Das neue Space-Launch-System ist bereit: Artemis I wird in wenigen Tagen Richtung Mond aufbrechen.
Foto: Joe Skipper/Reuters

Gespannt blicken Raumfahrtinteressierte bald wieder zum Kennedy Space Center in Cape Canaveral in Florida: Schon am kommenden Montag soll Artemis I mit einem Testflug zum Mond starten. Damit wäre ein wichtiger Schritt – oder Flug – der aktuellen Mondmission getätigt, die ab 2025 auch wieder Menschen auf den Mond bringen soll. Das wäre das erste Mal nach mehr als 50 Jahren: In den 1960er- und 70er-Jahren landeten im Rahmen des Apollo-Programms zwölf Astronauten auf dem Erdtrabanten.

Die US-Raumfahrtbehörde Nasa lässt – wenn alles nach Plan verläuft – am Montag erstmals ihre neueste Trägerraketen-Generation starten: das Space-Launch-System (SLS) mit einer Orion-Raumkapsel auf deren Spitze. Das kombinierte SLS-Orion-Raumschiff soll die unbemannte Kapsel auf einem sechswöchigen Testflug namens Artemis I um den Mond und zurück zur Erde schicken.

Milliardenschweres Projekt

"Wir sind startbereit", sagte der stellvertretende Nasa-Administrator Bob Cabana, ein ehemaliger Space-Shuttle-Pilot und -Kommandant, bei einer Pressekonferenz Anfang dieser Woche. Die Reise dient dazu, die komplexeste und leistungsstärkste Rakete der Welt unter realen Bedingungen einem strengen Stresstest zu unterziehen, bevor SLS für den Transport von Astronautinnen und Astronauten zugelassen wird. SLS ist die größte Rakete, die die Nasa seit Saturn-V gebaut hat. Diese kam während des Apollo-Mondprogramms zum Einsatz.

Nach mehr als einem Jahrzehnt Entwicklungszeit mit jahrelangen Verzögerungen und Kostenüberschreitungen in Milliardenhöhe hat das SLS-Orion-Raumschiff die Nasa bisher mindestens 37 Milliarden Dollar (derzeit etwa 37,27 Milliarden Euro) gekostet. Der US-amerikanische Kongress hat den Nasa-Haushalt kontinuierlich erhöht und Mittel für Artemis bereitgestellt. Zu den größten finanziellen Nutznießern gehören die Hauptauftragnehmer von SLS und Orion – Boeing beziehungsweise Lockheed Martin.

Europäische Beteiligung

Auch die Esa ist an der Artemis-Mission beteiligt und liefert mit dem europäischen Servicemodul (ESM) eine wichtige Komponente des Orion-Raumschiffs. Das knapp 13 Tonnen schwere, von Airbus gebaute ESM ist das Herzstück der Orion-Raumkapsel. Es sorgt für deren Antrieb, die Energieversorgung und die Wärmeregulierung und wird die Reisenden bei künftigen Missionen mit Wasser und Sauerstoff versorgen. Die österreichischen Unternehmen TTTech und Magna haben Komponenten für Orion geliefert, TTTech zusätzlich für ESM.

Das Artemis-Programm der Nasa – die Göttin Artemis war in der griechischen Mythologie die Zwillingsschwester von Apollo – zielt darauf ab, bereits 2025 Menschen zum Mond zu bringen und wohl auch eine langfristige Mondkolonie als Sprungbrett für noch ehrgeizigere zukünftige Reisen zum Mars zu errichten.

Zweifelhafter Zeitplan

"Selbst mit der Aufstockung des Budgets ist es aber zweifelhaft, dass die Nasa bis 2025 Menschen auf dem Mond landen wird", sagte Lori Garver, die während der Konzeption der Rakete als stellvertretende Nasa-Verwalterin fungierte, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Wenn alles gutgehe, könne es aber in den Jahren darauf klappen.

