Im Gastblog erklärt Rechtsanwältin Theresa Kamp, auf welche rechtlichen Aspekte im Falle einer Scheidung zu geachtet werden sollten.

Im Jahr 2021 lag die österreichweite Scheidungsrate bei circa 37 Prozent. In Wien lässt man sich beispielsweise öfter scheiden als in Tirol. Abgesehen von den emotionalen Folgen einer Scheidung gibt es aber auch noch die wirtschaftlichen Konsequenzen. Denn die Ehe ist nicht nur eine mehr oder weniger romantische Liebesbeziehung, sondern auch ein Vertrag.

Gerade weil es eine sehr emotionale Angelegenheit ist, dürfen die rechtlichen Aspekte einer Scheidung nicht unbeachtet bleiben.
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Im besten Fall gerät man durch eine Scheidung nicht in eine existenziell bedrohliche finanzielle Lage. Zu sagen, die Scheidung wäre eine systematische Vermögensvernichtung, ist hart. Was stimmt, ist, dass mit einer Scheidung leider keine magische Geldvermehrung einhergeht, dafür aber plötzlich doppelte Kosten entstehen. Damit man finanziell nicht durch die Finger schaut, hilft es, bei einer Scheidung häufige Fehler zu vermeiden.

Zu frühes Turteln mit einer anderen Person

Ein besonders häufiges Missverständnis ist, dass das Fremdgehen in der Ehe rechtlich kein Problem mehr ist. Das ist so nicht richtig. Es stimmt zwar, dass sexuelle Untreue kein absoluter Scheidungsgrund mehr ist, aber Ehebruch ist immer noch eine schwere Eheverfehlung. Bei dem in Österreich nach wie vor aufrechten Verschuldensprinzip kommt es im Fall einer strittigen Scheidung sehr wohl darauf an, wer "schuld" ist am Scheitern der Ehe.

Entscheidet ein Gericht, dass eine Person das alleinige oder überwiegende Verschulden am Ehe-Aus trifft, kann das unter Umständen dazu führen, dass auch nach der Ehe Unterhalt bezahlt werden muss. Es ist also nicht nur moralisch, sondern auch rechtlich ratsam, mit dem Eingehen einer neuen Liebschaft bis nach der Scheidung abzuwarten. Teilweise werden in Scheidungsverfahren sogar Detektive und Detektivinnen beauftragt, um etwaige Indiskretionen des Partners oder der Partnerin vor Gericht nachweisen zu können. Besonders wenig sinnstiftend ist es übrigens, neue Partner oder Partnerinnen zu Scheidungsverhandlungen mitzunehmen. Damit tut man sich meist selbst auch keinen Gefallen.

Überblick über die Finanzen

Viele Menschen merken angesichts einer anstehenden Trennung, dass sie weder wissen, was der eigene Ehemann oder die Ehefrau genau verdient, noch sind sie im Bilde über etwaige Ersparnisse, offene Kredite oder bestehende Fixkosten. Häufig kennen die betroffenen Eheleute die Höhe der Strom- oder Gasrechnung in der eigenen Wohnung nicht. Solche Zahlen zu kennen ist aber essenziell – auch im Hinblick auf etwaige Verhandlungen für eine einvernehmliche Lösung. Welche Konten mit welchen Guthaben gibt es, was ist die Einkommenssituation (des oder der anderen), gibt es (gemeinsames) Vermögen, wie steht es um etwaige Liegenschaften beziehungsweise Kredite und laufende Kosten?

Gerade, wenn noch keine Rede von Scheidung oder Trennung ist, sind aufschlussreiche Dokumente oft noch verfügbar, etwa in der gemeinsamen Dokumentenmappe oder aber am Küchentisch. Ein Blick darauf lohnt sich, eine Kopie oder sogar ein Handyfoto ist hilfreich. Erstaunlicherweise tendieren Unterlagen solcher Art nach Bekanntgabe des Scheidungswunsches oft dazu, verschollen zu sein. Auf (gemeinsames) Vermögen, von dem man nicht weiß, dass es existiert, kann man schwer Ansprüche stellen. Man sollte keine Auskundschaftungen betreiben, Briefe an die andere Person öffnen, Passwörter hacken oder ähnliches. Genau hinschauen oder etwas beim Aufräumen zu finden ist aber nicht verboten.

