Am Mittelmeer und in anderen heißen Regionen kam es in diesem Sommer bereits zu mehreren Waldbränden.
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Wien – Für wetterfühlige Menschen waren die vergangenen Tage eine Hochschaubahn der Gefühle: extreme Hitze- und Trockenphasen, unmittelbar gefolgt von Temperatursturz und Starkregen. Angesichts des Klimawandels werden wir uns aber gerade an das Stakkato solcher Wetterextreme gewöhnen müssen.

Eine Region, die wettertechnisch durchaus einflussreich ist, ist das Mittelmeer: Die Wärme trieb in den vergangenen Tagen immer wieder Unwetter nach Österreich. Andererseits kämpft die Region seit mehreren Monaten mit Trockenheit. Wie ein Expertenbericht zeigt, ist aber ein weitaus größerer Teil der Europäischen Union von Dürre bedroht – nämlich mit 47 Prozent nahezu die Hälfte des EU-Gebiets.

Ertrag geht zurück

Wegen fehlender Niederschläge herrsche daher auf 17 Prozent des Gebiets im Monat August bereits Alarmzustand, der sich auf Vegetation und Ernteerträge auswirke, teilt die Europäische Dürrebeobachtungsstelle mit. Sie gehört zur Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission. Im Juli war das Risiko für extreme Trockenheit bereits ähnlich hoch.

Besonders heftig gestalte sich die Lage etwa in Teilen Portugals, in ganz Spanien, Südfrankreich, Mittelitalien und Süddeutschland, teilen die Wissenschafterinnen und Wissenschafter mit. Hinzu komme auch ein großer Teil Zentral- und Osteuropas: Die Slowakei, Ungarn und Rumänien leiden ebenfalls unter der Trockenheit. Hitze und Dürre dürften auch für Ernteeinbußen sorgen: Die "Ertragsaussichten für Sommerkulturen" wie Mais seien "erheblich" reduziert, erklären die Fachleute.

Erholung bis Oktober

Die Aussichten sind nicht gerade rosig: Insbesondere die westlichen Mittelmeerregionen können noch bis in den November hinein "überdurchschnittlich warme und trockene Bedingungen" erleben. Für Teile Spaniens und Portugals wird demnach weiter mit einem Dürrerisiko gerechnet.

Besser sieht die Lage aber immerhin in vielen anderen Regionen aus. Denn nach der langen, außergewöhnlichen Trockenheit erwartet die Beobachtungsstelle nun von August bis Oktober in weiten Teilen "nahezu normale Bedingungen". Das werde womöglich nicht zur kompletten Erholung von den vergangenen Monaten ausreichen, aber die kritischen Bedingungen vielerorts lindern.

Die jüngsten Niederschläge Mitte August "könnten die Dürrebedingungen in manchen Regionen Europas abgemildert haben", heißt es im Bericht. "Jedoch verursachten die damit verbundenen Gewitter in einigen Gebieten Schäden und Verluste und schränken möglicherweise die positiven Auswirkungen der Niederschläge ein."

Unwetter der vergangenen Tage

Expertinnen und Experten zufolge kann gerade die immer wieder aufeinanderfolgende Kombination von Dürre und Starkregen auch künftig für Probleme sorgen. Die Ereignisse, die vergangene Woche zu den verheerenden Unwettern führten, waren laut Einschätzung des Meteorologen Leopold Haimberger eher exotisch. Vergleichbar war die Situation am ehesten mit der Großwetterlage, die im August 2002 zu dem Hochwasser am Kamp in Niederösterreich geführt hat, sagt der Experte.

Starkregenereignisse kommen auch in unseren Breiten öfter vor.
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Auch damals hat sich über Italien ein Tiefdruckgebiet gebildet, das große Mengen an Feuchtigkeit nach Norden "schaufelte". Dazu kam viel Feuchtigkeit aus dem Bereich der Ostsee. Auf heftige Gewitter folgte Starkregen: "Solche Wetterlagen treten selten auf, sind aber früher auch schon vorgekommen." Die Gewitterfront habe gewissermaßen "die Alpenketten überwunden, als wären sie nicht vorhanden".

Mehr Energie für Gewitter

Der heurige Hitzesommer hat jedenfalls ein um drei bis vier Grad wärmeres Mittelmeer hinterlassen, als das sonst um diese Jahreszeit der Fall ist. Dazu kommt, dass das Meer üblicherweise erst im September seine Höchsttemperaturen erreicht. Das berge ein entsprechend großes Risiko, sagt Haimberger.

Denn je mehr Wärme dort vorherrscht, umso mehr Energie gibt es zur Bildung von Gewittern. Warme Sommer bringen eine gut dokumentierte höhere Wahrscheinlichkeit für Starkregenereignisse in den südlichen Alpen und in der Toskana bis in den November hinein mit sich. Damit sich diese auch manifestieren, braucht es einerseits das heuer zuhauf vorhandene Potenzial und andererseits einen Auslöser. "Das ist durchaus vergleichbar mit der Situation der tropischen Wirbelstürme in der Karibik", sagt Haimberger.

Als Auslöser fungiert kältere Luft in höheren Lagen der Atmosphäre, die im Spätsommer oder Herbst weit in den Süden vordringt. Über den Wind kommt es zu einer Koppelung zwischen dem warmen Wasser und der Luft darüber. Der Wind fördert die Verdunstung, was das Tiefdruckgebiet stärkt und die Winde weiter aufleben lässt. Das System schaukelt sich also hoch, was in Europa starke Tiefdruckgebiete und in der Karibik Hurrikans erzeugt.

"Änderungen ernst nehmen"

Dass solche Starkregenereignisse auch in unseren Breiten häufiger würden, weil sich die Meere erwärmten und die Luft mehr Feuchtigkeit aufnehmen könne, liege auf der Hand, sagt Haimberger. Gleichzeitig kommt es vermehrt zu langen Trockenphasen, weil sich Wetterlagen weniger oft als früher abwechseln. Sehe man sich die Situation der vergangenen Tage und Wochen an, wo rekordverdächtig niedrige Fluss- und Seepegelstände und Rekordniederschläge einander abwechseln, "passt das genau in das Narrativ, das wir Klimaforscher seit 15 Jahren bei jeder Gelegenheit wiederholen".

Haimberger plädiert daher dafür, "die Klimaänderung ernst zu nehmen", ortet aber auch, dass diesbezüglich nun ein Umdenken in der Bevölkerung stattfindet. Als problematisch seien in diesem Kontext die nach wie vor starken Widerstände in einigen Interessenvertretungen anzusehen, die wichtige Vorhaben wie den Beschluss eines wirksamen Klimaschutzgesetzes bremsen. (red, APA, 23.8.2022)