Abstrakte Informationen mobilisieren nur wenige Menschen im Kampf gegen die Klimakrise. Konkrete Identifikationsfiguren, wie dieser spanische Bauer, der gegen die Flammen kämpft, sind dafür besser geeignet.
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An Hiobsbotschaften in Sachen Klima herrscht aktuell Hochkonjunktur: Europa wird von Dürren, Waldbränden und Extremwetter geplagt, das Mittelmeer ist viel zu warm, die Arktis erhitzt sich viermal so schnell als der Rest des Planeten. Gleichzeitig warnen Forscherinnen und Forscher, dass die Chancen, das 1,5-Grad Ziel bis zum Jahr 2100 zu erreichen, verschwindend gering sind.

Dabei steht viel auf dem Spiel: Kürzlich erst stellten Fachleute Worst-Case-Szenarien vor: Erwärmt sich die Welt um über drei Grad im Vergleich zum Jahr 1850, wird unser Planet kaum wiederzuerkennen sein: Als Folge ist mit mit Hungersnöten und Klimakriegen zu rechnen. Für viele Menschen sind solche apokalyptischen Szenarien aber nur noch ermüdend: Statt längst überfällige "Climate-Action" zu setzen, zucken sie bloß mit den Schultern.

Die Psychologin Isabella Uhl-Hädicke von der Universität Salzburg erforscht, wie Menschen auf die Klimakrise reagieren. Ihre Ergebnisse hat sie in ihrem kürzlich erschienenen Buch "Warum machen wir es nicht einfach?" zusammengefasst.

Isabella Uhl-Hädicke ist Umweltpsychologin an der Universität Salzburg.
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STANDARD: Obwohl uns täglich schlechte Nachrichten über das Klima erreichen und die Dringlichkeit der Klimakrise außer Frage steht, handeln nur wenige Menschen, oder gar Firmen und Staaten, wirklich klimafreundlich. Wieso?

Uhl-Hädicke: Man könnte annehmen, dass mehr Wissen tatsächlich zu verstärktem Handeln führt: Wenn also die Leute nur verstünden, was auf dem Spiel steht, und wüssten, was zu tun ist, würden sie diese Schritte auch setzen. Aber die Forschung, unter anderem auch meine Arbeit, zeigt klar, dass das nicht der Fall ist.

STANDARD: Warum ist das so?

Uhl-Hädicke: Wir sind einfach keine rationalen Wesen. Bedrohliche Nachrichten führen häufig dazu, dass Menschen Ersatzhandlungen tätigen. Dabei versuchen sie, das Bedrohungsgefühl irgendwie abzustellen, ohne jedoch der Gefahr, also in unserem Fall dem Klimawandel, entgegenzutreten.

STANDARD: Was passiert in Menschen, wenn sie mit Schreckensnachrichten über den Klimawandel konfrontiert werden?

Uhl-Hädicke: Selbst wenn Menschen vergleichbar harmlose Informationen über die Klimakrise erhalten, löst das ein starkes Gefühl von Ohnmacht, Hilflosigkeit und Überforderung aus. Dafür braucht man gar keine extremen Szenarien. Und nun müssen die Menschen irgendwie aus diesem unangenehmen Gefühl herauskommen. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten: Einerseits können sie sich der Gefahrenquelle aktiv zuwenden und konstruktive Lösungen anwenden: Sie übernehmen Verantwortung, ändern ihren Lebensstil, werden politisch aktiv. Doch wenn man sich in der Gesellschaft umsieht, bemerkt man, dass dieser Weg eher weniger eingeschlagen wird. Stattdessen setzen Menschen Symbolhandlungen, die zwar keinen direkten Bezug zum ursprünglichen Problem haben, aber unser Gewissen beruhigen.

Von Österreichs größtem Gletscher, der Pasterze, ist nicht mehr viel übrig. Die Klimakrise ist nicht weit weg, sie passiert hier und jetzt. Das sollten Medien kommunizieren.
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STANDARD: Was wäre so eine Symbolhandlung?

Uhl-Hädicke: Man sieht beispielsweise, dass bei Krisen eine stärkere Spaltung der Gesellschaft stattfindet. Nehmen wir die Pandemie: Wir konnten beobachten, dass sich die Leute stärker auf ihre Werte, Einstellungen, auf ihre Gruppenzugehörigkeit, ihre Weltanschauungen konzentrieren – und heftiger verteidigen. Personen, die diese Weltanschauung nicht teilen, werden plötzlich stärker abgewertet.

STANDARD: Aber immerhin gingen Staaten gegen Corona mit Lockdowns und Impfkampagnen vor. Wieso fällt es uns so schwer, angemessen auf den Klimawandel zu reagieren?

