Ludwig: Gemeinderat wird über Notkredite der Stadt im September informiert.

Foto: APA

Zwei Tage lang hat er geschwiegen, am Dienstag hat sich Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) zur Causa prima, der Schieflage bei Wien Energie, zu Wort gemeldet. Schon das Setting sollte vermitteln: Es mag eine ernste Situation sein, mit der Wiener Stadtregierung hat die ganze Causa aber wenig zu tun. Zur Pressekonferenz geladen hatte Ludwig nicht etwa ins Rathaus, sondern in den ORBI-Tower der Wiener Stadtwerke.

Knapp und bündig lautete dann die Erklärung des Bürgermeisters zur Affäre dann auch, dass nicht die Stadt oder der Energieversorger etwas falsch gemacht hätten, sondern die Energiemärkte verrückt spielen. Die Versorgungssicherheit der Wienerinnen und Wiener sei aber nicht gefährdet. Und: Wien Energie sei ein solide aufgestelltes Unternehmen, wie auch der rote Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke und der Aufsichtsratschef des Unternehmens, Peter Weinelt, bei dem Termin betonten.

Warum wurde nicht informiert?

In der gesamten Causa geht es inzwischen um zwei relevante Fragen: Hat Wien Energie an den Energiebörsen in großem Stil spekuliert und fährt deshalb möglicherweise enorme Verluste ein? Zweitens und ebenso relevant ist die Frage nach der politischen Verantwortung: Warum hat der Bürgermeister bereits zweimal der Wien Energie Notkredite gewährt, ohne die Öffentlichkeit darüber zu informieren?

Zur zweiten Frage lieferte das Pressegespräch wenig Aufklärung. Ludwig führte aus, dass er bereits am 15. Juli in seiner Funktion als Bürgermeister einen Kredit der Stadt an das Unternehmen Wien Energie in Höhe von 700 Millionen Euro genehmigte. Einen zweiten solchen Kredit soll er gestern unterzeichnet haben.

Aber warum wurde das nicht öffentlich diskutiert und transparent gemacht? 1,4 Milliarden Euro sind ja eine gewaltige Summe. Der gesamte Schuldenstand der Stadt Wien beträgt neun Milliarden Euro, ginge der Kredit verloren, würde der Schuldenberg mit einem Federstreich massiv ansteigen. Hinzu kommt, dass dieses Geld offensichtlich nicht gereicht hat, weshalb Wien nun mit dem Bund in Gesprächen ist, um eine Kreditlinie von dort zu bekommen.

Ludwigs Antwort dazu: Er verwies auf die Wiener Stadtverfassung. Dort ist in Paragraf 92 geregelt, dass in "dringlichen Fällen" der Bürgermeister berechtigt ist, eine "Verfügung zu treffen", wenn die Entscheidung der Gemeindeorgane ohne Nachteil für die Sache nicht abgewartet werden kann. Ludwig betonte, dass es so eine dringliche Sache gewesen sei, für das Energieunternehmen einen "Wiener Schutzschirm" aufzuspannen, und dass der Gemeinderat in der nächsten Sitzung, im September, informiert werde. Warum das Ganze aber nicht öffentlich gemacht wurde? Dazu sagte Ludwig nichts.

Kritik an Regierung

Dafür ließ er durchblicken, dass er mit dem Vorgehen der Bundesregierung nicht einverstanden war, die ganze Causa schon am Sonntag publikgemacht und auch noch kommentiert zu haben.

Detaillierter versuchte da schon Wien-Energie-Aufsichtsratschef Peter Weinelt zu erklären, warum Wien Energie seiner Ansicht nach keine Spekulationsgeschäfte an der Börse getätigt habe. Die Erklärung lautet so: Die Strombörsen nutzen Energieversorger dazu, um Strom zu kaufen und zu verkaufen, um Schwankungen in der Produktion mit dem Verbrauch auszugleichen. Jede Megawattstunde Strom werde im Schnitt sieben- bis zehnmal verkauft, bis sie auch verbraucht werde, am Markt.

Spekulation oder nicht

In Wien schwanke die Stromerzeugung allein schon deshalb gewaltig, weil die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), also jene Kraftwerke, die mit Gas Strom und Fernwärme erzeugen, nur in den Monaten Jänner bis März und dann wieder von Oktober bis Weihnachten läuft. Wenn der dort produzierte Strom überschüssig ist, wird er verkauft, wenn zu wenig vorhanden ist in Wien, wenn Kraftwerke stillstehen, werde Strom eingekauft.

Wien Energie habe also mitnichten sogenannte Leerverkäufe getätigt, also Strom verkauft, den die Werke gar nicht selbst herstellen und der dann teuer eingekauft werden muss. Auch Wien Energie betonte, dass an den Börsen aktuell 4,48 Terawattstunden Strom bis Ende 2024 im Verkauf sind, was nicht einmal einer Jahresproduktion an Strom entspreche. (András Szigetvari, 30.8.2022)