und Milch davongaloppieren, wie er sagt. "Die Leute haben weniger Geld und konsumieren nur noch das Allernötigste." Seine Stammgäste verzichteten auf den zweiten Kaffee. Kindern werde zwar die Kugel Eis gegönnt, mehr als 1,50 Cent dürfe diese jedoch nicht kosten. "Selbst um zehn Cent höhere Preise sind bei uns hier derzeit einfach nicht drinnen."

Weniger fürs gleiche Geld

Er spüre die Krise vor allem beim sinkenden Trinkgeld, erzählt der Inhaber eines Imbissgeschäfts der gleichen Stadt. Der Ärger der Kunden über eine Preiserhöhung von 50 Cent sitzt ihm noch in den Knochen. Um von den weiter gestiegenen Kosten nicht erdrückt zu werden, bleibe ihm nun wenig anderes übrig, als die Portionen zu reduzieren.

Ein Drittel der Gastronomen in Österreich klagt über deutliche Umsatzrückgänge, erhob eine Umfrage der Branche jüngst. Probleme, Preissteigerungen durchzusetzen, gebe es vor allem abseits touristischer Regionen. So mancher Wirt werde durch hohe Kosten für Energie und Lebensmittel in die Enge getrieben, warnte Gastronomieobmann Mario Pulker.

An quirligen kulinarischen Hotspots wie der Ecke in der Praterstraße rund um Mochi, Café Ansari oder Ramasuri in der Leopoldstadt spürt man jedoch wenig davon, dass die hohen Preise den Gästen die Laune verderben. Die Gastgärten in dieser lauschigen Insel nahe dem Donaukanal sind meist gut gefüllt. Das Publikum, das es hierhertreibt, schaut nicht zuerst aufs Geld.

Hipp und zahlungskräftig

Die Österreicher seien wohl gut darin, unerfreuliche Umstände beiseitezuschieben, sagt Martin Schüssler, Küchenchef des Ramasuri gut gelaunt. Nein, unterbeschäftigt sei er nie. Hier, unweit des Luxushotels Sofitel, zielt man auf hippes, zahlungskräftiges Publikum ab. Auch Touristen kommen gern vorbei. Die Gastronomie boome an Orten wie diesen, ist Schüssler mit Blick auf die bunten Sessel in den von Blumentrögen eingerahmten Gastgärten überzeugt. Die Konkurrenz habe es wohl nicht so leicht, meint er und weist er auf ein Lokal an der gegenüberliegenden Straßenseite, an der Autos Richtung Praterstern vorbeibrausen.

Kaum einen Kilometer entfernt im Schanigarten eines Straßencafés in der Landstraßer Hauptstraße herrscht wenig Betriebsamkeit. Gerade einmal ein Tisch ist am Vormittag besetzt. Es wird gefrühstückt. Zumindest ein bisschen, denn die stark gestiegenen Preise liegen den wenigen Gästen im Magen.

15 Euro fürs Frühstück

Eine gut gekleidete junge Frau mit schickem Kurzhaarschnitt zeigt auf ihre Kipferl. 15 Euro koste ihre Frühstück, und das ohne Kaffee. Ihre Begleiter schütteln den Kopf, sie wollten sich das nicht leisten. "Wir verdienen ja nicht schlecht", heißt es in der Runde, "aber da passen die Preise nicht mehr mit dem Gebotenen zusammen."

Den Genuss überwiegen sieht Barbara Holzapfel, die das Bierhotel Loncium mit Brew Pub in der Kärntner Marktgemeinde Kötschach-Mauthen führt. Viel mehr aufs Geld geschaut bei Essen und Trinken werde ihrer Erfahrung nach nicht, meint sie. "Vielmehr scheint es so, dass jeder raus will, um das, was in den vergangenen Jahren wegen der Lockdowns nicht möglich war, nachzuholen." Vielleicht auch, weil niemand wisse, wie es im Herbst weitergehe, wie sich die Teuerung im nächsten Jahr auswirke. "Es ist, als ob alle noch einen schönen Sommer haben wollen."

Fehlende Mitarbeiter

Der Gastgarten des Lokals mit knapp 80 Plätzen ist voll, Nussbäume spenden Schatten und halten Insekten fern. Die angeschlossene Biermanufaktur, in der Holzapfels Mann Alois Planner mit neuen Sorten experimentiert, ist ein Magnet auch für die lokale Bevölkerung, genauso die Küche. Die Teuerung treffe sie genauso wie alle anderen, sagt Holzapfel: "Ich kann die Preise aber nicht von heute auf morgen erhöhen, gerade auf dem Land nicht, wo auch viele einheimische Gäste einkehren."

Die Zimmerpreise habe man nach umfassender Renovierung um rund acht Prozent angehoben, die Speisen im Schnitt um weniger als fünf Prozent. Für den Winter müsse neu kalkuliert werden. Noch mehr als die Teuerung machen aber auch ihr fehlende Mitarbeiter zu schaffen. Holzapfel: "Ich weiß nicht, wie das Ganze weitergeht. Wenn man familienintern schon alle Ressourcen ausreizen muss, wird es irgendwann schwierig."

Viele Jahre gut verdient

Nicht klagen will Fabio Giacobello, auch wenn ihn angesichts seiner jüngsten Stromrechnung fast der Schlag getroffen habe und sich seine Einkaufspreise für Fisch wie Fleisch extrem erhöhten. Der gebürtige Italiener zieht mit seinem Fabios in der Wiener Innenstadt betuchte Klientel an und macht keinen Hehl daraus, dass es dieser nach wie vor nicht an Geld fehle. Russen seien zwar kaum noch bei ihm zu Gast. Dafür ließen es sich viele Amerikaner, Deutsche und Ukrainer schmecken.

Neid hinsichtlich der staatlichen Corona-Hilfen hält er nicht für angebracht. "Wer subventioniert wurde, hat zuvor auch viele Steuern bezahlt."

Klar, auch bei ihm werde angesichts der rasanten Teuerung nun mehr Wein offen als in Flaschen konsumiert. Und bei vielen Fixkosten, wie jenen für Strom, die sich verdreifachten, seien ihm die Hände gebunden: Essen bei Kerzenschein sei ja lieb und schön. Aber letztlich wolle ein Gast sehen, was er esse.

Grund für Unzufriedenheit gebe es in der gehobenen Wiener Gastronomie dennoch nicht, sagt Giacobello. "Wir haben viele Jahre lang sehr gut gelebt. Jetzt verdiene ich lieber weniger, als dass mir wie den Menschen in der Ukraine Bomben um die Ohren fliegen." (Verena Kainrath, Regina Bruckner, Günther Strobl, 23.8.2022)