Die insgesamt drei zum Abschuss freigegebenen Wölfe in Tirol können vorerst aufatmen.

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Innsbruck – Das Tiroler Landesverwaltungsgericht (LVwG) hat erneut mögliche Wolfabschüsse im Bundesland vorerst gestoppt. Der Abschussbescheid für die beiden Wölfe 108MATK und 121FATK in Lavant in Osttirol wurde zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen. Im Falle des zum Abschuss freigegebenen Problemwolfs 158MATK im Wipptal im Bezirk Innsbruck-Land wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde zuerkannt, teilte das Land am Dienstag mit.

Damit ist nun eine Beschwerde, etwa seitens des WWF, möglich. Die bis zum 31. Oktober 2022 geltenden Abschussbescheide seien damit nicht mehr vollstreckbar. Die Jägerschaft wurde bereits informiert, so das Land.

Gericht bemängelte ungenaue Kennzeichnung

Beim Wolf in Osttirol fehlte dem Landesverwaltungsgericht die genaue Kennzeichnung, welches Wolfspärchen geschossen werden soll, berichtete die "Tiroler Tageszeitung" in ihrer Online-Ausgabe. Im Bescheid steht lediglich ein Wolf in der Region. Es sei nicht ausreichend sichergestellt, dass die "richtigen" Wölfe entnommen werden, argumentiert das Gericht laut Land. Eine Sprecherin von Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler (ÖVP) betonte gegenüber der APA, dass das Landesverwaltungsgericht die Bescheide aufgehoben und zurückverwiesen, aber nicht in der Sache entschieden habe.

Man setze nun auf eine rasche Neufassung des Jagdgesetzes, so Geisler. Letztere war zuletzt von ÖVP-Chef und Landtagswahlspitzenkandidat Anton Mattle ventiliert worden. "An einer landesgesetzlichen Neuregelung zur Entnahme von Problemwölfen führt kein Weg vorbei. Mit dem derzeitigen System kommen wir leider nicht weiter. Es lässt zu viel Spielraum für zeitliche Verzögerungen und juristische Spitzfindigkeiten", erklärte Geisler in einer Reaktion. Die Novelle solle noch heuer beschlossen werden.

Land Tirol will "juristisches Neuland" betreten

"In der Zwischenzeit halten wir Linie und reizen die derzeitigen Möglichkeiten aus. Bereits kommende Woche wird das Fachkuratorium Wolf, Bär, Luchs zusammentreten und über die Gefährlichkeit weiterer Wolfsindividuen in Osttirol entscheiden. Dort sind im heurigen Sommer bereits über 200 Schafe und auch ein fast ausgewachsenes Rind Wölfen zum Opfer gefallen", so der Landeshauptmannstellvertreter. Wenn notwendig, solle auch "juristisches Neuland" betreten werden.

Ziel bleibe weiterhin die Anpassung der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie und eine grenzüberschreitende Betrachtung der Wolfspopulation. "Ohne die Einsicht der EU, dass der Wolf nicht mehr vom Aussterben bedroht ist, haben alle Bemühungen auf Landesebene nur den Charakter der Symptombekämpfung", betonte Geisler.

ÖVP-Klubobmann Wolf will sich "nicht weiter frotzeln lassen"

Scharfe Worte fand ÖVP-Klubobmann Jakob Wolf. Die Aufhebung der Abschussbescheide für Problemwölfe sei "nicht hinnehmbar". Der Landesgesetzgeber lasse sich vom WWF "nicht weiter frotzeln". "Der Tiroler Landtag hat als Landesgesetzgeber das Tiroler Jagdgesetz mit dem klaren Ziel novelliert, dass Problemwölfe entnommen werden können. Wenn nun der WWF diesen Wunsch des Gesetzgebers ständig torpediert und glaubt, jeden Abschuss durch Einsprüche verhindern zu müssen, dann werden wir das im Gesetz so regeln, dass eine Aufhebung durch das Landesverwaltungsgericht nicht mehr möglich ist", so Wolf in Richtung der Organisation.

Sofort nach der Landtagswahl werde man eine Änderung des Jagdgesetzes in die Wege leiten und Abschüsse nicht mehr über Bescheide, sondern über den Verordnungsweg regeln. Der Klubobmann war dem WWF zudem Doppelbödigkeit vor: "Es ist für mich eine Farce, dass das massive Tierleid von Schafen, die oft qualvoll zugrunde gehen, für den WWF offenbar keine Rolle zu spielen scheint."

Grüne weiter für Besenderung statt Abschuss

Etwas anders fiel die Reaktion des grünen Koalitionspartners aus. Dessen Landtagswahlspitzenkandidat Gebi Mair forderte einmal mehr die Besenderung von Wölfen. Auch er ortete juristische Spitzfindigkeiten. "Hätten wir im Frühjahr die Besenderung von Wölfen forciert, wie wir es vorgeschlagen haben, wären wir heute nicht in dieser misslichen Lage. Ich ärgere mich, dass die Schafbauern und -bäuerinnen das ganze Jahr hingehalten werden, statt das zu unternehmen, was möglich und umsetzbar ist", sagte Mair.

Für die Tiroler NEOS ist der Stopp durch das LVwG für mögliche Wolf-Abschüsse in Tirol "inakzeptabel". "Wieder wird die Sache durch juristische Spitzfindigkeiten verschleppt", meinte Landtagsabgeordneter Andreas Leitgeb. Natürlich müsse man diese Entscheidung akzeptieren, "aber es ist an der Zeit, dass Taten folgen. Es kann nicht sein, dass die Schafbauern und Landwirte ewig vertröstet werden."

Hechenberger fordert Neuregelung

Landwirtschaftskammerpräsident Abgeordneter Josef Hechenberger (ÖVP) forderte eine "umgehende gesetzliche Neuregelung nach Aufhebung der Abschussbescheide". Die Zeit drängt, und zwar nicht erst seit heute. Dass die bis Ende Oktober geltenden Abschussbescheide nun nicht mehr ausgeführt werden können, zeigt, wie weit wir von einem praktikablen Raubtiermanagement entfernt sind. Wenn es nicht rasch zu einer gesetzlichen Neuregelung beziehungsweise einer Novellierung des Jagdgesetzes kommt, dann werden sich wohl viele Bäuerinnen und Bauern überlegen, ob sie ihre Tiere im nächsten Sommer überhaupt auf die Alm treiben oder die Tierhaltung komplett aufgeben", zeigte sich Hechenberger alarmiert und ergänzte: "Wir setzen unsere Almwirtschaft zugunsten eines nicht mehr vom Aussterben bedrohten Raubtieres aufs Spiel." Es müsse gehandelt werden, "und zwar noch diesen Herbst – da müssen politische Zusagen dann auch umgesetzt werden." (APA, red, 23.8.2022)