Uhl-Hädicke: Aus verschiedenen Gründen. Zunächst ist die Klimakrise in verschiedener Hinsicht eine Krise, die es so noch nicht gab: Einerseits wirkt sie zunächst total abstrakt und ist daher für viele Menschen schwer greifbar. Zudem scheinen die Auswirkungen immer noch weit weg zu sein, wir sprechen oft von dem, was 2050 oder 2100 sein wird. Andererseits ist es eine globale Krise. Da heißt, es werden Handlungen an allen Ecken der Welt benötigt, alle Akteurinnen und Akteure aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen an einem Strang ziehen. Da kommt noch dazu, dass unsere Handlungen die Weichen für die nächsten Jahrzehnte stellen.

STANDARD: Dabei ist Klimawandel schon länger ein Thema, bedrohliche Forschungsergebnisse zur Erderwärmung gibt es immerhin bereits seit den 1970er-Jahren. Man hätte also Zeit für die nötigen weitreichenden Änderungen gehabt. Wieso haben wir so lange gewartet, bis uns das Klima um die Ohren fliegt?

Uhl-Hädicke: Zwar weiß man schon sehr lange von den Folgen des menschgemachten Treibhausgaseffekts auf das Weltklima – doch leider werden Menschen von Konsequenzen angetrieben: Uns wird die Wichtigkeit des Problems erst jetzt klar, wo wir die Auswirkungen sehen, weltweit und hier in Österreich, die teilweise nicht mehr rückgängig zu machen sind.

Dieser französische Bauer baut Sorghum an. Das aus Afrika stammende Hirsegewächs hält der Trockenheit besser stand. Auch am Land müssen Menschen mit der Klimakrise umgehen lernen.
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STANDARD: Auswirkungen würden wir ja jetzt wirklich genug spüren: Die Korallenriffe sterben, Gletscher schmelzen, Landstriche werden von Dürre, Feuer oder Unwetter verwüstet. Wenn Menschen wirklich von Konsequenzen angetrieben werden, dann fragt sich, warum sie dennoch keine ausreichenden Maßnahmen setzen. Das 1,5 Grad Ziel ist ja beinahe unerreichbar geworden.

Uhl-Hädicke: Konsequenzen sind definitiv schon sichtbar, auch in Städten wie Wien, wo Arbeiten und Wohnen ohne Klimaanlage mitunter unerträglich wird. Andererseits sind die Folgen des Klimawandels für die breite Bevölkerung hier in Österreich noch nicht so drastisch. Bis diese Auswirkungen einschneidende Veränderungen in unserem Leben nötig machen, sind wir sehr gut darin, die Klimakrise zur Seite zu schieben und uns mit scheinbar wichtigeren Herausforderungen des Alltags zu befassen. Ist so der Klimawandel kein Thema, überträgt sich das natürlich auf die Politik.

STANDARD: Über lokale und globale Auswirkungen der Klimakrise berichten wir Medien. Wie kann Berichterstattung erreichen, dass Menschen das Klima einerseits wichtig nehmen, aber andererseits nicht in Ohnmachtsgefühle verfallen, die zu Symbolhandlungen führen?

Uhl-Hädicke: Wichtig ist zuerst, dass die Nachrichten konkret sind. Oft wird von Vorgängen in zwanzig, dreißig Jahren gesprochen, von Tonnen CO2 und Klimamodellen. Das ist irgendwie schwer greifbar und holt die Leute emotional noch nicht ausreichend ab. Außerdem ist es gut, lokale Auswirkungen zu zeigen. Häufig liest man von untergehenden Inselstaaten oder bleichenden Korallenriffen– alles sehr weit weg. Dabei spüren wir schon extreme Folgen in Österreich und wissen, dass da noch einiges auf uns zukommt. Man muss in den Medien thematisieren, dass es wirklich um unsere Heimat und um unsere Lebensgrundlage geht. Hat man die Menschen aber einmal emotional berührt, ist es wichtig, dass man sie von dort auch wieder abholt und nicht mit ihren Ohnmachtsgefühlen allein lässt. Dazu muss man ihnen zeigen, was man tun kann. Im besten Fall wird den Menschen das Gefühl von Selbstwirksamkeit vermittelt: Deine Handlungen machen einen Unterschied.

"Man könnte zeigen, warum es jetzt wert ist, neue Wege zu gehen. Wie könnte ein Österreich der Zukunft aussehen?"

STANDARD: Dabei haben vermutlich die meisten Menschen das Gefühl, dass es keine Rolle spielt, was sie machen, obwohl vonseiten der Politik sehr gern die individuelle Verantwortung für das Klima betont wird. Welche Art von Selbstwirksamkeit schwebt Ihnen da vor?

