Die Stadt Wien rechnet mit einem Bedarf von sechs Milliarden Euro, um bei der Wien Energie die Versorgungssicherheit langfristig zu garantieren.

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Wien Energie braucht Hilfe, um Strom für die Zukunft einkaufen zu können.

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Wien – Die stark gestiegenen Großhandelspreise für Gas und Strom bringen den Versorger Wien Energie in Finanzschwierigkeiten. In einer Stellungnahme aus dem Finanzministerium hieß es am Montagnachmittag, dass Wien Energie mit der Stadt Wien eine Summe von 1,75 Milliarden Euro aufbringen kann, um bereits getätigte Geschäfte für die Zukunft abzusichern. "Für weitere erwartete Finanzierungserfordernisse bedarf die Stadt Wien jedoch der Hilfe des Bundes", hieß es. Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) habe einen akuten Finanzierungsbedarf in Höhe von sechs Milliarden Euro genannt.

Hanke selbst sagte der APA, dass man den Bund gebeten habe, einen "Schutzschirm" für die heimischen Versorger zu erstellen, da derzeit an der Börse "Mondpreise" für Strom verlangt würden. Die Wien Energie sei besonders betroffen, da die Eigenproduktion geringer sei.

Er bekräftigte jedoch, dass es sich um ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen handle, das auch keine Verluste schreibe. Die Stadt habe zuletzt bereits selbst Garantien bereitgestellt, also über jene hinaus, die vom Unternehmen üblicherweise selbst aufgebracht würden. "Das sind keine verlorenen Summen", beteuerte Hanke. Vielmehr würden diese nach Abschluss des Geschäftes wieder zurückfließen.

Wie hoch ein solcher Schutzschirm ausfallen müsse, sei schwer zu sagen, da sich die Preise täglich ändern würden, betonte er. Das Schutznetz könne auch bis zu zehn Milliarden Euro betragen. Der Wiener Finanzstadtrat vermutet nämlich, dass auch andere Energieunternehmen möglicherweise noch weiter Garantielinien brauchen werden. Die anderen Landesversorger dementierten jeweils einen Finanzierungsengpass.

Versorgung gesichert

Nachdem Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) in der "ZiB 2" am Sonntagabend verlautbarte, dass das Unternehmen um Hilfe vom Bund gebeten hatte, war Wien Energie um Beruhigung bemüht. "Wien Energie und die Wiener Stadtwerke sind solide, wirtschaftlich gesunde Unternehmen mit bester Bonität. Es müssen keine Verluste ausgeglichen werden", hieß es in einer Aussendung. Da der Strompreis zuletzt heftig anstieg, sei das Unternehmen dem Preisdruck "am stärksten ausgeliefert".

Das Unternehmen hatte bereits am Sonntagabend eine Zahlungsunfähigkeit dementiert. "Nein, Wien Energie ist nicht insolvent", hieß es. Die Folge einer Nichtzahlung seitens Wien Energie würde laut Finanzministerium "ein recht unmittelbarer Ausschluss vom Börsenhandel" sein. "Die Wien Energie müsste Geschäfte rückabwickeln, was dazu führen würde, dass die Energielieferverträge von zwei Millionen Kundinnen und Kunden gefährdet wären." Wien Energie hielt in der Aussendung explizit fest, die Versorgung sei "gesichert".

Zuerst "Details klären"

Der Wiener Energieversorger brauche "dringend Unterstützung", hatte Brunner in der "ZiB 2" erklärt. Man müsse klären, was die Stadt Wien als Eigentümerin beitragen könne und was dann von der Bundesregierung erwartet werde. Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) erklärte in einem Twitter-Posting, dass man Wien Energie "selbstverständlich" Hilfe zugesagt habe. Dennoch müsse man noch Details mit der Stadt Wien klären.

Die Regierung hatte am Sonntagabend kurzfristig ein Treffen mit Vertretern der E-Wirtschaft organisiert. Ins Bundeskanzleramt geladen waren die Chefs von Verbund, E-Control und Wien Energie. Vonseiten der Regierung nahmen an dem Energiegipfel neben Brunner auch Bundeskanzler Karl Nehammer und Wirtschaftsminister Martin Kocher (beide ÖVP) sowie Umweltministerin Gewessler und die beiden Klubobleute August Wöginger (ÖVP) und Sigrid Maurer (Grüne) teil. Die Gespräche werden am Montag fortgesetzt.

