Mit Wien Energie trifft die Energiekrise einen Koloss, der auf tönernen Füssen steht. Um sich in den nächsten Monaten und Jahren mit Energie einzudecken, braucht Österreichs größter Landesenergieversorger, der die Bundeshauptstadt und Wiener Umlandgemeinden mit Strom und Gas beliefert, Geld, sehr viel Geld. Die Rede ist von sechs Milliarden Euro. Eine gigantische Summe, die Wien Energie allein nicht stemmen kann.

Die Preise für Gas und Strom gehen durch die Decke.
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Im Gegensatz zu Verbund und anderen Unternehmen, die viel Eigenerzeugung aus Wasser- oder Windkraft haben und wegen der hohen Marktpreise Geld scheffeln wie nie, sind die Wiener unter dem Strich auf Zukäufe angewiesen. Das ist bei Strom so und bei Gas noch mehr. Mit Gas wird neben Strom auch Wärme erzeugt. Der massiv gestiegene Gaspreis vor der angekündigten neuerlichen Schließung der Ostseepipeline Nord Stream 1 in dieser Woche hat den Strompreis am Freitag auf gut 1000 Euro je Megawattstunde katapultiert. Dieser Wahnsinn wird nun zum veritablen Problem für Wien Energie. Das Unternehmen hat wenig Eigenkapital. Zu viel Lasten wurden dem Unternehmen von der Stadt aufgehalst, darunter Pensionsrückstellungen. Das rächt sich nun.

Weil die Preise auf Rekordhöhe sind, werden von Unternehmen auch rekordverdächtig hohe Sicherheiten verlangt, wenn sie auf Terminmärkten Strom für Monate oder Jahre im Voraus kaufen bzw. verkaufen wollen. Das wird gemacht, um eine sichere und kostengünstige Versorgung der Kunden zu gewährleisten – wobei kostengünstig in Zeiten wie diesen sowieso zynisch klingt.

Dabei haben Wien Energie wie auch andere Unternehmen ohne große Eigenerzeugung im erneuerbaren Bereich vom Marktdesign bisher durchaus profitiert. Energie gab es zuhauf am Markt; wer wollte, konnte sich sehr günstig eindecken und vom Verkauf leidlich leben. Das hat auch Wien Energie so praktiziert.

Schutzschirm

Seit ein paar Monaten hat sich die Situation komplett gedreht. Die Preise für Gas und Strom gehen durch die Decke, auch als Folge aus Putins Einmarsch in der Ukraine. Auf den Kosten blieben Wien Energie und andere Unternehmen bisher sitzen, weil die Preise für Endkunden so rasch gar nicht angepasst werden konnten. Die Preiserhöhung, die Wien Energie und EVN mit 1. September umsetzen, bringt den Unternehmen eine Entlastung. Das Problem der Sicherheiten ist aber nicht vom Tisch. Ohne Staatshilfe wird es nicht gehen, wobei das türkis-schwarze Finanzministerium wohl versuchen wird, das rote Wien mit in die Pflicht zu nehmen.

Überlegt wird ein Schutzschirm nach deutschem Vorbild, wo der Bund über die Förderbank KfW dem Energiehandel schon im Juni Kredithilfen über 100 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt hat. In Österreich hielt man dies bisher offenbar nicht für notwendig und wurde, wieder einmal, eines Besseren belehrt.

Wenn nun ein Schutzschirm gebastelt wird, um Wien Energie akut zu helfen, sollte er jedenfalls gleich breiter aufgezogen werden. Wenn nämlich Strom absehbar billiger wird, weil die Regierung einen Preisdeckel einziehen will, werden große Industrieunternehmen wie Voest, Amag und Co die nächsten Opfer sein und Hilfe benötigen. Viele haben sich jetzt zu den hohen Preisen Energielieferungen für die nächsten Monate gesichert und würden bei fallenden Preisen auf den Kosten sitzenbleiben. (Günther Strobl, 30.8.2022)