Durch die beschleunigte Expansion des Alls entfernen sich solche Schönheiten zusehends von uns.
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Albert Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie ist grundlegend für unser Verständnis des Universums: Sie erklärt, wie Massen die Raumzeit krümmen, wodurch deren Bewegungen beeinflusst sind. Wir nehmen diesen Effekt als Schwerkraft, also als gegenseitige Anziehung wahr. Doch es gibt einen Baustein in Einsteins Theoriegebäude, der nicht so recht dazu passt: die kosmologische Konstante.

Einstein führte die kosmologische Konstante ein, damit seine Theorie nicht den Kollaps des Universums vorhersagt: Sie sollte das abstoßende Gegengewicht der anziehenden Schwerkraft sein und gewährleisten, dass die Theorie ein ausgedehntes, aber ruhendes Universum beschreibt. Diese Größe, mit dem hübschen Formelzeichen Λ, bezeichnete Einstein später als seine größte Eselei. Denn wie Beobachtungen weit entfernter Galaxien ergaben, leben wir tatsächlich nicht in einem statischen Universum – sondern in einem sich ausdehnenden. Einsteins kosmologische Konstante war überflüssig.

Unbekanntes Universum

Doch vielleicht war Einstein zu streng mit sich: Wie Messungen in den späten Neunzigern ergaben, nimmt die Geschwindigkeit, mit der das Universums expandiert, stetig zu. Doch was steigt dem All aufs Gaspedal? Kosmologinnen und Kosmologen machen die Dunkle Energie für die rätselhafte Beschleunigung verantwortlich. Interessanterweise benimmt sich das All damit genau so, als ob es eine kosmologische Konstante gäbe. Diese späte Beinahe-Bestätigung konnte der Physiker mit dem Wuschelkopf aber nicht mehr miterleben.

Wissen wir nicht wirklich, um was es sich handelt, nennen wir es dunkel. Während das bei Dunkler Materie noch gerechtfertigt ist, interagiert doch dieser unbekannte Stoff nicht mit Licht, ist die Bezeichnung bei der Dunklen Energie wohl wirklich bloße Verlegenheit: Wir wissen nicht, was hinter der Dunklen Energie steckt. Beinahe eine Peinlichkeit, wenn man sich vor Augen führt, dass Dunkle Energie und Dunkle Materie gemeinsam 95 Prozent der Masse=Energie des Universums ausmachen. Vom Großteil des Alls haben wir also keine Ahnung!

Mithilfe eines Vier-Meter-Durchmesser-Teleskops durchforstete ein Forschungsteam den Himmel nach Hinweisen auf Schwankungen in der Stärke der Gravitation.
Foto: International Gemini Observatory/NOIRLab/NSF/AURA/A. Hara

Alternative Theorien

Kein Wunder, dass vielen Fachleuten die beiden dunklen Kräfte des Universums reichlich suspekt sind. Immer wieder werden Gegenhypothesen vorgeschlagen. So etwa könne man Dunkle Materie durch "schlafende" Schwarze Löcher erklären, die es in großer Zahl geben müsste, aber dank ihrer fehlenden Akkretionsscheibe schwer zu finden sind. Auch Adaptionen der Einstein’schen Relativitätstheorie wurden vorgeschlagen.

Eine Möglichkeit, die beschleunigte Expansion des Alls ohne Dunkler Energie zu erklären, besteht darin, dass die Schwerkraft früher unterschiedlich stark war. So könnte eine kontinuierliche Abnahme der Stärke der Gravitation seit fünf Milliarden Jahren die damals einsetzende Beschleunigung erklären. Nun ist die Schwerkraft natürlich nicht immer gleich stark: Die Anziehung zwischen zwei Körpern hängt von deren Massen und Abstand ab. Eine Schwankung, wie sie hier gemeint ist, würde allerdings bewirken, dass sich die Kraft zwischen denselben Körpern im selben Abstand verändert.

Freilich, so eine Schwankung der Gravitationsstärke wäre im Widerspruch mit der Allgemeinen Relativität. Doch auch diese überaus gut überprüfte Theorie ist nicht in Stein gemeißelt: Bei genügend empirischem Druck müssten sie Physikerinnen und Physiker aufgeben. Genau nach solchen empirischen Belegen für über die ART hinausgehende Physik hält ein internationales Forschungsteam Ausschau. Denn klar ist: Eine schwankende Schwerkraft hätte Spuren am Firmament hinterlassen.

Spurensuche im All

Das als "Dark Energy Survey Collaboration", kurz DES, bekannte Team fahndete in den Formen von über 100 Millionen Galaxien in unterschiedlichen Entfernungen von der Erde nach Hinweisen, dass die Schwerkraft an irgendeinem Zeitpunkt schwankte. Dabei nutzen die Forscherinnen und Forscher Gravitationslinsen: Passiert Licht auf seinem Weg zur Erde gewaltige Massenansammlungen, etwa aus Dunkler Materie, verzerrt deren Gravitation den Raum und damit auch die Wege des Lichts. In der Folge wirken hinter der Masse liegende Objekte seltsam verzerrt: je größer die Gravitation, desto stärker die Verformung.

Die leuchtenden roten "Pfefferoni" sind weit entfernte Galaxien, deren Licht von dem Galaxienhaufen im Vordergrund abgelenkt wird.
Foto: IMAGO/UPI Photo

In den Daten, die aus Beobachtungen des chilenischen Victor-M.-Blanco-Teleskops und des Planck-Satelliten der Esa stammen, fand das Team jedoch keine Abweichungen. Wie sie jetzt berichten, war wohl die Schwerkraft während der gesamten Geschichte des Universums gleich stark. Tatsächlich verhalten sich die vermessenen Galaxien, die ältesten waren über fünf Milliarden Jahre alt, genau so, wie es Einsteins Theorie vorhersagt.

Die Unsicherheit der aktuellen Messwerte bietet noch ein bisschen Raum für Theorien, die der Relativität gefährlich werden könnten. Genauere Daten, unter anderem durch die Sonde Euclid der Esa, die 2023 ins All starten soll, werden zeigen, ob die Kosmologie wirklich auf die Dunkle Energie zurückgeworfen bleibt. (Dorian Schiffer, 30.8.2022)