Lange Sitzungstage an langen Tischen stehen im Wiener Rathaus an: Zur Causa Wien Energie ist eine U-Kommission geplant.

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Seit Freitag ist klar: Im Wiener Rathaus wird demnächst wieder eine Untersuchungskommission tagen. Wie berichtet, bereiten die Oppositionsparteien ÖVP und FPÖ einen Antrag auf Einsetzung dieses Gremiums vor. Ihre Arbeit aufnehmen könnte die Kommission womöglich noch vor Weihnachten. Davor sollen aber noch die Spielregeln überarbeitet werden – sodass ausgelagerte Unternehmen wie die Wien Energie umfassend behandelt werden können. Derzeit ist das nur eingeschränkt möglich.

Doch was kann eine U-Kommission überhaupt leisten? Der STANDARD beantwortet die wichtigsten Fragen zu einem der am härtesten umkämpfen Mittel der oppositionellen Kontrolle im Wiener Rathaus.

Frage: Was ist eine U-Kommission und was ist der Unterschied zu einem U-Ausschuss?

Antwort: U-Kommissionen betreffen in Wien die Gemeindeebene, U-Ausschüsse die Landesebene. Nicht damit zu verwechseln sind U-Ausschüsse im Nationalrat, also auf Bundesebene.

U-Kommissionen können eingesetzt werden, um vermutete Missstände in der Verwaltung und politische Verantwortlichkeiten aufzuklären. Darin vertreten sind Gemeinderätinnen und Gemeinderäte von allen Fraktionen, ihrem Stärkeverhältnis im Stadtparlament entsprechend. In den Sitzungen der Kommission wird die Causa mit sogenannten Beweismitteln und durch Zeugenbefragungen aufgearbeitet. Die Leitung haben pensionierte Richterinnen oder Richter, die per Los ausgewählt werden, inne.

Unfreiwillige Rückkehr ins Rathaus: Der frühere grüne Planungssprecher Christoph Chorherr musste sich zu Vereinen äußern.
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Zur Beantragung einer U-Kommission sind die Unterschriften von lediglich 25 der 100 Mitglieder des Gemeinderats nötig. Es handelt sich also um ein Minderheitenrecht – und damit um ein zentrales Instrument für die Opposition, die Stadtregierung zu kontrollieren.

Die Dauer einer U-Kommission ist auf ein Jahr beschränkt, sie kann maximal um drei Monate verlängert werden. Das heißt: Über einen doch sehr langen Zeitraum kann die Opposition dadurch ein Thema am Köcheln halten.

Frage: Welche U-Kommissionen gab es bereits?

Antwort: Die Einsetzung einer U-Kommission ist in der Hauptstadt seit 2001 möglich, als die Stadtverfassung entsprechend geändert wurde. Beim Thema Krankenhaus Nord, das mittlerweile in Klinik Floridsdorf umbenannt wurde, haben erstmals auch die Regierungsparteien die Einsetzung einer U-Kommission veranlasst. Bisher ging das stets von der Opposition aus – so wie dies nun wieder der Fall ist.

Premiere feierte die U-Kommission 2002/03, als die Praxis der Flächenwidmung unter die Lupe genommen wurde. 2003/04 beschäftigte man sich mit Pflegeskandalen, 2008/09 mit Missständen in Psychiatrieeinrichtungen. 2018 wurde der Bau des KH Nord durchleuchtet, 2019/2020 parteinahe Vereine.

Christoph Fasching musste in der U-Kommission seinen Energiering um das KH Nord erklären.
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Frage: Was ist bei diesen Kommissionen herausgekommen?

Antwort: Das kommt darauf, wen man fragt. U-Kommissionen müssen am Ende ihrer Tätigkeit einen Abschlussbericht an den Gemeinderat verfassen. Einem Drittel der Mitglieder steht laut Stadtverfassung das Recht zu, einen Minderheitenbericht vorzulegen.

In der Praxis führt das meist dazu, dass die jeweiligen Regierungsparteien einen Abschlussbericht beschließen und die Oppositionsparteien einen Minderheitenbericht. Die Inhalte unterscheiden sich teils diametral. Während etwa Rot-Grün nach der U-Kommission zu den Vereinen keine Verfehlungen bei der Gewährung von Förderungen entdecken konnte, konstatierte die FPÖ "haarsträubende Missstände".

Allerdings hatten manche U-Kommissionen durchaus weitreichende Konsequenzen. Infolge der Kommission zur Flächenwidmung wurde in hoher Beamter in Frühpension geschickt. Nach der Aufarbeitung der Pflegemissstände musste die damalige Gesundheitsstadträtin Elisabeth Pittermann (SPÖ) gehen, das Geriatriezentrum in Lainz wurde geschlossen. Die Psychiatrie-U-Kommission trug dazu bei, dass Netzbetten abgeschafft wurden. Und nach der Aufarbeitung der KH-Nord-Baustelle wurde im Wiener Gesundheitsverbund eine eigene Kompetenzstelle für Spitalsgroßvorhaben eingerichtet.

Frage: Warum ist nun schon wieder eine Reform angedacht?

Antwort: Die letzte Änderung der Spielregeln für U-Kommissionen ist noch gar nicht so lange her. Die Gespräche zwischen Rot-Pink und der Opposition begannen im Februar 2021, im September wurde die Reform vorgelegt. Zu den wichtigsten Änderungen zählten die Herabsetzung der Zahl der notwendigen Unterschriften zur Einsetzung von 30 auf 25, Zeugenladungen gegen den Willen der Mehrheit und eine Auswertung der Verjährungsfrist von zu untersuchenden Missständen von acht auf zehn Jahre.

Ein entscheidender Punkt wurde aber – unter heftiger Kritik der Opposition – ausgespart: Ausgelagert Unternehmen dürfen nicht direkt Gegenstand einer U-Kommission sein. Das wollen ÖVP, FPÖ und Grüne noch vor Start der U-Kommission zur Wien Energie ändern. Sie verlangen dafür Unterstützung von den Neos. Die nächste Gelegenheit dafür ist die Landtagssitzung am 22. September, nötig ist eine einfache Mehrheit.

Throwback Psychiatrie-Kommission: Der heutige SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch und die frühere grüne Gemeinderätin und Patientenanwältin Sigrid Pilz.
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Frage: Wollen die Neos denn eine Reform?

Antwort: Theoretisch schon – immerhin ist Transparenz zentraler Bestandteil der pinken DNA. "Die Kontrollrechte des Gemeinderates gegenüber Wien Energie sollen weiter gestärkt werden", hieß es vor Kurzem aus dem Neos-Rathausklub. Allerdings: Parteichef und Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr muss erst die SPÖ überzeugen. Würden die Neos alleine mit der Opposition die Spielregeln ändern, käme das einer Aufkündigung der Koalition gleich. Für Wiederkehr wäre dies die Chance, in der Causa Wien Energie aus der Passivität zu kommen.

Frage: Kommt die U-Kommission zur Wien Energie auch ohne Reform?

Antwort: Wahrscheinlich ja. ÖVP und FPÖ müssen bei der Formulierung des Untersuchungsgegenstands dann aber tiefer in die Trickkiste greifen. Ob der Antrag zulässig ist, entscheidet letztlich übrigens ein SPÖ-Politiker: der Gemeinderatsvorsitzende Thomas Reindl. (Stefanie Rachbauer, 3.9.2022)