OMV-Chef Stern wird dem Öbag-Aufsichtsrat Rede und Antwort stehen – darf er dort mehr Infos geben als in der Hauptversammlung für alle Aktionäre?

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Für viel Aufregung hat jüngst die Nachricht gesorgt, dass der Aufsichtsrat der Staatsholding Öbag OMV-Chef Alfred Stern für 2. September zu einer Art Vorsingen eingeladen hat. Stern soll in einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung der Öbag (hält 31,5 Prozent an der OMV und ist in einem Syndikat mit 24,9-Prozent-Aktionär Mubadala aus Abu Dhabi) Details zur neuen Strategie des größten österreichischen Industriekonzerns erklären.

Verlangt haben diese Sitzung einige Öbag-Aufsichtsratsmitglieder, vor allem Arbeitnehmervertreter sollen das beantragt haben. Die neue, vom OMV-Aufsichtsrat abgesegnete Strategie sieht die Abkehr von Öl und Gas und Hinwendung zu Chemie, Kunststoffen, Recycling vor, geht also in Bereiche, die bei der OMV-Tochter Borealis beheimatet sind.

Stern soll andere Optionen prüfen

Genau das soll am Freitag hinterfragt werden, diverse Öbag-Aufsichtsratsmitglieder fühlen sich nicht ausreichend informiert. Der Schwenk weg von Öl und Gas und damit weg von einem bisherigen OMV-Standbein sei zu rasch beschlossen worden, argumentieren manche Kritiker, die OMV solle sich auf ihre eigenen Stärken in diesem Bereich besinnen. Offenbar soll OMV-Chef Stern in oder nach der Öbag-Aufsichtsratssitzung dazu bewegt werden, Optionen in diese Richtung zu prüfen. Manche sehen Stern schon als Ablösekandidaten, mehr Hinweise darauf, dass er abmontiert werden könnte, gibt es aber nicht.

Die Öbag ließ vorige Woche wissen, dass sie die OMV-Strategie mittrage, ihr neuer Aufsichtsratspräsident Günther Ofner gab keinen Kommentar "zu unbegründeten Spekulationen und Gerüchten ab".

Aber darf die OMV ihre Aktionärin Öbag überhaupt mit Details zur neuen Strategie versorgen, abseits der Hauptversammlung? Oder widerspricht das der gesetzlichen Pflicht zur Gleichbehandlung aller Aktionäre – für die es freilich Ausnahmen gibt?

Öbag darf informiert werden ...

Eine Frage, die von Aktienrechtsexperten unterschiedlich gesehen wird, rechtlich ist das nicht explizit geregelt. WU-Professorin Julia Told, die einen Lehrstuhl für Zivil- und Unternehmensrecht innehat, meint, dass man die Extra-Info für den Öbag-Aufsichtsrat durchaus argumentieren könne. Sie tut das so: Die Öbag habe durch ihre 31,5 Prozent wohl beherrschenden Einfluss auf die OMV, sei de facto eine Konzernobergesellschaft.

Der Aufsichtsrat der Öbag habe die Pflicht, das Öbag-Leitungsorgan (in Person von Alleinvorständin Edith Hlawati) zu kontrollieren und das wiederum müsse quasi kontrollieren, was die Untergesellschaft (OMV) tut. Dafür müsse sich die Öbag eben alle Informationen beschaffen.

... muss aber nicht informiert werden

Zum anderen sei das auch im Interesse der OMV: Ihr müsse daran gelegen sein, dass die Gesellschaft, die auf sie Einfluss nimmt (die Öbag eben), das auf Basis einer ausreichenden Informationsgrundlage tut. Sollte die OMV der Öbag die Informationen aber nicht geben, könne die Staatsholding nichts dagegen tun und sei auf die Auskünfte in der Hauptversammlung angewiesen.

Was die Juristin aber auch einräumt: Zu dieser Frage gebe es keine einheitliche Rechtsprechung – und man könne auch in die Gegenrichtung argumentieren. (Renate Graber, 30.8.2022)