Wer Smartphones verkauft, der hat heutzutage meist auch jede Menge passende Hardware aus ganz anderen Bereichen im Angebot. Die Idee dahinter ist kein Geheimnis: Das Smartphone wird als Hebel benutzt, um in neue Produktkategorien vorzudringen – Kategorien, die zuvor von ganz anderen Firmen dominiert wurden. Es gilt also neue Wachstumsbereiche zu erschließen.

Gerade bei Kopfhörern ist dieser Plan auch bestens aufgegangen. Firmen wie Apple oder Samsung haben sich mit ihren Earbuds einen bedeutenden Teil des Gesamtmarktes gesichert. Damit das auch so bleibt, muss aber natürlich regelmäßig aktualisierte Hardware nachgereicht werden.

Galaxy Buds 2 Pro

Mit den Galaxy Buds 2 Pro hat Samsung vor kurzem ein neues Topmodell für die eigene Earbud-Kollektion vorgestellt. Um 229 Euro soll man dabei wirklich alles bekommen, was man sich derzeit von solchen Ohrhörern wünschen kann – und ein bisschen mehr. So zumindest das Herstellerversprechen, dessen Wahrheitsgehalt DER STANDARD in den vergangenen Wochen ausführlich auf den Grund gegangen ist.

Die Galaxy Buds 2 Pro sind Samsungs teuerste Earbuds
Foto: Proschofsky / STANDARD

Einmal abspecken, bitte

Die "2" im Namen verrät es bereits: Die neuen Earbuds sind der direkte Nachfolger der seit Anfang 2021 erhältlichen Galaxy Buds Pro. Im direkten Vergleich fällt dabei vor allem eines auf: Die neue Hardwaregeneration ist erheblich kleiner. Samsung spricht von einer Reduktion um 15 Prozent, der Autor rein subjektiv von einem signifikanten Unterschied.

In Zahlen gefasst ist jeder Earbud nun 19,9 × 21,6 × 18,7 Millimeter groß und gerade einmal 5,5 Gramm schwer. Die nun leicht raue, weil gummierte Oberfläche verbessert Tragekomfort und Sitz noch weiter, auch wenn die Google Pixel Buds Pro dank ihrer etwas anderen Form zumindest beim Tester noch einen Tick besser in den Ohren halten – trotz ihres höheren Gewichts. Generell sollte für die meisten aber auch Laufen mit den neuen Samsung-Earbuds problemlos funktionieren.

Individuelle Anpassung

Erfreulich ist, dass es bei der Einrichtung einen Test für die passende Größe der Eartips gibt. Das ist wichtig, um später dann den optimalen Klang, aber auch die maximale Geräuschunterdrückung zu garantieren. Die Earbuds werden mit einer eher generisch wirkenden Hülle ausgeliefert, ihren Zweck erfüllt diese natürlich trotzdem. All das gibt es übrigens in drei Farben: Schwarz, Weiß und Violett.

24-Bit-Audio ändert alles (oder nichts)

Samsung bewirbt seine neuen Earbuds mit großen Versprechen in Hinblick auf die Klangqualität. 24-Bit-Audio und ein eigenes hochqualitatives Codec sollen die Galaxy Buds 2 Pro vom Mitbewerb abheben. In der Realität lässt sich dieses Thema aus zwei sehr unterschiedlichen Blickpunkten beleuchten.

Da wäre einmal die Frage, ob 24-Bit-Audio überhaupt einen relevanten Unterschied macht – ganz allgemein aber auch im speziellen Fall. Der Autor sagt zu Letzterem ganz subjektiv: eigentlich nicht. Bevor sich jetzt die Schleusen der audiophilen Empörung auftun, muss angemerkt werden: Das mögen andere anders sehen. Insofern mag dies für manche der entscheidende Vorteil im Vergleich zu anderen Earbuds sein.

Samsung mag nur Samsung wirklich gern

Alles vorausgesetzt natürlich, man hat das passende Smartphone – in dem Fall eines von Samsung selbst, auf dem noch dazu mindestens das Android-12-basierte OneUI 4.0 läuft. Gibt es doch nur dort jenes "Samsung Seamless Codec", das den 24-Bit-Audio-Support ermöglicht. Das heißt im Umkehrschluss: Mit anderen Geräten gibt es all das nicht.

