Der bevorstehende Schulstart bedeutet für viele Kinder und Jugendliche Stress. Doch für psychische Probleme gibt es immer noch viel zu wenig niederschwellige Hilfsangebote.

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Umfragen der Donau-Universität Krems, die vor und nach der Pandemie durchgeführt wurden, machen die prekäre Situation deutlich: 2020 gaben 24 Prozent der Jugendlichen an, unter psychischen Problemen zu leiden. Im Frühjahr 2022 stieg die Zahl bereits auf 50 Prozent – also bereits jeder zweite Jugendliche beschreibt in der aktuellen Befragung, depressive Symptomatiken zu kennen. Jeder Sechste spricht sogar von suizidalen Gedanken.

Vor allem auch in Hinblick auf völlig überfüllte Kinder- und Jugendpsychiatrien fordern Fachleute, die Prävention bereits in den Schulen auszubauen. Barbara Haid, Präsidentin des Österreichischen Bundesverbands für Psychotherapie, will vor allem "das Thema Mental Health in den Schulen größer positionieren", wie sie im Zuge einer Online-Pressekonferenz sagt. Dafür müsse das Thema jedoch zuerst enttabuisiert und Bewusstsein dafür geschaffen werden. Das Projekt fit4School, das an einigen Pilotschulen sehr erfolgreich umgesetzt wird, gehe bereits in diese Richtung. Das Angebot psychotherapeutischer Beratung in der Schule richtet sich an Schülerinnen und Schüler, Lehrende und Eltern und dient vor allem der Prävention und Entlastung – aber auch in Akutfällen könnten Betroffene rasch an andere Stellen vermittelt werden.

Schulstart bedeutet Stress

Die aktuelle Trendstudie "Jugend in Österreich Sommer 2022", die unter 14- bis 29-Jährigen durchgeführt wurde, bestätigt ebenfalls den Verdacht, dass Handlungsbedarf besteht. Hier gab ein Drittel der Befragten an, unzufrieden mit dem eigenen Leben zu sein. Zu den größten Sorgen zählten die Jugendlichen neben Geld und dem Klimawandel auch die Kriegsgefahr in Europa, schlechte berufliche Aussichten und die eigene psychische Gesundheit. Aber auch Belastungen wie Stress, Erschöpfung, Selbstzweifel und Antriebslosigkeit dürften mit ein Grund für die Unzufriedenheit in dieser Altersgruppe sein.

Der bevorstehende Schulstart nach den Sommerferien bedeutet für viele Schülerinnen und Schüler außerdem emotionalen Stress. In dieser Befindlichkeit müsse man sie wahrnehmen, plädiert Haid. Ist ein Angebot da, wird es üblicherweise auch angenommen. Schon vor der Corona-Krise hätten Befragungen gezeigt, dass der Nachwuchs unterstützenden psychosozialen Angeboten gegenüber offen und positiv eingestellt ist.

Von den rund 1,7 Millionen Menschen unter 20 Jahren in Österreich besuchen 1,1 Millionen eine Schule, doch derzeit stehen ihnen nur 181 Schulpsychologen zur Verfügung. Wer unter psychischen Problemen leidet, muss derzeit monatelang auf einen Behandlungsplatz warten, vor allem für Kassenpatienten gibt es sehr lange Wartelisten.

Mental Health als Schulfach

Auch Mira Lobnig, Mitinitiatorin der Jugend-Mental-Health-Initiative "Gut und selbst", forderte eine Aufstockung des psychosozialen Schulsupportpersonals. Neben Schulärztinnen und Schulpsychologen sollten an jeder Schule Schulpsychotherapeuten, Sozialarbeiterinnen und mehr Vertrauenslehrer tätig sein, so die Experten unisono. Das Thema "Mental Health" solle darüber hinaus in den Mittelpunkt rücken.

Durch die Pandemie sind Belastbarkeit und Stressakzeptanz gesunken, es brauche niederschwellige Unterstützung und Präventionsangebote in der Schule. Auch müssten Präventions- und Weiterbildungsangebote für Schüler, Lehrende und Eltern im psychosozialen Bereich dringend ausgebaut, das Thema mentale Gesundheit als eigenes Schulfach in den Lehrplan aufgenommen und auch in die Lehrer-Ausbildung integriert werden. (APA, jaa, 31.08.2022)