Auf diesem Foto aus dem Juni 2021 passieren einheimische Bauern einen Panzer, der angeblichen zur eritreischen Armee gehört und an der Straße in Dansa, südwestlich von Mekele in der Region Tigray, abgestellt war.

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Mekelle / Addis Abeba – Nach mehreren Monaten Waffenruhe sind in der nordäthiopischen Krisenregion Tigray nach Angaben der Konfliktparteien wieder Kämpfe ausgebrochen. Die Regierung und die Volksbefreiungsfront TPLF, die Tigray kontrolliert, warfen sich am Mittwoch gegenseitig Verstöße gegen die Feuerpause vor. Seit dem Vormittag seien rund um den Ort Kobo Schüsse schwerer Geschütze zu hören gewesen, sagte ein Bauer, der anonym bleiben wollte.

Zwei weitere Bewohner sagten, in den vergangenen beiden Tagen habe es in der Gegend große Truppenbewegungen gegeben. Die Pressestelle der Regierung erklärte, die TPLF habe die Ostfront am frühen Morgen angegriffen und damit faktisch die Waffenruhe gebrochen. Das Militärkommando der TPLF beschuldigte dagegen die Regierung, gegen die Feuerpause verstoßen zu haben. Der Fernsehsender Tigrai Television meldete, äthiopische Streitkräfte hätten zusammen mit Sondereinsatztruppen und Milizen aus der Nachbarregion Amhara am frühen Morgen mit einem "großangelegten Angriff" begonnen.

Hungersnot und Vertreibung

Im November 2020 brach in Tigray ein Krieg aus, der auch auf Nachbarregionen übergriff. Seit März herrschte eine von beiden Konfliktparteien beachtete Waffenruhe, was Hoffnungen schürte, dass Friedensgespräche zwischen der Regierung von Ministerpräsident Abiy Ahmed und der TPLF aufgenommen werden könnten. Die Kämpfe in Afrikas zweitbevölkerungsreichster Nation haben Millionen Menschen vertrieben, tausende Zivilisten wurden getötet, Teile von Tigray sind in eine Hungersnot gestürzt.

Uno-Generalsekretär António Guterres forderte eine Rückkehr der Konfliktparteien an den Verhandlungstisch. Guterres sagte in New York, er sei "zutiefst schockiert über das Wiederaufflammen der Kampfhandlungen in Äthiopien". Er appelliere "dringend" an die Konfliktparteien, ihre Kampfhandlungen einzustellen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Zwischen den Konfliktparteien schwelt schon seit Wochen ein Streit darüber, wer etwaige Friedensverhandlungen künftig anführen solle. Während die äthiopische Zentralregierung die Afrikanische Union (AU) als Vermittler bevorzugt, setzt die TPLF auf den scheidenden kenianischen Staatschef Uhuru Kenyatta.

Seit Beginn der Kämpfe wurden nach UN-Angaben tausende Menschen getötet und mehr als zwei Millionen weitere in die Flucht getrieben. Die Vereinten Nationen werfen allen Konfliktparteien schwere Menschenrechtsverletzungen vor. (APA, 24.8.2022)