Die Gasflamme von Portowaja ist auch aus weiter Entfernung sichtbar.

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Kein Tag vergeht, an dem Europa nicht Wege aus der drohenden Energiekrise diskutiert. Doch während insbesondere mit Blick auf den nahenden Winter die Angst vor Versorgungsengpässen und explodierenden Kosten steigt, werden in Russland, nahe der Grenze zum EU-Mitglied Finnland, offenbar weiterhin große Mengen Gas abgefackelt.

Laut einem Bericht des Branchendienstes Rystad Energy, aus dem am Freitag die britische BBC zitierte, beträgt der Wert des verbrannten Gases täglich umgerechnet zehn Millionen Euro. Bereits vor mehreren Wochen hatten Menschen in Finnland auf die Flamme aufmerksam gemacht, die von dortigem Territorium aus zu sehen ist. Auch auf Satellitenbildern ist sie deutlich zu erkennen.

Ort des Geschehens ist demnach die Verdichterstation Portowaja, etwa 130 Kilometer nordwestlich von Sankt Petersburg und nur 15 Kilometer östlich der finnischen Grenze. Hier befindet sich auch der Ausgangspunkt der Ostseepipeline Nord Stream 1, durch die Gas von Russland direkt nach Deutschland transportiert wird. Da Moskau seine Gaslieferungen in den Westen zuletzt aber gedrosselt hat, ist die Pipeline nicht ausgelastet.

Energie als Druckmittel

Nächste Woche will Russland Nord Stream 1 für drei Tage sogar ganz stilllegen – angeblich wegen Problemen bei der Wartung von Turbinen. Die EU sieht hinter den gedrosselten Gaslieferungen jedoch ein Druckmittel Moskaus als Reaktion auf die westlichen Sanktionen wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine.

Das Abfackeln von Gas ist zwar in gewissen Grenzen gängige Praxis, das Ausmaß in Portowaja gilt jedoch als ungewöhnlich hoch. Viele vermuten, dass das Gas schlicht deshalb verbrannt wird, weil es aus technischen Gründen nicht einfach an andere Abnehmer verkauft werden kann. Der finanzielle Verlust für Russland hält sich dabei in Grenzen, zumal russisches Erdgas gerade durch die eingeschränkten Liefermengen und die in der Relation erhöhte Nachfrage derzeit zu hohen Preisen gehandelt wird.

Zu den genauen Hintergründen führen Fachleute allerdings unterschiedliche Aspekte ins Treffen. Zum einen sei es schwierig und kostspielig, einmal verschlossene Bohrlöcher bei Bedarf wieder zu öffnen und das Gas wieder in die Netze einzuspeisen. Das Abfackeln überschüssigen Gases, das eigentlich via Nord Stream 1 Richtung Europa fließen sollte, wäre demnach die kostengünstigere Variante.

Ruß und Kohlendioxid

Manche vermuten aber auch, dass der russische Energiekonzern Gazprom das Erdgas vor Ort zu Flüssiggas (LNG) verarbeiten wollte, dass technische Schwierigkeiten letztlich aber doch das Abfackeln als die sicherste Variante erscheinen ließen. Einige führen zudem ins Treffen, dass dabei die EU-Sanktionen gegen Russland eine Rolle spielen könnten – nämlich dann, wenn Moskaus Zugang zu den für die LNG-Produktion nötigen technischen Komponenten gekappt oder zumindest erschwert ist.

Auf der Strecke bleibt neben den Verbraucherinnen und Verbrauchern in Europa, die weiter mit erhöhten Energiepreisen rechnen müssen, auf jeden Fall die Umwelt. Laut Rystad Energy sind es mehr als 4,3 Millionen Kubikmeter Gas, die in Portowaja täglich verbrannt werden – etwa 0,5 Prozent des Tagesbedarfs der EU. Wissenschafter sprechen von großen Mengen Ruß und Kohlendioxid, die dabei in die Luft geblasen werden – und das Schmelzen des arktischen Eises weiter beschleunigen könnten. (red, 26.8.2022)