Das Finanzministerium teilt in einer Aussendung mit, dass ein Kredit an die Stadt Wien in Milliardenhöhe angedacht sei, der über die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur abgewickelt wird. "Ziel ist eine rasche und rechtlich sichere Lösung im Interesse der Kundinnen und Kunden von Wien Energie", hieß es.

Sicherheiten hinterlegen

Um die Versorgung der Kunden sicherzustellen, führe Wien Energie Handelsgeschäfte an Energiebörsen durch und müsse dabei – wie alle Börsenteilnehmer – Sicherheitsleistungen hinterlegen. "Aufgrund des am Freitag abermals europaweit explodierten Strompreises steigen diese erforderlichen Sicherheitsleistungen unvorhergesehen an", heißt es seitens Wien Energie. Die Sicherheiten würden zurückkommen, sobald die Handelsgeschäfte abgewickelt werden.

Auf Twitter hieß es in der Nacht auf Montag auf einem Wien-Energie-Account: "Aufgrund aktueller Medienberichte: Nein, Wien Energie ist nicht insolvent/pleite. Um die Versorgung der Kund*innen sicherzustellen, führt Wien Energie Handelsgeschäfte an Energiebörsen durch. Dabei muss das Unternehmen – wie alle Börsenteilnehmer – Sicherheitsleistungen hinterlegen." Wien Energie hat über zwei Millionen Kundinnen und Kunden.

Opposition fordert Aufklärung

Die FPÖ forderte in Reaktion auf die Medienberichte "eine sofortige und lückenlose Aufklärung" der Wien-Energie-Finanzlage. "Wenn es tatsächlich stimmt, dass die Stadt Wien schon in der Vergangenheit dem stadteigenen Unternehmen Geld zugeschossen hat, ohne den Gemeinderat darüber zu informieren, dann wird das weitreichende Folgen haben", so der Wiener FPÖ-Landesparteiobmann Dominik Nepp am Sonntag in einer Aussendung. FPÖ-Chef Herbert Kickl will das Thema in einer Sondersitzung im Nationalrat behandelt sehen.

Der Klubobmann der Wiener VP, Markus Wölbitsch, sagte bei einer Pressekonferenz am Montagvormittag: "Die Menschen sind in Sorge. Die Aufgabe der Politik ist es, ihnen diese Sorgen zu nehmen." Für die Wien Energie schlug er vor, der Versorger solle strategische Partnerschaften mit anderen Unternehmen eingehen. Dies habe die Stadt Wien allerdings mehrmals abgelehnt. Weil die Wien Energie ein ausgelagertes Unternehmen der Stadt ist, ist "sie von sehr vielen Kontrollrechten der Opposition ausgenommen", beklagte Wölbitsch.

Bei den Wiener Grünen ist von "Verschleppung und Vertuschung" bei Wien Energie die Rede. Parteichef Peter Kraus urgierte eine rasche Aufklärung. Er mutmaßte, dass Ludwig die Garantien für das Unternehmen im Rahmen seiner Notkompetenz erteilt habe. Das könne er prinzipiell zwar machen, eine Information an den Gemeinderat, den Stadtsenat oder den zuständigen Ausschuss wären jedoch der transparentere Weg gewesen. "Mit dieser Vertuschung geht die Gefährdung der Wien Energie einher."

Deren Situation sei offenbar schon lange bekannt, hier sei eindeutig zu spät reagiert worden, bekrittelte der Grünen-Politiker. "Man hätte deutlich früher auf die Bundesregierung zugehen sollen. Warum hat man so lange gewartet?" Das "unverantwortliche Krisenmanagement" werde jedoch keine gravierenden Folgen für die Kundinnen und Kunden haben, zeigte sich Kraus zuversichtlich – da der Bund einspringen werde.

Andere Landesenergieversorger sind laut dem Finanzminister derzeit nicht in finanziellen Schwierigkeiten. "Momentan ist es so, dass es nur um Wien Energie geht", sagte Brunner in der "ZiB 2". (red, luza, 28.8.2022)