"Gemeinsames" Umfeld über die eigenen Pläne informieren

Auch wenn man sich bisher immer gut mit der Schwiegermutter verstanden hat, ist es nicht ratsam, mit der Familie des Partners oder der Partnerin Pläne beziehungsweise Scheidungsbegehren zu besprechen. Schon gar nicht sollten konkrete Informationen, die man möglicherweise vom eigenen Rechtsbeistand erhalten hat, mit einem gemeinsamen Freundeskreis oder Familienmitgliedern geteilt werden, die diese Informationen brühwarm an den Partner oder die Partnerin weitergeben können.

Gerade wenn man selbst die Scheidung nicht möchte und eine Versöhnung anstrebt, tendieren Menschen dazu, sich weiterhin mit dem Partner oder der Partnerin absprechen zu wollen oder auch von Gesprächen mit der eigenen Rechtsvertretung erzählen zu wollen. Das ist zwar emotional nachvollziehbar, aber rechtlich nicht ratsam. Außerdem ist es hochsinnvoll, sämtliche Passwörter bei den eigenen E-Mails oder sozialen Netzwerken zu ändern. Niemand wünscht sich, dass der Partner oder die Partner inklusive Rechtsvertretung während des Scheidungs-Prozesses zum Beispiel die E-Mail-Korrespondenz mitlesen kann oder sieht, was für Urlaube mit dem neuen Schatz gebucht werden.

Auszug aus der Ehewohnung

Ein besonders leicht zu vermeidender, aber umso schwerwiegenderer Fehler ist der Auszug aus der Ehewohnung. Viele Menschen tendieren dazu, bei einer konfliktgeladenen Situation – vorübergehend – auszuziehen. Davon ist abzuraten, denn es kann als "böswilliges Verlassen" gewertet werden und als Eheverfehlung in einem Scheidungsverfahren releviert werden. Teilweise wird nämlich dann von der Gegenseite behauptet, die Beziehung wäre noch gar nicht am Ende gewesen, sondern erst der Auszug hätte das Fass zum Überlaufen gebracht. Leicht zu beweisen ist der Auszug einer Person außerdem.

Darüber hinaus gibt es auch etwas, was sich die normative Kraft des Faktischen nennt. Wenn man zum Beispiel einen Anspruch auf die Ehewohnung oder ein dringendes Wohnbedürfnis geltend machen möchte, ist ein Auszug nicht unbedingt zielführend. Mit gemeinsamen, minderjährigen Kindern können sich zusätzliche Probleme ergeben.

Vermeiden Sie Besitzstörungshandlungen

Auch wenn man den anderen oder die andere am liebsten zum Mond schießen würde und die Person sprichwörtlich rausschmeißen möchte, gibt es vor dem Inkrafttreten der Scheidung mehrere Dinge zu beachten. Die Ehewohnung ist speziell geschützt. Lässt man zum Beispiel die Schlösser der Ehewohnung (auch wenn diese einem allein gehört) austauschen, um die andere Person auszusperren, kann das eine Besitzstörung darstellen. Ebenso kann es eine Besitzstörung sein, wenn zum Beispiel das bisher gemeinsam benützte PKW oder Telefon entzogen wird oder andere gemeinsam benützte Gegenstände aus der Ehewohnung entfernt werden. Ein solches Verhalten kann nicht nur zu einem gerichtlichen Verfahren wegen der Besitzstörung führen, sondern kommt auch im Scheidungsverfahren nicht gut an. (Theresa Kamp, 13.9.2022)