Zumindest die elektrische Tankstelle soll bald wieder günstiger werden.

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Kommt die Rettung für Wien Energie, die durch Termingeschäfte auf den Strombörsen bzw. explodierende Preise am Wochenende in existenzielle Zahlungsnöte kam, indirekt und zumindest teilweise seitens der Europäischen Union? Danach sah es am Dienstag aus – während in Wien das Finanzministerium über ein Milliardendarlehen des Bundes an das Land Wien (und den größten regionalen Energieversorger mit zwei Millionen Kunden) verhandelte.

Solche Garantien braucht der Konzern, weil er mit Future-Geschäften riesige Mengen an Strom verkaufte, die er nicht hat und die die eigene Produktionsmenge um ein Vielfaches übersteigen. Da der Preis für Strom im europäischen Handel auf ein Rekordniveau kletterte und auch Gas wegen des Konflikts mit Russland extrem teuer war, ergaben sich für Wien Energie Probleme der Liquidität zur Absicherung der Verträge. Ein Teufelskreis an Spekulation mit der Zukunft.

Genau das soll nach dem Willen der EU-Kommission so rasch wie möglich mit einem "Notfallinstrument" beendet werden. Das hat Präsidentin von der Leyen bei einer Konferenz in Slowenien und Gesprächen im deutschen Wirtschaftsministerium am Montag angekündigt. Das Ziel sei, dass "die in die Höhe schießenden Strompreise" begrenzt werden. Die Turbulenzen "zeigen die Grenzen unseres jetzigen Strommarktdesigns auf", sagte sie. Das vor zwanzig Jahren geschaffene sogenannte Merit-Order-System im Stromhandel sei für andere Umstände entwickelt worden und nicht mehr zweckmäßig.

Notfallmaßnahme

"Deshalb arbeiten wir jetzt an einer Notfallmaßnahme und an einer Strukturreform des Strommarktes", erklärte von der Leyen. Allein diese Ankündigung reichte dafür aus, dass die Preise für Strom und auch Gas im Handel sofort beträchtlich nachgaben, verstärkt durch Meldungen, dass die Gasspeicher im Schlüsselland Deutschland bereits mit 85 Prozent gefüllt seien – gute Aussichten für den Winter.

Das starke Fallen der Preise führte prompt dazu, dass Wiens Finanzstadtrat Hanke sagen konnte, Wien Energie könnte die zwei Milliarden Euro an staatlichen Sofortgarantien vielleicht doch nicht benötigen. Anders betrachtet: Wenn es gelänge, Preise für Strom im offenen EU-Binnenmarkt einzufangen, ließe der Druck auf Wien Energie nach.

Wie DER STANDARD erfuhr, ist genau das der Plan der Kommission, den sie im Frühjahr schon einmal präsentierte, der aber von den Regierungschefs abgelehnt wurde. Demnach soll mit koordinierten staatlichen Interventionen dafür gesorgt werden, dass die Gaspreise ein bestimmtes Niveau nicht überschreiten. Gas ist bei der Stromproduktion in einigen EU-Staaten (und vor allem in Wien) sehr wichtig. Das treibt gemäß Merit-Order auch den Strompreis in lichte Höhen. Indem man nun aber den Mechanismus der Merit-Order verändert, das Gewicht von Gas bei der Preisentstehung im Mix mit Nachhaltigen verringert, könnten auch die Strompreise um gut 30 bis 40 Prozent reduziert werden, sagte ein EU-Experte.

Der EU-Energieministerrat wird am 9. September darüber beraten. Ziel sei es, bis November eine Änderung zu erreichen und die Strom- und Gaspreisentwicklung zu entkoppeln. Dazu bedarf es einer Einigung der 27 EU-Staaten und der Zustimmung des Europäischen Parlaments – schwierig in der kurzen Zeit, aber angesichts der Krise nicht undenkbar. Anfang 2023 soll eine Strukturreform des Energiemarktes folgen. (Thomas Mayer aus Alpbach, 31.8.2022)