Kreuzfahrtschiffe und Containerschiffe bewegen sich großteils mit Schweröl, Diesel und Flüssiggas durch die Weltmeere. Die Suche nach nachhaltigen Alternativtreibstoffen läuft.

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Die internationale Schifffahrt ist, würde man sie mit Ländern vergleichen, der sechstgrößte CO2-Emittent der Welt. Frachter und Containerschiffe fahren mit Schweröl und Diesel, Kreuzfahrtschiffe mitunter mit Flüssiggas. Wie aber die internationale Schifffahrt dekarbonisieren?

Elektrifizierte Schiffsantriebe kommen als Dekarbonisierungsstrategie für den Warentransport auf den Weltmeeren derzeit nicht in Betracht. Bei der jetzigen Energiedichte von Batterien "würden sie den gesamten Frachtraum ausfüllen, um ein Containerschiff von Asien nach Europa zu schippern", sagt Andreas Wimmer, Professor am Institut für Thermodynamik und nachhaltige Antriebssysteme, sowie Leiter des Comet-Zentrums Large Engine Competence Center (LEC) an der Technischen Universität Graz.

Einzig bei kurzen Fahrten, etwa im Falle von Fluss- oder Fjord-Fähren, wären Elektroantriebe nachhaltig einsetzbar. Flüssiges Erdgas wiederum bringt mit 25 Prozent zu wenig CO2-Einsparungen gegenüber Diesel, reiner Wasserstoff braucht zu viel Tankvolumen.

Ammoniak könnte helfen

Interessanterweise scheint sich nun Ammoniak als Kompromisskandidat für einen alternativen Treibstoff durchzusetzen.

Denn das stechend riechende und giftige Gas hat gegenüber anderen Kraftstoffen Vorteile. So lässt es sich theoretisch schon in umgerüsteten Dieselaggregaten CO2-frei verbrennen und ist ein Treibstoff mit passabler Energiedichte. Zwar braucht es für 1000 Seemeilen ein viermal so hohes Tankvolumen als Diesel. Ammoniak wird aber schon bei 20 Bar Überdruck flüssig und benötig nur ein halb so großes Tankvolumen als flüssiger Wasserstoff. Dieser müsste zudem noch in Spezialtanks teuer auf minus 253 Grad Celsius gehalten werden.

Wimmer will sich nun mit seinem Team am LEC, dessen Vertrag mit neuer Schwerpunktsetzung gerade für sieben Jahre als K1-Comet-Zentrum der Forschungsförderungsgesellschaft FFG verlängert wurde, intensiv mit dem Ammoniakantrieb von Schiffsmotoren auseinandersetzen. Die Finanzierung durch Wirtschafts- und Klimaschutzministerium ist damit sichergestellt.

Umrüstung

Eine Zielsetzung des Zentrums ist die Umrüstung von Dieselmotoren auf Ammoniakantrieb. "Schiffsmotoren haben eine Lebenszeit von 40 bis 50 Jahren", sagt Wimmer. "Ein Zero-Emission-Ziel bis 2050 lässt sich nur erreichen, wenn nicht nur neue, sondern bereits im Einsatz befindliche Schiffe ihre Dieselmotoren auf Ammoniakantrieb umrüsten."

Die neue Antriebstechnologie wirft einige Fragen auf – Ammoniak ist an sich schwer entzündlich und lässt Metalle schneller rosten. Zudem könnte bei der Verbrennung klimaschädliches Lachgas entweichen. Aber diese Herausforderungen seien laut Wimmer zu meistern. Genauso wie die Sicherheitstechnik an Bord. Gelangt Ammoniak in größeren Mengen in die Atemwege, werden sie schwer verätzt.

Gefahren bei Unfall

Bei einer Havarie würde Ammoniak auch heftige Umweltschäden erzeugen, etwas zu einem Fisch- und Pflanzensterben in der Umgebung führen, wie der Environmental Defense Fund, eine US-Umwelt-NGO, in einer Arbeit feststellte. Aber im Unterschied zu Ölkatastrophen wären die Schäden geringer.

Zudem bräuchte es genügend grünes Ammoniak – hergestellt aus grünem Wasserstoff plus Stickstoffzugabe aus Luft und anderen Quellen. Schätzungen gehen davon aus, dass man für eine 100-prozentige Dekarbonisierung der Schifffahrt jährlich rund 500 Millionen Tonnen grünes Ammoniak benötigen würde. Das würde das 2,5-Fache der derzeitigen Weltproduktion für graues Ammoniak bedeuten, das mit chemischen Verfahren aus Erdöl und Erdgas gewonnen wird.

Ammoniakhersteller planen zwar bereits Kooperationen mit Elektrolyseunternehmen, um Ammoniak grün herzustellen. In Dänemark will man ab 2024 auch Windenergie von Offshoreanlagen dazu nutzen. Geplant sind auch Solaranlagen in der saudi-arabischen Wüste und in Nordafrika. Die derzeit kolportierten Kapazitäten betragen aber erst ein paar Promille des Bedarfs. Ein typisches Henne-Ei-Problem, meinen Experten: Würde sich Ammoniak als neuer Treibstoff für die Schifffahrt etablieren, so könnte das auch die Produktion von grünem Wasserstoff mitziehen. (Norbert Regitnig-Tillian, 5.9.2022)