Bitrate?

Etwas mehr Details hätte man sich hingegen in Hinblick auf die verwendete Bitrate gewünscht, spielt diese doch ebenfalls nicht gerade eine kleine Rolle für die Tonqualität. Samsung spricht offiziell von bis zu 2304 kbit/s – das wäre erheblich mehr als selbst bei Sonys LDAC. Das ist freilich ein theoretischer Wert – welche Bitrate in der Praxis verwendet wird, lässt sich leider nicht herausfinden.

Perspektivenwechsel

Aber es gibt auch eine andere Perspektive, und die ist deutlich erfreulicher. Die Galaxy Buds 2 Pro liefern nämlich auch so einen für Earbuds wirklich hervorragenden Klang, der etwas über den Pixel Buds Pro anzusiedeln und nicht mehr weit von auf dieses Thema spezialisierten Anbietern wie Sennheiser entfernt ist. Mit einem gut ausgewogenen Bass und trotzdem sehr klaren Höhen ist die Klangqualität dabei auch erheblich besser als beim direkten Vorgänger.

Auch im "Mama Proschofsky"-Test bekommen die Galaxy Buds 2 Pro für ihren Klang Bestnoten. Bei "Dancing Queen" von Abba sei der Klang dermaßen gut, dass man wirklich jedes einzelne Instrument perfekt heraushören könne, versichert das international anerkannte Maß aller Dinge.

Auch die zur Hilfe gerufene Zweittesterin ist vom Klang der neuen Samsung-Earbuds angetan.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Für die Tonausgabe ist in jedem Earbud übrigens ein 2-Wege-Lautsprecher verbaut, konkret ein 10mm Woofer, der also für den Bass zuständig ist, und ein 5,3mm Tweeter für die Höhen.

Anpassung

Wer mit dem Klang nicht zufrieden ist, für den bietet Samsung einen simplen Equalizer. Eine vollständig freie Konfiguration ermöglicht dieser zwar nicht, aber immerhin kann zwischen unterschiedlichen Profilen gewechselt werden.

Wer bei Earbuds "Pro" sagt, der muss auch "ANC" sagen – also aktive Geräuschunterdrückung. Im vorliegenden Fall soll diese laut dem Hersteller um 40 Prozent besser als beim Vorgänger sein. Zahlen sind in solchen Fragen natürlich immer nur begrenzt hilfreich, glücklicherweise schlagen sich die Galaxy Buds 2 Pro aber auch subjektiv sehr gut. In Relation zu den aktuellen Pixel Buds Pro ist der ANC-Effekt jedenfalls ähnlich effektiv.

Die Kehrseite dieses Effekts ist der "Konversationsmodus", der Töne von außen verstärkt. Auch bei diesem liefert Samsung deutliche Fortschritte, hier haben die Buds 2 Pro im Vergleich zur Google-Hardware sogar die Nase vorne – nur bei Apple wirkt dieser Modus noch natürlicher.

Sprich mit anderen

Vollmundige Versprechungen gibt es auch in Hinblick auf die Sprachqualität. Drei "High-SNR-Mikrofone" pro Bud treffen auf ein "Voice Pickup Unit (VPU)" und das passende "Deep Neural Network" – also Maschinenlernalgorithmen. Feinstes Techbingo für die Spezifikationsliste, das allerdings in ein eher enttäuschendes Ergebnis mündet.

Ja, die Sprachqualität ist besser als bei den Vorgängern, trotzdem bleibt dieser Punkt eine Schwäche der Samsung-Earbuds. Die Bemühungen, Nebengeräusche auszufiltern, führen immer wieder zu unnatürlichen Verzerrungen. Generell funktioniert das Ausfiltern nur mittelmäßig gut.

Spatial Audio

Ganz schön viele Feature für so kleine Earbuds.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Ein nettes Extra ist die Unterstützung für 360-Grad-Audio, und zwar dieses Mal auch abhängig von Kopfbewegungen dank der Integration entsprechender Sensoren. Samsung spricht in diesem Fall nun von "Complete Surround Sound" mit virtuellen 5.1- und 7.1-Kanälen statt stereobasiertem Multikanal.

