Schroffe Berge, wilde Natur und ein kampfeslustiger Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der in seiner Heimat Kaunertal ins Rennen um die Hofburg startete.

Foto: Florian Lechner

Journalistinnen und Journalisten sowie das eine oder andere Rindvieh – das Publikum bei Van der Bellens Rede war dem Ort entsprechend.

Foto: Florian Lechner

Kaunerberg – First Dog Juli musste bei der sicher umzäunten Hütte warten, als Herrchen und Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Montagmittag zum Rednerpult schritt. Auf knapp über 2000 Meter Seehöhe, in seinen heimatlichen Kaunertaler Bergen, lud das Staatsoberhaupt zu seiner "Österreich-Erklärung" – eine Art Pre-Opening des Bundespräsidentschaftswahlkampfes. Die Zuhörerschaft bestand aus einem Pulk Journalistinnen und Journalisten sowie einer Herde Mutterkühe mitsamt Kälbern. Letztere hielten brav Abstand, während Van der Bellen zur Lage der Nation und seiner eigenen als wieder kandidierender Präsident referierte. Erstere hörten aufmerksam zu und machten Notizen.

Die kurze Wanderung auf die Verpeil-Alm, vulgo "Schianbödele", wie der Herr Präsident als Einheimischer natürlich wusste, meisterte das Staatsoberhaupt problemlos und legte beim Wandern sogar eine Zigarettenpause ein – mitsamt mitgebrachtem Aschenbecher. Der Aufstieg war wohl auch als Replik an all jene zu verstehen, die Van der Bellen nach dessen Wanderunfall vor einer Woche die Amtsfähigkeit absprechen wollten. "Selber schuld", fasste er den kleinen Ausrutscher zusammen. Aber er halte es mit Niki Lauda, der einst gesagt hat, dass man nach einem Unfall so schnell wie möglich wieder zurückkommen soll.

Heimspiel in den Bergen

Das Kaunertal im Tiroler Oberland war Van der Bellens erste Heimat, als er als Flüchtlingskind in den Kriegswirren nach Österreich kam – und daher auch der aus seiner Sicht ideale Ort für das Comeback nach dem Sturz sowie den inoffiziellen Wahlkampfauftakt. Noch heute biete ihm diese schroffe und wilde Natur Geborgenheit, erklärte der Präsident. Hierher kehre er immer gern zurück, um "die Dinge zu ordnen und zu gewichten". Denn unten im Tal sowie in ganz Österreich seien derzeit "so viel Flirren, Störgeräusche und Ängste in der Luft". Er kenne hier "jeden Grat und jeden Gipfel", habe als Kind barfuß die Almen unsicher gemacht und seinen Durst im Gebirgsbach gestillt.

Doch aus dem Kind "Sascha", wie er daheim genannt wurde, ist das Staatsoberhaupt Van der Bellen geworden. Eine Rolle, an der er nun "im fortgeschritten Alter" Gefallen gefunden habe, mehr noch: "Es ist meine Berufung."

Der 78-Jährige will Österreich als Präsident aus den aktuellen Krisen führen, wie er mehrfach betonte. Im Gegensatz zu jenen Politikern, die die Menschen "verführen". Wer damit gemeint war, blieb der Fantasie der Zuhörerinnen und Zuhörer überlassen. Doch angesichts der vielen vor allem rechten Kontrahenten im Rennen um die Hofburg waren die Adressaten recht klar.

Den Klimawandel "jetzt verdammt noch mal" angehen

In seiner Rede verzichtete Van der Bellen auf Angriffe. Vielmehr machte er klar, welche Themen ihm wichtig sind. Das ist zuerst "die Klimakatastrophe". Er zähle nicht zu jenen, die sagen: "Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen. This is fine." Weil nämlich nichts fein ist, wie er betonte. Um im Nachsatz noch energischer zu werden: Man müsse "jetzt verdammt noch mal" etwas dagegen tun.

Auch die Teuerungen und der Ukraine-Krieg kamen zur Sprache. Van der Bellen beschuldigte den russischen Präsidenten Wladimir Putin, nicht nur die Ukraine, sondern "unsere Art zu leben" attackiert zu haben. Dagegen gelte es, sich zu wehren. Die Teuerungen seien eine gewollte Folge von Putins Aggression. Dagegen gelte es aufzustehen: "Die Zeit der Despoten haben wir in Europa hinter uns gelassen."

Verlässlichkeit als Stärke

Das geeinte Europa beschwor der Präsident als die stärkste Waffe in diesem Konflikt. Denn Solidarität sei eine Stärke, mache diesen Kontinent zu einer Macht. Daher appellierte Van der Bellen an die Österreicherinnen und Österreicher, diesen Zusammenhalt wiederzuentdecken. Dass all dies wenig Neues oder Überraschendes sei, räumte er ein: "Aber das ist eben so, wenn man verlässlich ist."

Auf die Tagespolitik ging er nur kurz ein. Mit Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), der durch "sehr unglückliche Formulierungen" bezüglich Abschiebungen aufgefallen sei, will Van der Bellen "das Gespräch suchen".

Der Präsident ließ den Tag auf der Alm mit Musik und regionalen Schmankerln ausklingen. Hund Juli sonnte sich derweil zu seinen Füßen und ließ sich nicht weiter stören. (Steffen Arora, 29.8.2022)