Geflüchtete mit von der Crew der "Ocean Viking" verteilten Schwimmwesten während ihrer Seenotrettung.

Foto: AP / Jeremias Gonzalez

Valletta/Rom – Die süditalienische Insel Lampedusa zwischen Sizilien und Tunesien ist erneut mit einer starken Migrationsbewegung konfrontiert. Innerhalb von 24 Stunden erreichten seit Samstag 46 Boote mit insgesamt 1.000 Menschen an Bord die Insel, wie die Behörden mitteilten. Dabei handelt es sich um einen Rekord. Noch nie hatten an einem Tag so viele Migrantenboote Lampedusa erreicht.

Die eingetroffenen Migranten, die zum Großteil aus Tunesien stammen, wurden im Hotspot der Insel untergebracht, in dem es Platz für maximal 250 Menschen gibt. Rund 340 Migranten trafen auf der Insel Pantelleria zwischen Sizilien und Tunesien ein.

Überfüllte Boote

Die private Hilfsorganisation SOS Méditerranée hat indes im zentralen Mittelmeer bei mehreren Einsätzen weitere Bootsmigranten vor dem Ertrinken bewahrt. Die Crew der "Ocean Viking" habe damit fast 470 gerettete Menschen an Bord, wie die Organisation auf Twitter in der Nacht zu Sonntag mitteilte. Die freiwilligen Helfer hätten die Menschen von überfüllten Holz- und Schlauchbooten in der maltesischen Such- und Rettungszone an Bord geholt.

Im sizilianischen Hafen von Messina traf am Samstag das spanische Rettungsschiff "Open Arms Uno" mit 99 Menschen – darunter einige Minderjährige – an Bord, die in den vergangenen Tagen vor der sizilianischen Küste gerettet worden waren, ein. Die meisten Migranten stammen aus Ägypten, Bangladesch, dem Sudan, Nigeria, Marokko, Pakistan, Syrien und dem Tschad, teilten die italienischen Behörden mit.

Warten auf sicheren Hafen

92 Migranten trafen am Samstag außerdem an Bord eines Segelbootes in der süditalienischen Region Apulien ein. Auch in der Region Kalabrien landeten seit Freitag über 200 Migranten. Unterdessen wartete die deutsche Organisation Resqship mit ihrem Motorsegelboot "Nadir" und fast 60 geretteten Migranten an Bord auf einen sicheren Hafen. Die zivilen Seenotretter mahnten in einem Tweet, dass ihr Boot für die Versorgung so vieler Menschen nicht ausgelegt sei. Die "Nadir" hatte die Menschen am Freitag gerettet. Normalerweise erreicht sie in Seenot geratene Migrantenboote, alarmiert die Behörden oder andere Hilfsorganisationen mit größeren Schiffen.

Unterwegs sind derzeit auch die "Geo Barents" von Ärzte ohne Grenzen und die neu in See gestochene "Humanity 1" der deutschen Organisation SOS Humanity. Die Migranten legen meist von den Küsten Nordafrikas zu der gefährlichen Überfahrt über das Mittelmeer ab, um in die EU zu gelangen, wo sie auf ein besseres Leben hoffen.

1.000 Migranten am Ärmelkanal

Auch in Großbritannien griffen die Behörden Geflüchtete auf. Dort haben fast 1.000 Migranten den Ärmelkanal überquert. 915 Menschen in 19 kleinen Booten seien am Samstag nach der Überfahrt aufgegriffen worden, teilte das Verteidigungsministerium in London am Sonntag mit. Damit haben heuer bereits mehr als 25.000 Menschen die gefährliche Fahrt gewagt, allein im August waren es 8.747. Schon bald dürfte der Rekord aus dem Gesamtjahr 2021 übertroffen werden. Damals kamen insgesamt 28.526 Menschen über den Ärmelkanal.

Die Überfahrten, die seit dem Brexit und der Corona-Pandemie unter anderem aufgrund strengerer Kontrollen auf den Landwegen zugenommen haben, sind der konservativen Regierung in London ein Dorn im Auge. Die Kontrolle über die eigenen Grenzen zu gewinnen, war eines der zentralen Versprechen der EU-Austritts-Kampagne. London will daher bestimmte Asylsuchende verschiedener Nationalitäten nach Ruanda ausfliegen. Die Vereinten Nationen sehen in dem umstrittenen Pakt mit dem ostafrikanischen Land einen Bruch internationalen Rechts. Im November 2021 kam es im Ärmelkanal zu einem tragischen Unglück: 27 Menschen starben, nachdem ihr Schlauchboot kenterte. Der Ärmelkanal ist eine der verkehrsreichsten Wasserstraßen der Welt. (APA, red, 28.8.2022)