Über die Sinnhaftigkeit dieses Features darf gerne wieder die Community das letzte Urteil fällen. Der Autor selbst kann damit jenseits von Filmen – wo es fraglos ein nettes Gimmick ist – jedenfalls recht wenig anfangen, empfindet es bei Musik sogar als eher störend. Aber auch das hängt wieder sehr stark von subjektiven Vorlieben ab, und im Endeffekt ist es gut, die Option zu haben – und wer es nicht will, kann es ja noch immer deaktiviert lassen.

Die Verbindung mit mehreren Geräten: Plus und Minus

Sehr nützlich ist der automatische Wechsel zwischen mehreren Geräten. Die Galaxy Buds 2 Pro wechseln dabei etwa automatisch von einem Tablet auf das Smartphone, wenn dort ein Anruf eingeht. Leider ist auch dieses Feature wieder Samsung-exklusiv, funktioniert also nur im Zusammenspiel mit aktuellen Samsung-Geräten. Wer das beschriebene Szenario genießen will, muss also neben den Earbuds auch noch das Smartphone und ein Tablet vom gleichen Hersteller haben.

Umso schmerzhafter ist, dass bei den Galaxy Buds 2 Pro ein Feature fehlt, das andere Earbuds zum Teil schon haben: Multipunkt-Audio. Eine Möglichkeit, die Earbuds parallel mit mehreren Geräten zu verbinden, sucht man hier also vergeblich.

Bluetooth-Fragen

Erfreulich ist dafür, dass die neuen Samsung-Earbuds bereits für Bluetooth 5.3 zertifiziert wurden – beinhaltet dieses doch das noch recht neue Bluetooth-LE-Audio samt dem zugehörigen LC3-Codec. All das ist allerdings noch blanke Theorie, der entsprechende Support soll erst mit einem folgenden Update nachgereicht werden.

Am Rande eine kleine Anmerkung, weil es da immer wieder falsche Erwartungshaltungen gibt: Bei LC3 geht es explizit nicht um eine Verbesserung der Klangqualität, sondern vor allem um eine Effizienzsteigerung, die verspricht, die Akkulaufzeit auf beiden Seiten zu verbessern. Klanglich bewegt sich das eher auf dem Niveau des gewohnten SBC-Standards.

Doch noch einmal zurück zum eigentlichen Thema, also den Galaxy Buds 2 Pro. Leider fällt bei diesen auch auf, dass die Qualität der Bluetooth-Verbindung eher mittelmäßig ausfällt, diese etwa den gleichen verbundenen Geräten deutlich früher abbricht als bei den schon erwähnten Pixel Buds Pro.

Steuerung

Wie von vielen anderen Earbuds gewohnt, lassen sich auch die Buds 2 Pro über Touch-Gesten steuern. Einmal Antippen bedeutet also Pausieren oder Abspielen, zweimal Tippen springt zum nächsten Titel – und so weiter. Der Langdruck auf den Earbud kann dabei über die zugehörige App mehr oder weniger frei konfiguriert werden. So lässt sich etwa die (De-)Aktivierung der Geräuschunterdrückung an diese Stelle legen.

Die Einstellungen werden mithilfe der passenden App vorgenommen.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Wer will, kann über einen Langdruck aber auch die Lautstärke ändern. Dass dies nicht gerade optimal gelöst ist – auch weil man dann eben auf den schnellen Zugriff auf andere Funktionen verzichten muss – , scheint auch Samsung bewusst zu sein. Also gibt es ein experimentelles Feature, über das die Lautstärke über Berührungen an anderer Stelle der Earbuds geändert werden kann. Das erweist sich im Test allerdings als nicht minder frickelige Lösung. Die meisten sind also für diese Aufgabe mit einem raschen Griff zum Smartphone oder dem Lautstärkeregler am Computer besser bedient.