Uhl-Hädicke: Es ist ja eine Strategie von Politik und Konzernen, die Verantwortung für Klimaschutzmaßnahmen auf einzelnen Personen abzuwälzen. Es braucht aber Handlungen auf allen Ebenen. Eine der wichtigsten Funktionen hat die Politik, denn sie gibt sie Rahmenbedingungen vor. Ihre Maßnahmen haben ein viel schnellere Hebelwirkung als gesellschaftliche Prozesse. Dennoch darf sich die Zivilgesellschaft da nicht herausnehmen. Medien könnten hier aufzeigen, wie wirksam politisches Engagement gerade auf lokaler Ebene sein kann: Bürgerinnen und Bürger können in ihren Gemeinden Druck für klimafreundliche Veränderungen machen, oder etwa gegen die Versieglung einer Fläche für mehr Parkplätze protestieren. Mit Handlungsmöglichkeiten bricht man die Apathie, doch es muss auch klar kommuniziert werden: Nur den Müll zu trennen, reicht nicht aus.

STANDARD: Vielen Menschen dürfte doch bewusst sein, welche Möglichkeiten sie zur Mitbestimmung haben, dennoch fühlen sie sich beim Klimawandel nicht zuständig. Wie können wir Medien das ändern?

Uhl-Hädicke: Zunächst denke ich schon, dass vielen Menschen klar ist, dass es so nicht weitergehen kann. Dieses Veränderungspotenzial in der Gesellschaft sollten wir freisetzen. Da spielen die Medien eine entscheidende Rolle. Um diese Menschen zu erreichen, ist es notwendig, möglichst breit zu kommunizieren: Anstatt immer die gleichen Bilder von einsamen Eisbären auf Eisschollen zu zeigen, könnte man ja mal einen Bauer vor seinem verhagelten Feld bringen. Damit will ich sagen: Es müssen Geschichten von möglichst unterschiedlichen Menschen erzählt werden, die sich für das Klima engagieren. Darüber hinaus können Medien auch mit Vorbildern arbeiten und verstärkt über erfolgreiche Klimainitiativen berichten.

STANDARD: Sollten wir im Zusammenhang mit der Klimakrise also weniger über Katastrophen berichten?

Uhl-Hädicke: Ja, obwohl es natürlich zur Aufgabe der Medien gehört, über katastrophale Entwicklungen rund um den Klimawandel zu berichten. Doch müssen diese Informationen nicht notwendig in einem Bedrohungsszenario eingebettet sein: Man könnte ja mal zeigen, warum es jetzt wert ist, neue Wege zu gehen. Wie könnte ein Österreich der Zukunft aussehen, in dem wir die Energiewende geschafft haben, in dem wir ein neues Mobilitätskonzept haben? Grüne Städte, die auch im Sommer lebenswert sind, ohne Luftverschmutzung und Autolärm: Solche positiven Bilder sollten verstärkt vorkommen.

Ein baumbestandener Champs Elysee: Grüner Stadtraum als positive Zukunftsaussicht befördert Klimahandlungen.
Grafik: APA/AFP/PCA-STREAM

STANDARD: Mit dem Argument, dass der Klimawandel eine Gelegenheit zur Entwicklung sei, arbeitet man ja schon länger – mit mäßigem Erfolg. Sollte man die Leute nicht doch eher aufrütteln wie mit den kürzlich veröffentlichten Worst-Case-Szenarien?

Uhl-Hädicke: Natürlich muss man den Leuten aufzeigen, was auf dem Spiel steht. Aber im Moment überschlagen sich ja die Horrormeldungen, nicht nur mit Bezug auf die Klimakrise: Wir haben immer noch die Coronapandemie, den Krieg in der Ukraine, die Aussicht auf eine Energiekrise im Herbst und Winter. In dieser Situation tritt bei Menschen ein Sättigungsgefühl auf. Wir können nur mit einer gewissen Menge an Bedrohungen gleichzeitig umgehen. Wenn sich jetzt Menschen erst mal überlegen müssen, wie sie im Herbst ihre Wohnung heizen, und jemand mit dem Klimawandel kommt, wird dieses Problem abgewertet. Das ist natürlich problematisch, weil die Klimakrise keine Pause macht.

STANDARD: Wir haben viel über Bilder gesprochen, die Medien einsetzen sollten, um Menschen zu Klimahandlungen zu bewegen. Welche Bilder sollen dieses Interview zieren?

Uhl-Hädicke: Bitte nicht nur Bilder der Auswirkungen der Klimakrise. Generell sollten möglichst unterschiedliche, engagierte Personen gezeigt werden. Meist sind junge, urbane Menschen aus der Stadt zu sehen, diesmal könnten es ältere Personen sein, auch vom Land. (Dorian Schiffer, 10.9.2022)