Gerade vor Schulbeginn empfiehlt sich eine Kontrolle der Kinderaugen beim Augenarzt. Spezielle Brillengläser und Kontaktlinsen können die Zunahme einer Kurzsichtigkeit verlangsamen.

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Manche Kinder können einen Ball nicht gut fangen. Andere stolpern immer wieder. Man sagt dann oft, sie seien tollpatschig oder nicht so geschickt. Doch oft steckt dahinter etwas ganz anderes: schlechte Sehkraft. Und die verbreitet sich immer mehr. Markus Gschweidl, Bundesinnungsmeister der Augen- und Kontaktlinsenoptiker, weiß: "In den vergangenen Jahren nahm die Kurzsichtigkeit bei Kindern weltweit zu. Laut Prognosen könnte bis 2050 die Hälfte aller Menschen kurzsichtig sein."

Die sogenannte Myopie, also das übermäßige Augenlängenwachstum, ist der Grund, warum Kinder eine Brille brauchen. Sie steigert aber auch das Risiko einer schwerwiegenden Augenerkrankung im Alter, etwa Netzhautablösungen, Grüner oder Grauer Star. Darum ist es laut Gschweidl "essenziell zu verhindern, dass Augen einen pathologisch hohen Wert von sechs Dioptrien und mehr entwickeln". Denn je stärker die Kurzsichtigkeit ist, desto höher ist auch das Risiko, eine dieser Augenerkrankungen zu entwickeln.

Überkorrektur verstärkt das Problem

Kurzsichtigkeit bei Kindern kann genetisch bedingt sein, also von den Eltern vererbt werden. Aber auch Umwelteinflüsse wie sehr nahes Lesen, Computer, iPad oder Fernsehen fördern die Kurzsichtigkeit. Als Gegenmaßnahme empfiehlt Gschweidl: "Zwei Stunden pro Tag rausgehen wäre gut, somit ist der Blickwechsel vom Nahen in die Ferne automatisch gegeben." Wichtig dabei: Das sollte noch bei Tageslicht passieren – im Dunkeln macht es für die Augen wenig Sinn.

Doch was kann man tun, wenn Kinder bereits kurzsichtig sind und sich diese Tendenz fortsetzt? Da gibt es nun einen innovativen Ansatz: Spezielle Brillengläser und Kontaktlinsen helfen dabei, das Augenwachstum und somit auch die Zunahme der Kurzsichtigkeit zu verlangsamen. Der Experte erklärt: "Bei einer Kurzsichtigkeit ist das Auge in den meisten Fällen vergrößert. Das Brillenglas muss deshalb die Abbildung verlängern, damit auf der Netzhaut ein scharfes Bild entsteht." Das Problem: Bei normalen Brillengläsern findet in der Peripherie, also am Rand des Augapfels, eine Überkorrektur statt – ein Anreiz für das Auge, noch stärker zu wachsen.

Um das zu verhindern, können sogenannte peripher defokussierende Kontaktlinsen und Brillengläser eingesetzt werden. Diese erzeugen in der Peripherie einen Defokus, sagt Gschweidl: "Am Rand des Augapfels wird bewusst eine Unschärfe erzeugt. Diese wird jedoch nicht wahrgenommen." Somit hat das Auge weniger Anreiz, weiter zu wachsen. Laut aktuellen Studien kann mit solchen Gläsern die Zunahme der Kurzsichtigkeit um 50 bis 70 Prozent reduziert werden. "Wenn es also in einem Jahr normalerweise zu einer Zunahme von zwei Dioptrien gekommen wäre, gibt es mit den Spezialgläsern gerade mal eine Verschlechterung von einer Dioptrie oder sogar etwas weniger."

Leider übernimmt die Krankenkasse derzeit nur bei Kontaktlinsen einen Großteil der Kosten. Für kleinere Kinder sind diese aber oft noch nicht anwendbar. Gschweidl erklärt: "Die peripher defokussierenden Kontaktlinsen gibt es bereits länger am Markt als die Brillengläser, darum ist hier die Studienlage auch schon etwas weiter."

Regelmäßige Kontrollen wichtig

Diese Spezialbrillengläser und Kontaktlinsen werden vorrangig bei Kindern ab sechs Jahren bis zum Ende des Wachstums eingesetzt. Denn: Babys sind nach der Geburt erst einmal weitsichtig. In den ersten sieben Lebensjahren wachsen die Augen und werden in vielen Fällen normalsichtig. Wenn das Auge danach jedoch weiter wächst und somit zu lang wird, kommt es zur Kurzsichtigkeit. Diese nimmt dann auch häufig zu, solange die Kinder noch wachsen. "Erst wenn die Jugendlichen dann ausgewachsen sind, kann zu normalen Brillengläsern gewechselt werden", sagt der Experte.

Um eine Kurzsichtigkeit rechtzeitig zu erkennen, sind regelmäßige Besuche beim Augenarzt empfohlen. Im Mutter-Kind-Pass ist zwar eine augenärztliche Untersuchung rund um den zweiten Geburtstag vorgesehen – danach wird jedoch häufig auf weitere Kontrollen vergessen. Erst bei Schulbeginn tritt das Thema Kinderaugen wieder etwas in den Fokus. Gschweidl weiß: "Die Kinder merken recht schnell, wenn sie das Geschriebene auf der Tafel nicht lesen können." Besser jedoch: eine Kontrolle vor Schulbeginn oder zumindest kurz danach. Dann sollte die Sehstärke jährlich überprüft werden. (jaa, 5.9.2022)