Die Rakete inklusive Orion-Kapsel steht am Kennedy Space Center im US-Bundesstaat Florida und wartet auf ihren Einsatz.
Foto: AP Photo/Terry Renna

Zwölf Astronauten waren während der sechs Apollo-Missionen von 1969 bis 1972 auf dem Mond. Es waren die bisher einzigen Raumflüge, bei denen Menschen die Mondoberfläche betraten. All diese Missionen erforschten Regionen rund um den Mondäquator.

Erste Frau auf dem Erdtrabanten

Am vergangenen Freitag gab die Nasa 13 potenzielle Landezonen rund um den Südpol des Mondes bekannt. Zur neuen Generation wird auch die erste Frau gehören, die den Mond betritt, erstmals wird auch ein nicht-weißer Mensch diesen persönlichen und gesellschaftlichen Meilenstein setzen. Womöglich passiert auch beides zugleich – immerhin kommt die 34-jährige Jessica Watkins als Teil der Mission dafür infrage.

Ein erfolgreicher SLS-Orion-Start ist ein entscheidender erster Schritt dorthin. Das gewaltige, 98 Meter hohe Raumschiff wurde vergangene Woche nach wochenlangen letzten Vorbereitungen und Bodentests langsam zur Startrampe 39B gebracht. Wenn keine technischen Pannen in letzter Minute oder ungünstige Wetterbedingungen auftreten, werden die vier SLS-Haupttriebwerke und die Feststoffraketen-Booster am Montag den 29. August um 14.33 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit gezündet und das Raumschiff in den Himmel geschossen. Sollte sich der Countdown über das für den Start vorgesehene Zeitfenster von zwei Stunden hinaus verzögern, hat die Nasa den 2. und 5. September als alternative Starttermine festgelegt.

Drei Dummies unterwegs

Nach der Trennung von der Oberstufe der Rakete in einer Entfernung von mehr als 3.700 Kilometern von der Erde werden die Triebwerke von Orion gezündet, um die Kapsel auf Kurs zu bringen. Dieser führt sie bis auf 100 Kilometer an die Mondoberfläche heran, bevor sie rund 64.400 Kilometer über den Mond hinaus und zurück zur Erde fliegt. Nachdem das Servicemodul ESM abgekoppelt wurde, das in der Erdatmosphäre verglüht, soll die Kapsel dann am 10. Oktober im Pazifischen Ozean landen.

Orion ist unbemannt, wird aber wie schon andere Flüge eine simulierte Besatzung an Bord haben – einen Dummy, der sich an einer durchschnittlich männlichen Statur orientiert, und zwei "weibliche" Dummies. Mittels Sensoren wird die Belastung gemessen, der eine reale Besatzung ausgesetzt wäre, etwa die Strahlungswerte.

Im Erfolgsfall würde Artemis I den Weg für die erste SLS-Orion-Mission mit Crew ebnen, einen Hin- und Rückflug um den Mond. Artemis II soll bereits 2024 starten, gefolgt von Artemis III mit der geplanten Landung auf dem Mond mindestens ein Jahr später.

Fahrzeuge von Space X

Artemis III wird wesentlich komplexer sein und das SLS-Orion-System mit Raumfahrzeugen kombinieren, die von Elon Musks Unternehmen Space X gebaut und geflogen werden. Der Plan sieht vor, dass eine vierköpfige Orion-Besatzung im Weltraum an eine Space-X-Landeeinheit andockt, die zwei Personen für fast eine Woche auf die Mondoberfläche bringt.

Erforderlich dazu sind das noch in Entwicklung befindliche Schwerlast-Start- und Mondlandefahrzeug Starship von Space X sowie noch zu konstruierende Komponenten wie ein orbitales Treibstoffdepot und Raumtanker. Auch die neuen Anzüge für den Mondspaziergang müssen noch entworfen werden. Zunächst wird aber der Start der Rakete ohne Crew kommende Woche alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen. (APA, red, 24.8.2022)