Bixby gibt es noch

Ebenfalls via Langdruck ließe sich theoretisch auch Samsungs digitaler Assistent Bixby aufrufen. Die Möglichkeit, alternativ den – wesentlich mächtigeren – Google Assistant zu verwenden, gibt es leider nicht. Die Konfiguration der Earbuds erfolgt übrigens komplett über die gewohnte Galaxy-Wearable-App, an der gibt es auch wenig auszusetzen. Ebenfalls mit dabei ist eine In-Ohr-Erkennung, die den aktuellen Inhalt pausiert, wenn man die Earbuds aus den Ohren nimmt.

Dann wäre da noch ein eher ungewohntes Feature: Die Galaxy Buds 2 Pro erinnern die Nutzer auf Wunsch nämlich immer wieder daran, den Nacken zu dehnen, wenn sie zu lange steif vor dem Bildschirm sitzen. Was derzeit wie ein vereinzeltes Gimmick typisch Samungscher Prägung wirkt, macht aber auch klar, wohin die Reise mit Earbuds in Zukunft verstärkt gehen wird – nämlich in den Gesundheitsbereich. Immerhin könnten hier auch jede Menge Sensoren untergebracht werden, die Körperdaten erfassen. Im konkreten Fall wird einfach jenes Gyroskop verwendet, das schon für 360-Grad-Audio zum Einsatz kommt.

Positiv fällt die IPX7-Zertifizierung auf. Das heißt, dass die Galaxy Buds 2 Pro ruhig mal in (Süß-)Wasser fallen können, ohne gleich kaputt zu gehen. Sie beim Schwimmen zu tragen wäre aber allein schon angesichts der Verlustgefahr trotzdem nicht über die Maßen ratsam.

Akkulaufzeit

Die besten Earbuds bringen wenig, wenn der Akku leer ist. Samsung verspricht pro Bud 61 mAh, was in Summe auf acht Stunden Akkulaufzeit hinauslaufen soll. Klingt gut – aber nur, bis man erfährt, dass das mit deaktiviertem ANC gerechnet ist. Schaltet man dieses ein, sinkt der Wert auf fünf Stunden. In der Praxis entsprechen diese Angaben weitgehend der Realität, ein paar Minuten weniger waren es im Testverlauf typischerweise.

In Summe ist das ein ziemlich mittelmäßiges Ergebnis, das sich über die geringe Größe der Earbuds erklärt. Trotzdem bedeutet das, dass etwa die Pixel Buds Pro gute drei Stunden länger durchhalten. Wie relevant das jeweils ist, hängt natürlich erneut vom individuellen Nutzungsverhalten ab, also vor allem davon, wie lange man die Earbuds durchgängig in den Ohren hat.

Die Earbuds von Samsung bieten ihre volle Funktionalität nur mit einem Smartphone von Samsung.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Zumindest gibt es da noch das erwähnte Gehäuse, das zusätzliche 500 mAh an Ladung enthält, also für vier ganze Ladungen reicht. Dieses kann übrigens wahlweise via USB-C oder auch drahtlos geladen werden.

Verfügbarkeit

Die Galaxy Buds 2 Pro sind bereits im österreichischen und deutschen Handel erhältlich. Der Preis liegt wie erwähnt bei 229 Euro.

Fazit

Samsung macht bei den Galaxy Buds 2 Pro vieles richtig: Ein sehr guter Klang trifft auf eine im Vergleich zum Vorgänger deutlich reduzierte Größe sowie eine nicht minder gute Geräuschunterdrückung. Die Akkulaufzeit könnte hingegen besser sein, und die Sprachqualität beim Telefonieren enttäuscht sogar ein bisschen.

Wirklich ärgerlich ist die Samsung-typische Beschränkung einzelner Features auf die Kombination mit anderen Geräten aus eigener Produktion. Gleichzeitig stellt sich natürlich die Frage, ob der Verlust des 24-Bit-Audio-Supports wirklich das ganz große Drama darstellt, viele werden hier ohnehin keinen Unterschied feststellen können.

Trotz dieser Kritikpunkte darf das Gesamtbild nicht übersehen werden. In Summe sind die Galaxy Buds 2 Pro eine sehr gute Wahl für all jene, die Earbuds zu ihrem Android-Smartphone suchen – vor allem, wenn es eines von Samsung ist. Und natürlich alles vorausgesetzt, dass man überhaupt so viel Geld für Ohrhörer ausgeben will. (Andreas Proschofsky, 4.9.2022)